Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Axel Gerntke zum "Wasserstoffzukunftsgesetz"

In seiner 134. Plenarsitzung am 24.05.2023 diskutiert der Hessische Landtag über das von der FDP eingereichte "Wasserstoffzukunftsgesetz". Dazu die Rede unseres Parlamentarischen Geschäftsführers und energiepolitischen Sprechers Axel Gerntke

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Herr Rock hat es eben, wenn auch mit anderen Worten, schon erwähnt: Wir haben es hier mit einem untoten Wiedergänger zu tun. Es liegt, praktisch unverändert, ein Gesetzentwurf der FDP vor, der 2021 schon einmal beraten wurde. Folglich bleibt er auch so schlecht wie zuvor. Der Gesetzentwurf schreibt im Wesentlichen fest, dass bis 2045  25 % des hessischen Primärenergieverbrauchs aus Wasserstoff gedeckt werden soll. Das ist lustig: Bei jeder Gelegenheit reden Sie von Technologieoffenheit, und jetzt wollen Sie Wasserstoffquoten festlegen. Aber vielleicht ist für die FDP der Wasserstoff in der Energiepolitik ja das, was ihr Mövenpick für die Festlegung von Mehrwertsteuersätzen ist.

(Heiterkeit Stephan Grüger (SPD) – Zuruf Freie Demokraten: Was soll denn das schon wieder?) Um nicht missverstanden zu werden:

(Zurufe: Oh Mann, oh Mann! – Oh, oh, oh! – Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten): Oh, wieder dieser Staub mit dem Eigenlob! – Glockenzeichen)

Okay, wir machen das noch einmal: Vielleicht ist für die FDP der Wasserstoff in der Energiepolitik ja das, was ihr Mövenpick für die Festlegung der Mehrwertsteuersätze ist. Um nicht missverstanden zu werden: Wasserstoff kann für bestimmte Anwendungsbereiche – –

(Zuruf: Noch einmal wiederholen! – Anhaltende Unruhe)

Vizepräsident Frank Lortz:

Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, wieder etwas normal zu werden. – Kollege Gerntke, bitte sehr.

(Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten): Der dritte Anlauf!)

Axel Gerntke (DIE LINKE):

Also, ein bisschen Ruhe bewahren, ein Glas Milch trinken – dann geht auch bei der FDP wieder der Puls herunter.

Um nicht missverstanden zu werden:

(Zuruf: Doch!)

Wasserstoff kann für bestimmte Anwendungsbereiche eine passgenaue Lösung sein – eine Lösung, um Energie zu speichern, zu transportieren und auch schnell aufzuladen, etwa für die Schwerindustrie, vielleicht für die Schifffahrt, wo auf absehbare Zeit sicherlich kein Akku hilft. Aber aus erneuerbaren Energien gewonnener Wasserstoff ist hoch aufwendig zu produzieren, das ist sehr teuer und ohne Subventionen kaum wirtschaftlich. Das sollte deswegen denjenigen Anwendungen vorbehalten bleiben, die nicht auf andere Weise dekarbonisiert werden können, wo ein Akku oder eine Stromleitung die Lösung sein kann, wo also direkt Strom genutzt werden kann. Ohne einen doppelten Umweg über Elektrolyse und Brennstoffzelle wird das in der Regel die bessere, effizientere und auch ökonomischere Lösung sein. Kurzum: Mit Wasserstoff sollte man sparsam umgehen.

(Beifall DIE LINKE)

Ganz anders sieht das die FDP. Die wollen eine Prozentzahl von Wasserstoff festschreiben, ohne dabei auf erneuerbare Energien einzugehen. Das ignoriert, dass auf absehbare Zeit nicht genug grüner Wasserstoff aus erneuerbaren Energien zur Verfügung stehen wird.

(René Rock (Freie Demokraten): Woher wissen Sie das denn?)

Das in Kombination führt am Ende womöglich sogar dazu, dass mehr nicht CO2-neutral hergestellter Wasserstoff verbraucht werden muss, um die hier von Ihnen festgeschriebenen Ziele auch tatsächlich zu erreichen.

Wasserstoff ist nur ein Energieträger. Die Energie wird zuvor irgendwie gewonnen; das ist das Entscheidende. Ob die Energie dann durch eine Leitung fließt, in einen Akku oder in E-Fuels oder eben zu Wasserstoff wird, ist – wenn wir jetzt einmal die berechtigten Effizienzfragen, die ich hier gerade aufgeführt habe, weglassen – dann nachrangig. Aber Sie verlieren kein Wort darüber, wo der Wasserstoff denn eigentlich herkommen soll. Sie suggerieren, dass wir weniger erneuerbare Energien aufbauen müssten, wenn wir das Problem outsourcen und einfach Wasserstoff importieren. Meine Damen und Herren von der FDP, Sie haben immer eine passende Ablenkungsdebatte, wenn es darum geht, den Aufbau erneuerbarer Energien zu bremsen.

(Beifall DIE LINKE und Stephan Grüger (SPD))

Nach dem Motto: Vielleicht kommt ja doch noch bald der Wasserstoff, das E-Fuel oder vielleicht auch noch die Kernfusion um die Ecke. Dann haben wir die Windräder und die Solarpanels ganz umsonst aufgebaut – und das wäre doch schrecklich.

(Stephan Grüger (SPD): Dann kommt die Kernfusion!)

Daher singen Sie generell das Loblied auf die sogenannte Technologieoffenheit, nur nicht festlegen. Aber das ist schädlich. Auf dem Weg zur Energiewende ist es das falsche Herangehen. Wir brauchen das Festlegen eines technischen Umsetzungspfads, damit wir einen Weg gehen können.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, ein solcher Zombie-Gesetzentwurf, der nach zwei Jahren noch einmal inhaltsgleich vorgelegt wird,

(René Rock (Freie Demokraten): Sie haben vielleicht den falschen gelesen!)

hat aber natürlich auch seine Vorteile. Schon in der ersten Lesung kann ich daher aus der Anhörung zitieren. – „Der Gesetzentwurf geht … in eine falsche Richtung“, sagt der DGB.

(Andreas Lichert (AfD): Ach, ja!)

– Klar, wenn Gewerkschaften irgendetwas sagen, ist das ganz schrecklich. – „Ein ungedeckter Wechsel der Energiepolitik“, sagt der BUND. Das ist wahrscheinlich auch ganz schlimm.

(René Rock (Freie Demokraten): Vorreiterorganisation der GRÜNEN!)

Aber, damit wir Sie beruhigen können: „Es erscheint fraglich, ob die Festlegung eines Wasserstoffanteils am Endenergieverbrauch zielführend ist.“ Das sagt die Lufthansa – um Ihnen noch einmal eine Freude zu machen. Dem habe ich nichts hinzuzufügen. – Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE)