22. Prozesstag: Erneute Vernehmung von Miriam D. und Kriminalbeamter S.

NSU 2.0

Nach einmonatiger Pause im „NSU 2.0“-Prozess wurde die Beamtin Miriam D. erneut vor Gericht geladen. Die Vorsitzende Richterin Distler gab an, nach D.s vorangegangener Ladung einige Zweifel in Bezug auf ihr Aussageverweigerungsrecht bekommen zu haben, weswegen sie mit dem Justiziariat des Polizeipräsidiums telefoniert habe. Dieses habe ihr gesagt, es gäbe keine weiteren Ermittlungen gegen Miriam D. Distler klärt die Zeugin über ihr Aussageverweigerungsrecht nach einer sogenannten Mosaiktheorie auf. Demnach müsse sie nichts, was vom Prinzip her einen Anfangsverdacht begründen könne, beantworten. Unter dem Login von D. ist am 2. August 2018 die mehrminütige Abfrage zu der Frankfurter Anwältin getätigt worden. Am heutigen Prozesstag erscheint die Zeugin erneut mit ihrem Anwalt.

Auf die Frage, was sie am 2. August 2018 im Rahmen ihrer Diensttätigkeit gemacht habe, entgegnet Miriam D. sie könne sich nicht daran erinnern. Sie habe Dienst auf der Wache gehabt aber könne sich nicht mehr an konkrete Abläufe erinnern. Auf die Frage der Richterin, ob sie etwas zu der erwähnten Datenabfrage Başay-Yıldız sagen könne, gibt D. an, dass sie sich bewusst nicht erinnern könne diese Abfrage getätigt zu haben. Zu den Fragen nach dem Passwort für ihren Login im Polizeicomputer und dem Umgang damit möchte sie keine Angaben machen. Während des Prozesses war die Handhabung dieser Passwörter des Öfteren thematisiert worden, da Beamt*innen behaupteten damit sei offen umgegangen worden und die Passwörter wären von mehr als einer Person auf dem Revier zum Einloggen verwendet worden. Ob sie mit ihren damaligen Kolleg*innen über die Datenabfrage gesprochen habe und ob sie etwas von einer Störungsmeldung am 12. September auf dem Dienstcomputer gehört habe, möchte sie nicht beantworten. Während ihrer Befragung kommt es zwischen der Richterin, der Nebenklagevertreterin Pietrzyk und dem Anwalt des Angeklagten, Herrn Steffel immer wieder zu Dissens über die Handhabung der Beratung der Zeugin durch ihren Anwalt. So wird D. gefragt, ob sie sich nicht an die erfragten Situationen erinnern könne oder ihr Anwalt. Dieser schüttelte auf mehrere Fragen den Kopf, weswegen der Zeugin aufgetragen wird bei Unsicherheit darüber, ob sie aussagen könne oder nicht, dies zu äußern und daraufhin ihren Anwalt zu befragen. Die Staatsanwaltschaft befragt die anwesende Zeugin nicht.

Miriam D. gibt auf die Fragen von Pietrzyk an, sie habe niemanden gefragt, ob er oder sie die Abfrage auf dem 1. Polizeirevier getätigt habe. Auch ihr Dienstgruppenleiter habe ihr gegenüber nicht mitgeteilt, ob ein*e Mitarbeiter*in des 1. Reviers die Abfrage getätigt habe. D. habe seit Jahren keinen Kontakt mehr zu ihren Kolleg*innen, sie wisse jedoch dass nachdem von polizeiinterner Aufarbeitung der Abfragen. Zu den meisten ihrer Kolleg*innen habe sie eine reine Arbeitsbeziehung gepflegt. Ihr Verhältnis zu Johannes S. möchte sie nicht offenlegen, da daraus möglicherweise über die Kommunikation in der Chatgruppe, wegen der es derzeit laufende Ermittlungen gebe, Rückschlüsse gezogen werden könnten.

Auf Nachfrage der Nebenklage gibt sie an ein persönliches Verhältnis zu Herrn K. zu pflegen, sie seien verlobt. Am Abend des 2. August seien sie gemeinsam auf einer Feier der Staatsanwaltschaft gewesen, die an einem anderen Prozesstag bereits thematisiert wurde. Weswegen sie an diesem Abend alleine nach Hause gegangen sei, möchte D. nicht beantworten. Zu diesem Zeitpunkt hätten K. und sie zusammengewohnt. Auch am Tag der Durchsuchung ihrer Wohnung aufgrund der möglichen Tatbeteiligung an der Datenabfrage habe der Polizeibeamte K. bereits mit ihr zusammengewohnt. Er sei in ihrer Dienstgruppe auf dem 1. Revier gewesen bevor sie dort angefangen habe zu arbeiten. Ob sie ihren Verlobten K. gefragt habe, inwiefern er Kenntnis darüber habe, wer die Abfrage getätigt habe, könne sie sich nicht erinnern. Sie habe ihn auch nicht darum gebeten.

D. antwortet in ihrer Vernehmung sehr knapp und wirkt verunsichert. Zu einem Zeitpunkt wischt sie sich Tränen aus den Augen, ihr Anwalt bittet um eine kurze Pause. Dem Wunsch wird nicht nachgegangen. Zuletzt wird Miriam D. ebenfalls durch die Nebenklage gefragt, ob sie von einer Excelliste wisse, in der Abfragen eingetragen wurden, die nicht unmittelbar bekannt waren. D. habe von dieser Liste gewusst und versucht sie gewissenhaft auszufüllen, sofern ihr dies zeitlich möglich war. Auslöser für einen solchen Eintrag seien Anrufe von externen Behörden. Über die Bedingungen unter denen Auskünfte an solche Behörden weitergegeben worden seien, könne sie nichts sagen. Damit wird die Zeugin entlassen.

Der zweite geladene Zeuge ist der Kriminalbeamter S. des Bundeskriminalamtes (BKA) in Berlin. Der IT-Forensiker wertete den Computer aus, den Alexander M. verwendete. Er prüfte die Behauptungen des Angeklagten, die auf eben diesem Computer aufgefunden Fragmente der Drohschreiben wären durch das Verwenden von Filesharing-Seiten dort drauf gelangt. Während einer mehrstündigen Zeugenbefragung stellt er seinen Bericht über diese Prüfung vor. Der Beamte des BKA erläutert, dass er keine Spuren, die auf eine Nutzung solcher Filesharing-Seiten hinweisen könnten, gefunden habe. Trotz dieser Feststellung durch den Zeugen, sei jedoch nicht ausgeschlossen, dass Alexander M. über seinen Computer mithilfe des Tor-Browsers Daten heruntergeladen habe. Der Sachverständige gibt weiter an, dass das untersuchte Asservat verwendet wurde, um sich im Postfach des E-Mail-Portals Yandex anzumelden. Zu den Anmeldungen im Postfach der Adresse „türkensau@yandex.com“, über die Drohschreiben unter dem Pseudonym „NSU 2.0“ versendet wurden, in Knotenpunkten aus Chemnitz, konnte der Zeuge S. keine Feststellungen in Bezug auf den Angeklagten tätigen, da diese so bezeichneten Exitnotes dafür vorgesehen sind, die Identität der anwendenden Person anonym zu halten.

Nach der zweiten Zeugenvernehmung ordnet die vorsitzende Richterin Distler ein Selbstleseverfahren an, welches u.a. mehrere Zeitungsartikel, Durchsuchungsprotokolle und Akten, sowie Briefe und Emails beinhaltet. Der nächste Verhandlungstag findet am 12. August statt.