Ulrich Wilken zum Tag des Rechtsstaates 2023

In seiner 129. Plenarsitzung am 16. Februar 2023 diskutierte der Hessische Landtag zum Tag des Rechtsstaates 2023. Dazu die Rede unseres rechtspolitischen Sprechers Ulrich Wilken.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Ich finde solche Veranstaltungen gut und wichtig für unser Land. Ich würde auch gerne daran teilnehmen können. Darauf komme ich gleich noch einmal zu sprechen.

Wir sind es gewohnt, dass seitens der Regierungsfraktionen, vor allem der größeren Regierungsfraktion, hier überlaute Loblieder gesungen werden. Das ist am heutigen Morgen auch wieder der Fall.

Für mich klingt das mittlerweile bloß wie das Singen im Wald, das man aus Furcht anstimmt, vielleicht dieses Mal aus Furcht vor dem schwarz gekleideten Mann. Das wäre auch nicht ganz falsch, wenn man sich Sorgen darum macht, dass dieser soziale Rechtsstaat – dieses Adjektiv ist heute Morgen noch gar nicht gefallen – nicht mehr von allen Menschen in unserem Land eine solche Akzeptanz findet, wie man sich das wünschen möge.

(Jan Schalauske (DIE LINKE): Das stimmt!)

Zu dem sozialen Aspekt, warum das so wenig Akzeptanz findet, ist an anderer Stelle, auch in diesem Plenum, schon viel gesagt worden. Deswegen will ich die Gefahr der rechtlichen Seite der mangelnden Akzeptanz in unserem Land ansprechen.

Wir haben nach wie vor zu wenige Richterinnen, Staatsanwälte, Justizvollzugsbedienstete. Das hängt mit der Besoldung zusammen. Das wird jetzt mit dem von uns beschlossenen Doppelhaushalt – auch wenn ich dagegen gestimmt habe – teilweise behoben. Aber es ist natürlich ein Problem, das die 25-jährige CDU-Herrschaft in diesem Land selbst geschaffen hat.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Da haben wir den korrupten Oberstaatsanwalt in Frankfurt. Da haben wir frühzeitige Entlassungen aus der Untersuchungshaft wegen überlanger Verfahren. Da haben wir eine Palantir-Software HessenData bei der hessischen Polizei, die verfassungswidrig ist. Ja, selbstverständlich werden da Zweifel daran groß, ob wir mit diesem Rechtsstaat gerade so viel Staat machen können.

(Beifall DIE LINKE)

Statt überlauter Gesänge und Loblieder sollten Sie endlich wieder daran arbeiten, verlorenes Vertrauen wiederherzustellen. Ob es ein Tag des Rechtsstaats sein muss mit drei Staatsministern und der Landtagspräsidentin, daran mache ich einmal ein ganz großes Fragezeichen – ausgerechnet an dem Tag, an dem wir als erste Gewalt hier eine wichtige Anhörung durchführen, nämlich die Anhörung zum Versammlungsrecht, das, wenn es so Gesetz werden würde, nach Meinung vieler Anzuhörender eben auch wieder verfassungswidrig wäre.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Ich fordere Sie also auf, mit harter Arbeit wieder Vertrauen in den sozialen Rechtsstaat aufzubauen, statt Loblieder zu singen. – Danke.

(Beifall DIE LINKE)