Heide Scheuch-Paschkewitz - Der Krieg beginnt hier - Solidarität mit Rojava

"Der Krieg beginnt hier - Solidarität mit Rojava"

Heidemarie Scheuch-Paschkewitz
Heidemarie Scheuch-PaschkewitzEuropaFrieden

Auf unseren Antrag hin diskutierte der Hessische Landtag in seiner 25. Plenarsitzung am 31. Oktober 2019 über den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg in Rojava, den das Erdogan-Regime vom Zaun gebrochen hat. Dazu die Rede unserer europapolitischen Sprecherin heide Scheuch-Paschkewitz.

Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren, liebe Gäste!

Der Krieg beginnt hier, in Kassel, in der sogenannten Waffenschmiede von Krauss-Maffei Wegmann, die in der vergangenen Woche von Aktivistinnen und Aktivisten bei großer medialer Aufmerksamkeit blockiert wurde. Dort werden unter anderem die Schießtürme für den Leopard-2-Panzer gefertigt, mit dem jetzt der völkerrechtswidrige Angriff der Türkei in Nordsyrien unterstützt wird. Der Krieg gegen die Kurdinnen und Kurden wird mit deutschen Waffen geführt. Die Türkei hat in den ersten acht Monaten dieses Jahres Kriegswaffen aus Deutschland im Wert von 250 Millionen € erhalten. Wir fordern einen sofortigen Stopp aller Waffenlieferungen an die Türkei, auch derer, die schon begonnen haben.

(Beifall DIE LINKE)

Hessen trägt als ein Teil Deutschlands eine Mitverantwortung für die Verbrechen der Türkei. Mit Erschütterung haben wir am 9. Oktober den Einmarsch türkischer Truppen in Syrien zur Kenntnis genommen. Der Militäreinsatz unter dem zynischen Namen „Operation Friedensquelle“ ist ein Angriffskrieg. Er verstößt gegen das Völkerrecht. Die Türkei ist mit den mit ihr verbündeten Milizen in den Nordosten Syriens eingefallen. Sie bekämpft die YPG, deren mutige Kämpferinnen und Kämpfer den IS in den vergangenen Jahren zurückgedrängt haben. Sie zerstört den selbst verwalteten Demokratisierungsprozess in der Region, und – vor allem das ist zu nennen – sie greift Zivilistinnen und Zivilisten an, misshandelt Frauen und Kinder, nimmt Flüchtlingslager unter Beschuss, führt bewaffnete Angriffe auf Sanitäterinnen und Sanitäter durch. All das sind Kriegsverbrechen, und als solche müssen sie auch geahndet werden.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt AfD)

Wir fordern die Hessische Landesregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass keine Waffen mehr an die Türkei geliefert werden und ein Waffenembargo auf europäischer Ebene
durchgesetzt wird.

(Beifall DIE LINKE)

Wir fordern ein Konversionsprogramm für die hessische Rüstungsindustrie. Es sind aber nicht nur die Rüstungsexporte, die Deutschland mitverantwortlich machen. Auch die Flüchtlingspolitik mit dem EU-Türkei-Deal spielt eine wichtige Rolle. Durch den Deal mit der Türkei hat die EU nicht nur Millionen Flüchtlinge im Stich gelassen, sondern sich auch gegenüber der Türkei erpressbar gemacht. Ein Tag nach der Invasion hat Erdogan damit gedroht, die Grenzen zur EU  für 3,6 Millionen Flüchtlinge zu öffnen, wenn die Europäer
die Militäroffensive weiterhin kritisieren. Außerdem hat er angekündigt, die in der Türkei lebenden Flüchtlinge in dem Gebiet anzusiedeln, um das er in Syrien gerade kämpft und
aus dem er die Bevölkerung vertreibt. Eine Umkehr in der europäischen Asylpolitik zu einer humanen Flüchtlingspolitik und eine Aufkündigung des EUTürkei-Deals sind dringend notwendig.

(Beifall DIE LINKE)

Dieser Konflikt hat nicht nur mit den Menschen zu tun, die schon auf der Flucht sind. Er schafft auch Hundertausende neue Flüchtlinge. Der Krieg hat schon jetzt mehr als 100 zivile Opfer gefordert. Hunderttausende sind auf der Flucht, und auch all jene Flüchtlinge, die in Rojava Zuflucht gefunden hatten, müssen fliehen. Wir brauchen humanitäre Hilfe, um die Menschen vor Ort zu unterstützen, und neue europäische Aufnahmeprogramme. Es ist aber nicht nur die große Politik, die uns Hessinnen und Hessen mit dem Konflikt verbindet. Viele Menschen, die hier leben, haben Verwandte oder Freunde in der Region. Ihnen müssen wir in diesen schweren Zeiten besonders zur Seite stehen.

(Beifall DIE LINKE)

Einige Menschen waren in den letzten Jahren in Rojava. Dort haben sie miterlebt, wie aus den Trümmern des Krieges eine Gesellschaft der Hoffnung erwuchs. Die Bevölkerung Rojavas hat auf basisdemokratische Weise die Selbstverwaltung ihrer Gesellschaft gestaltet, neue Schulen und Krankenhäuser gebaut, demokratische Räte eingerichtet, in denen Frauen genauso viel zu sagen haben wie Männer, und Rojava diente Zehntausenden Binnenflüchtlingen als Zuflucht. Dieses hoffnungsvolle, demokratische und auch ökologische Projekt wird nun mit deutschen Waffen zunichtegemacht. Das macht mich wirklich wütend. Unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung ist es Erdogans Ziel, die kurdische Selbstverwaltung zu zerstören, die Menschen vor Ort zu vertreiben, einen Bevölkerungsaustausch durchzuführen und die Region in eine von der Türkei kontrollierte Zone umzugestalten.

Vizepräsidentin Karin Müller: Frau Abgeordnete, Sie müssen zum Schluss kommen.

Heidemarie Scheuch-Paschkewitz (DIE LINKE): Einer der Hessen, die den Demokratisierungsprozess des Gesundheitssystems in Rojava begleitet haben, ist der Wiesbadener Arzt Michael Wilk. Seine Berichte von dort sind verstörend; sein Einsatz ist unendlich wertvoll.

(Beifall DIE LINKE)

Ihm und allen Helferinnen und Helfern vor Ort gebühren unser Dank und unser Respekt. Auch in Hessen werden Kurdinnen und Kurden, die sich für ihr Volk und ihre Kultur engagieren, bekämpft. Der lange Arm aus Ankara zeigt auch hier seine Wirkung. Wir fordern, die Repressionen gegenüber den Kurdinnen und Kurden endlich einzustellen. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)