Christiane Böhm zur Änderung des Kinder und Jugendhilfegesetzbuches

Christiane Böhm
Christiane BöhmFamilien-, Kinder- und JugendpolitkSoziales

In seiner 34. Plenarsitzung am 19. Februar 2020 diskutierte der Hessische Landtag über die Änderung des hessischen Kinder- und Jugendhilfegesetzbuches. Dazu die Rede unserer sozialpolitischen Sprecherin Christiane Böhm.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Besucherinnen und Besucher!

Zumindest in einem Punkt bin ich heute mit Frau Ravensburg einig: Es gibt an diesem Gesetzentwurf, den Schwarz-Grün vorgelegt hat, einiges zu loben. Daran ist nicht alles schlecht. Das ist schon einmal eine erfreuliche Nachricht.

(Zuruf DIE LINKE: Oh! – Zuruf SPD)

Es gibt durchaus auch einmal gute Sachen. Wenn sie dasmachen, was wir vorher gefordert haben, kann ich hinterher nicht sagen, dass es schlecht ist.


(Beifall DIE LINKE – Minister Kai Klose: Ihr fordert ja alles!)

Herr Klose, alles würden wir jetzt auch nicht fordern. –Wir wollen eine gute Kindertagesbetreuung in Hessen haben. Dazu gibt es noch ziemlich viel Luft nach oben, auch wenn Sie jetzt einiges gut machen wollen, indem Sie endlich die Ausfallzeiten erhöhen, die Leitungsfreistellung in den Gesetzentwurf aufnehmen und ein paar andere Dinge tun, wie z. B. die Betriebskostenförderung erhöhen. Auch wenn es noch lange nicht ausreichend ist und immer noch viel zu gering bleibt, zeigen sich immerhin gewisse kleine Schritte.
Es ist auch kein Problem. Sie haben Geld vom Bund bekommen, 413 Millionen €. Was kann man da eigentlich falsch machen? – Leider kann man doch einiges falsch machen. Sie haben nicht nur bei der Finanzierung – das Thema haben wir vorhin ausführlich erörtert –, sondern auch bei den inhaltlichen Punkten nicht das gemacht, was unbedingt notwendig ist. Und natürlich, das muss ich wiederholen, stecken Sie vorwiegend das Geld der Kommunen in dieses Gesetz hinein.
Dann gibt es in Ihrem Gesetz eine Leerstelle. Frau Ravensburg ist schon darauf eingegangen, aber im Gesetz steht es nicht, dass es eine ausgesprochene Praxisanleitung gibt. Das war auch der Grund, warum wir recht kurzfristig – wobei Ihr Gesetzentwurf auch eine Eilausfertigung ist, obwohl er schon lange in der Röhre steckt – einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht haben. Dabei geht es um diese Praxisanleitung.
Wir haben in der schulischen Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern eine ganz gute Situation, eine relativ gute Situation, wenn man auf die Zahl der Schülerinnen und Schüler schaut. Das ändert sich aber schlagartig, wenn man sich die Übergänge anschaut. Eine Studie der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte kam zu dem Ergebnis, dass jede vierte ausgebildete Fachkraft innerhalb der ersten fünf Jahre den Beruf und die Kita wieder verlässt und sich anderweitig orientiert.


(Zuruf DIE LINKE: Hört, hört!)


Das zeigt, dass in den Kitas etwas falsch läuft, sonst würden sie nicht alle wieder wegrennen.


(Beifall DIE LINKE)


Es reicht nicht, die Fachkräfte zu gewinnen – wir müssen sie halten. Neben vielem anderen – wir wissen, die Qualität in der Arbeit und die Aufwertung der Berufe ist ein Thema, das uns insgesamt noch beschäftigen wird – brauchen wir auch eine vernünftige und gute Praxisanleitung. Sie ist erforderlich, um die Fachkräfte weiter zu binden. Mit der neuen dualen Ausbildung, mit der praxisintegrierten Ausbildung kommen die Schülerinnen und Schüler viel früher in die Kitas. Sie sind am ersten Tag ihrer Ausbildung schon dort. Da ist es notwendig, dass sie jemanden an die Seite gestellt bekommen, der ihnen auch hilft, in diesem Berufsfeld gut zurechtzukommen.
Ich denke auch an diejenigen, die wir nach einer längeren Pause – in der sie vielleicht etwas anderes gemacht haben – wieder in die Kitas zurückzuholen wollen. Wir wollen sie wieder zurückgewinnen. Auch diese Leute brauchen eine Unterstützung.
Da wäre es wirklich notwendig gewesen, dass Sie die Impulse aus der Praxis und von den Fachkräften tatsächlich aufnehmen. Leider haben Sie das einmal wieder ignoriert.


(Beifall DIE LINKE)


Wir wollen erreichen, dass die Kolleginnen und Kollegen, die die Praxisanleitung umsetzen, dafür tatsächlich die notwendige Zeit haben, ohne dass dies zulasten der Gruppenarbeit geht. Wir wollen, dass die anleitenden Personen qualifiziert werden und entsprechende Werkzeuge an der Hand haben, um ihre Anleitung auch gut zu machen.
Wir wollen ältere Fachkräfte halten; das ist auch eine ganz wichtige Frage. Wir wollen den Fachkräften, die schon lange in den Kitas sind und vielleicht nicht mehr täglich nur noch im Gruppendienst sein wollen, eine besondere Funktion geben, um den Bedarf und die Erhaltung von Fachkräften besser zu organisieren.
Alle, die gut in einer Kita aufgenommen sind, bleiben auch eher in dem Beruf. Dieser relativ schmale finanzielle Betrag, den wir uns dabei vorstellen, ist im Rahmen der Möglichkeiten ohne Weiteres realisierbar,


Vizepräsident Frank Lortz:
Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.


Christiane Böhm (DIE LINKE):


ohne dass es zulasten der Kommunen geht.
Ich freue mich auf die Diskussion. Vielleicht können Sie ja doch noch einige Punkte aus unseren Anregungen mit aufnehmen. – Danke schön.


(Beifall DIE LINKE)