Torsten Felstehausen - Alte Buchenwälder lassen sich ohne Klimaschutz nicht erhalten

Alte Buchenwälder lassen sich ohne Klimaschutz nicht erhalten

Torsten Felstehausen
Torsten FelstehausenBiodiversitätUmwelt- und Klimaschutz

In seiner 27. Plenarsitzung am 11.12.2019 diskutierte der Hessische Landtag über die Erweiterung des Nationalparks Kellerwald-Edersee. Dazu die Rede unseres umweltpolitischen Sprechers Torsten Felstehausen:

Hochverehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrte Gäste!

Die Entscheidung, den Nationalpark Kellerwald-Edersee auszuweiten, ist gut. Das ist anzuerkennen, und hinter diesem Satz folgt kein Aber.

(Zuruf Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

– Ja, das kann man auch einmal so sagen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir als LINKE haben uns gefreut, als 2017 in Krakau die Entscheidung fiel, den Nationalpark als Teil des transnationalen Weltnaturerbes anzuerkennen und damit seine Bedeutung besonders herauszustellen.

Die jetzt geplante Erweiterung auf 7.700 ha stärkt den Nationalpark in seinen Beiträgen zur Biodiversität und zum Artenschutz. Sie leistet vor allem auch einen wichtigen Beitrag zum Tourismus. Auch beim Weg zur Erweiterung hat das Ministerium mit den Gesprächsformaten mit den unterschiedlichen Akteuren in der Region vieles richtig gemacht.

(Beifall Martina Feldmayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr gut!)

– Danke. – Denn so entsteht Akzeptanz für ein wirklich wichtiges Projekt.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das kann man an dieser Stelle wirklich einmal sagen. – Ich würde mir wünschen, dass wir diese Erweiterung gemeinsam feiern können und wir dies auch mit den nachfolgenden Generationen noch lange feiern können und etwas von diesem Nationalpark haben. Aber leider habe ich bei der Frage, wie es weitergeht, meine Zweifel. In Ihrem Antrag verlieren Sie kein Wort darüber, dass genau dieser Buchenwald die kommenden 30 Jahre mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht überleben wird.

Meine Damen und Herren, bei der Vorstellung des Waldzustandsberichts vor wenigen Wochen stellte die hessische Umweltministerin fest, dass der Klimawandel in Hessen angekommen sei und erstmals vermehrt auch Buchen abgestorben seien. – Richtig. Die heimische Rotbuche kann längere Trockenperioden mit hohen Temperaturen nicht gut ertragen. Buchenbestände sind in einem solchen Klima, wie es sich im mediterranen Raum zeigt, nicht überlebensfähig.

Wenn wir jetzt 30 Jahre weiterdenken – das ist für eine Buche eine relativ kurze Zeitspanne –, dann wird sich beim aktuellen Klimatrend im Kellerwald kein Buchenwald mehr neu bilden können und kein Buchenwald mehr halten können. Ein anderer Waldtyp wird sich herausbilden, in dem die Rotbuchen dann nur noch eine untergeordnete Rolle spielen.

Wie der Monitoringbericht 2019 des Umweltbundesamtes festhält, hat der Anteil der Buche in den Naturwaldreservaten zwischen 2014 und 2018 erheblich abgenommen. Bei dieser Betrachtung ist der heiße Sommer 2019 noch nicht einmal berücksichtigt gewesen.

Diese Phänomene sind nicht nur in der Literatur zu erkennen. Wegen des Buchensterbens mussten am Edersee Radund Spazierwege schon dauerhaft gesperrt werden. Das ist tatsächlich Wasser im Wein. Das schränkt unsere Freude erheblich ein.

Von dieser Bedrohung des Nationalparks und den drastischen Folgen lesen wir in Ihrem Antrag allerdings gar nichts. Um nicht falsch verstanden zu werden: Man kann und muss den Nationalpark ausweiten. Das geht aber nicht, ohne die aktuellen Entwicklungen – die langen trockenen Sommer, das Buchensterben und die erhöhte Waldbrandgefahr – zu berücksichtigen.

Wir finden kein Wort dazu, wie sich der Tourismus in einem sterbenden Buchenwald eigentlich entwickeln soll. Dazu haben wir von Ihnen nichts gehört.

Mit dem Antrag von Ihnen wird suggeriert, dass mit der Erweiterung des Nationalparks Klimawandel, Biodiversitätsverlust und das Buchensterben bekämpft werden können. Da vertauschen Sie aber Ursache und Wirkung. Der Buche ist es vollkommen egal, ob sie ein Schild bekommt, auf dem Naturpark steht.

(Zuruf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: National-

park!)

– Ja, Nationalpark. – Was sie bedroht, ist der viel zu hohe Ausstoß an Treibhausgasen. Dieser Trend wurde bekanntermaßen nicht gebrochen. Er ist es weltweit nicht, nicht in Europa, nicht in Deutschland und eben auch nicht in Hessen.

Auf Rang 24 von 57 Ländern befindet sich Deutschland auf dem gestern veröffentlichten Klimaschutz-Index. Sie haben es wahrscheinlich alle gelesen: Heute wird berichtet, dass die Zulassungen der SUV in Deutschland eine neue Rekordhöhe haben.

