Christiane Böhm zur verpflichtenden Testung auf MRE

Christiane Böhm zur verpflichtenden Testung auf MRE

Christiane Böhm
Christiane BöhmGesundheit

In seiner 28. Plenarsitzung am 12.12.2019 diskutierte der Hessische Landtag auf Antrag der AfD über eine verpflichtenden Testung auf MRE. Dazu die Rede unserer gesundheitspolitischen Sprecherin Christiane Böhm.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren!

Ich hoffe, Sie sind noch wach. Multiresistente Erreger sind ein reales Problem in unserer medizinisch hoch entwickelten Gesellschaft in Deutschland. Frau Sommer hat schon etwas zur Anzahl von Erkrankungen gesagt, das brauche ich nicht zu wiederholen. Es ist gut, dass wir uns mit diesem Thema auseinandersetzen.

Diese Keime treten vorwiegend in stationären Einrichtungen des Gesundheitswesens auf. Woran aber liegt das? Damit möchte ich mich in erster Linie beschäftigen.

Zuallererst liegt das an mangelndem Personal in den Gesundheits- und Pflegeberufen. Wenn sich eine Krankenschwester oder ein Krankenpfleger um zu viele Patientinnen und Patienten zugleich kümmern muss, kommt es stressbedingt eben immer wieder auch zu Verstößen gegen die Hygieneverordnung. Damit können MRE von einer Person zur anderen übertragen werden.

(J. Michael Müller (Lahn-Dill) (CDU): Schuld sind die Kapitalisten, ich habe es schon immer gewusst!)

– Ja, es tut mir leid für Sie, aber es ist eben so. – Die zunehmende Ausbreitung von multiresistenten Erregern geht 1 : 1 einher mit dem Pflegenotstand, den wir tagtäglich erleben und den wir hier auch schon häufiger diskutiert haben. Das ist auch nicht neu, ver.di hat schon vor einigen Jahren einen Aktionstag Händedesinfektion durchgeführt, weil sie darauf aufmerksam machen wollten, dass selbst für die Mindesthygienemaßnahmen die notwendige Zeit in der Pflege fehlt. Ohne mehr Pflegepersonal – wir fordern 100.000 Stellen zusätzlich für neue Pflegekräfte – werden wir dieses Problem nicht annähernd in den Griff bekommen.

(Beifall DIE LINKE)

Ein zweites Problem liegt in der generellen Krankenhausfinanzierung begründet – wieder sind es die Kapitalisten. Das Fallpauschalensystem belohnt gute Hygienestandards nicht, vielmehr medizinische Eingriffe im Sekundentakt. Möglichst spezialisiert und möglichst viel ist die Devise, während zugleich alle nicht rentablen Bereiche weggespart werden. Dazu gehören auch die Hygienekontrolle oder die hauseigene Sterilisation, die in vielen Häusern auf ein gesetzliches Mindestmaß heruntergefahren wurden. Wenn wir also nachhaltig Verbesserungen bei der Hygiene erreichen wollen, müssen wir so konsequent sein, die Fallpauschalenfinanzierung generell infrage zu stellen bzw. abzuschaffen.

(Beifall DIE LINKE)

Drittens gibt es seitens der Pharmakonzerne kein nennenswertes Interesse – wieder die Kapitalisten –, eigene finanzielle Mittel in die Antibiotikaforschung zu investieren, weil diese viel zu geringe Gewinne abwirft. Übrigens hatte das sogar der letzte Sozialminister eingeräumt. Deshalb müssen wir in eine öffentliche Arzneimittelforschung investieren. Das wäre ein wirksamer Ansatz, um unser Schwert gegen Infektionskrankheiten wieder scharf zu machen und Menschenleben zu retten.

(Beifall DIE LINKE)

Der vierte Ansatzpunkt liegt nicht im Bereich der Humanmedizin, sondern in den Ställen: Jenseits der Erforschung neuer Antibiotika ist es dringend notwendig, den Einsatz von Antibiotika in der Tierzucht deutlich einzudämmen. Durch die meistens miserablen Haltungsbedingungen sind in Deutschland 92 % der konventionell gehaltenen Schweine von MRSA befallen. Diese Tierhaltung muss unbedingt geändert werden.

(Beifall DIE LINKE)

Hier werden nicht nur Hunderte Tonnen gängiger Antibiotika eingesetzt, sondern in unverantwortlicher Weise auch Reserveantibiotika verpulvert, die eigentlich für Menschen vorgehalten werden sollten. Da wundert man sich nicht, dass die dann in den Regalen der Apotheken fehlen. Aus den Ställen und Klärwerken gelangen die Keime in unsere Flüsse und Badeseen. Das muss unbedingt aufhören. Die Hessische Landesregierung muss die Kommunen dabei unterstützen, die Klärwerke mit einer vierten Reinigungsstufe nachzurüsten. Die Mittel dafür gehören in den Haushalt eingestellt, und die Pharmakonzerne müssen nach dem Verursacherprinzip an den Kosten beteiligt werden.

(Beifall DIE LINKE)

Zu all diesen Punkten sagt der vorliegende Antrag der AfD schlicht und ergreifend nichts. Nur an Symptomen herumzudoktern, statt sich den Ursachen und Gründen dafür zu widmen, hat überhaupt keinen Zweck. Das springt viel zu kurz und schafft keine nachhaltigen Lösungen. Ein solches Placebo braucht es wirklich nicht. – Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)