Um gerade einmal 14,9 % sind die CO2-Emissionen gegenüber 1990 in Hessen zurückgegangen. Das schreibt das Bundesumweltministerium für das Bilanzjahr 2017. Von 2016 auf 2017 betrug die Abnahme der CO2-Emissionen gerade einmal 1,5 %. Wir wissen: Mehr als das Doppelte wäre notwendig, um die Klimaschutzziele von Paris einzuhalten. Dabei sind die Kohleimporte nach Hessen noch nicht einmal berücksichtigt worden.

Ich behaupte nicht, dass mit mehr Klimaschutz in Hessen der globale Klimawandel vollständig aufgehalten werden könnte. Wir sind in Deutschland für 2 % des weltweiten Treibhausgasausstoßes verantwortlich. Die Verantwortung verschwindet aber nicht, wenn man sie in kleine Teile zerlegt und sagt: Na ja, da können wir doch nichts tun. – Die Hessische Landesregierung übernimmt die Verantwortung für diesen kleinen Teil nicht ausreichend.

(Unruhe)

Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken:

Herr Felstehausen, einen Augenblick bitte. – Es ist im Raum sehr unruhig. Ich bitte, dem Redner etwas konzentrierter zu lauschen.

Torsten Felstehausen (DIE LINKE):

Herr Präsident, vielen Dank. – Ein Problem ist, dass wir in Hessen nicht genau wissen, wo wir beim Klimaschutz stehen. Wir als LINKE haben mehrfach im Umweltausschuss nachgefragt, um etwas über die Wirksamkeit des hessischen Klimaschutzplans zu erfahren. Die hessische Umweltministerin kann oder will nicht sagen, wie viele Tonnen CO2 durch den Integrierten Klimaschutzplan Hessen 2025 bisher eingespart wurden. Es kann doch nicht sein, dass fast drei Jahre nach Inkrafttreten dieses Klimaschutzplans keine Informationen darüber vorliegen, wie viele Tonnen CO2 mit jeder der 140 Klimaschutzmaßnahmen eingespart werden, ob die Maßnahmen wirken oder ob wir gegebenenfalls beraten müssen, an welchen Stellen wir nachbessern.

Mit der Überprüfung des integrierten Klimaschutzplans will uns die hessische Umweltministerin auf das Jahr 2023 vertrösten. Frau Ministerin, Sie müssen liefern, und zwar spätestens bis Ende 2020. Denn die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben sich 2018 darauf verständigt, im kommenden Jahr zu überprüfen, wo wir beim Klimaschutz gemeinsam stehen. Das ist nächstes Jahr, nicht erst 2023.

Was wollen Sie denn der Bundesregierung mitteilen? Soll es das Gleiche sein, was wir immer in den Ausschusssitzungen zu hören bekommen? Sie sagen: Wir sind auf einem guten Weg. Hessen wird seinen Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele des Pariser Abkommens leisten. – Sie wissen, dass das nicht der Wahrheit entspricht. Der hessische Klimaschutzplan wurde nicht auf das 1,5Grad-Ziel, sondern auf das 2-Grad-Ziel ausgelegt. Dafür reichen die Maßnahmen nicht.

Sie können nicht immer behaupten, die Hessische Landesregierung sei beim Klimaschutz toll. Sie müssen das letztendlich belegen. Während der kursorischen Lesung waren Sie noch nicht einmal in der Lage, zu sagen, wie viel Geld für den Klimaschutz insgesamt im nächsten Haushalt eingestellt sein wird. Die harte Währung des Klimaschutzes ist nicht die Anzahl der angekündigten oder die Anzahl der begonnenen Maßnahmen. Die harte Währung des Klimaschutzes sind die eingesparten Tonnen CO2. Diese Zahlen müssen jetzt endlich auf den Tisch.

(Beifall DIE LINKE und Heike Hofmann (Weiterstadt) (SPD))

Mit diesem Unwissen zur Wirksamkeit der Klimaschutzmaßnahmen torpediert die Landesregierung ihr Ziel, mit der Erweiterung des Nationalparks Kellerwald-Edersee einen größeren Teil alter Buchenbestände zu schützen. Ich frage mich: Warum wurde dieser Antrag überhaupt gestellt?

Liebe Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN, in Madrid läuft derzeit die 25. Weltklimakonferenz. Die GRÜNEN im Hessischen Landtag machen einen Antrag zum Kellerwald zum Setzpunkt. Ich frage mich: Was läuft da eigentlich falsch? 2019 ist ein Jahr, in dem so viele Schäden durch den Klimawandel sichtbar geworden sind wie nie zuvor. Wenn wir überhaupt eine Debatte zum Ende des Jahres 2019 führen wollen, dann sollten wir das doch zum Klimaschutz tun.

Meine Antwort ist: Sie drücken sich. Sie wollen den Aufmerksamkeitsfokus in Hessen nicht auf den Klimaschutz legen, weil Sie wissen, dass Hessen keinen ausreichenden Beitrag zum Klimaschutz leistet. Denn das Ergebnis fällt bei steigenden Emissionen im Straßenverkehr und höherem Stromverbrauch bei stagnierender Energiewende katastrophal aus.

Zugegebenermaßen war das Thema Digitalisierung gestern nicht die bessere Wahl für eine Regierungserklärung. Mein Tipp lautet: mehr Transparenz. Stellen Sie Anträge, und machen Sie Regierungserklärungen, wenn Sie etwas zu sagen haben, aber nicht, wenn Sie versuchen, etwas zu verbergen. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)