Hermann Schaus - Fairness und Respekt im Sport: Für eine gewaltfreie Gesellschaft!

Fairness und Respekt im Sport: Für eine gewaltfreie Gesellschaft!

Hermann Schaus
Hermann SchausInnenpolitik

In seiner 27. Plenarsitzung am 11.12.2019 diskutierte der Hessische Landtag auf Antrag der CDU und Bündnis 90/Die Grünen. Dazu die Rede unseres sportpolitischen Sprechers Hermann Schaus:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Die Meldungen über Gewalt im Sport haben zugenommen.

Es stellen sich die Fragen: Haben nur die Meldungen darüber zugenommen oder die Gewalt an und für sich? Betrifft es nur den Sport oder die Gesellschaft insgesamt?

Zunächst möchte ich aber unterstreichen: Meldungen wie die der letzten Jahre, Monate und Wochen machen betroffen und teilweise sprachlos. Da pöbeln manche Eltern von Kindern bei C-, D-, E- oder F-Jugendspielen oder Wettkämpfen mit den Schiedsrichtern oder den eigenen Trainern herum, nur weil sie ihren eigenen Ehrgeiz nicht unter Kontrolle bekommen.

Was das für ein Vorbild für die Kinder sein soll, muss man sich wirklich manchmal ernsthaft fragen. Ich kenne das aus eigener Betrachtung. Da haben manche Knirpse mehr Manieren als ihre Eltern. Meist sind es die Väter.

Da werden Schiedsrichter von Fans beleidigt oder, wie jüngst im südhessischen Münster, auf dem Platz von einem Spieler krankenhausreif geschlagen. Nach dem Abbruch eines Amateurspiels wegen eines Trittes gegen den Schiedsrichter jüngst in Wiesbaden wurde durch einen der Vereine ernsthaft Folgendes erklärt: Es gab eine rote Karte. Der Spieler von Mannschaft A habe bei der folgenden Rudelbildung den Spieler der Mannschaft B treten wollen und dabei nur aus Versehen den Schiedsrichter getroffen, der schlichten wollte. – Wenn ich so etwas lese, dann zweifle ich schon etwas am Verstand und Anstand mancher Beteiligter.

(Beifall Janine Wissler (DIE LINKE) und vereinzelt SPD)

Ich stelle fest: Sportlich geht es erst dann zu, wenn es erst gar nicht zu einer roten Karte kommt. Richtig unsportlich wird es, wenn die Beteiligten oder Zuschauer glauben, vor aller Augen aufeinander losgehen zu müssen. Ansonsten gilt: Sport bedeutet Respekt vor und im Umgang mit dem Gegner. Gewalt und Regelverletzungen haben hier nichts zu suchen. Bei diesen Beispielen möchte ich es belassen.

(Beifall DIE LINKE)

Aber sicher ist es so, dass man den Eindruck haben muss, solche Übergriffe hätten zugenommen. Jedenfalls ist es das, was zum Teil immer häufiger von denen berichtet wird, die Sportveranstaltungen organisieren.

Bei allem großartigen Engagement von Hunderttausenden Aktiven und Ehrenamtlichen und der Beteiligung von Millionen muss man leider sagen, dass Schiedsrichter und überhaupt ehrenamtliche Helfer zu finden auch deshalb immer schwerer wird. Ja, das ist ein Problem.

Jeder dritte Mensch in Hessen ist in einem Sportverein organisiert. Fast jede und jeder Zehnte in Hessen hilft dabei in irgendeiner Form aktiv durch Mitarbeit. Ganz überwiegend machen die Menschen das ausgesprochen gerne, mit viel sozialem Engagement, sodass alle mitmachen können. Sie sind es, die Sport für alle in den Vereinen organisieren und so auch für niedrige Vereinsbeiträge sorgen.

Für die ganz überwiegende Zahl derer, die dies aus sportlichen wie sozialen Motiven heraus vorbildlich machen, müssen wir uns starkmachen, damit die wenigen Deppen, die sich offensichtlich nicht im Griff haben, nicht die Stimmung oder das Außenbild des Sports bestimmen.

(Manfred Pentz (CDU): Welche Fans waren denn bei Blockupy dabei? – Gegenruf Tobias Eckert

(SPD))

– Herr Pentz, wir sind uns in dieser Frage doch einig. Meine Güte, wie kleinkariert. – Insofern können und werden wir dem Antrag von CDU und GRÜNEN auch zustimmen.

(Zuruf Janine Wissler (DIE LINKE))

Sportvereine leisten so vieles, sie fördern Fitness, Zusammenhalt und vor allem Integration, oft weit über die Sprache, das Geschlecht, die Religion und den sozialen Status hinaus.

Aber es muss auch klare Grenzen und Regeln gegenüber denjenigen geben, die Sportveranstaltungen für Ausbrüche und Gewalt jedweder Art missbrauchen. Jeder Sport hat und braucht seine Kultur und seine geschriebenen, wie manchmal auch ungeschriebenen, Regeln. Wer dies nicht begreift, sollte an sich selbst üben, statt andere zu nerven oder zu bedrohen. Ich glaube, hier kann und muss das Land die Vereine unterstützen, und die Vereine müssen es auch wollen. Das gilt nicht nur im Fußball, aber aufgrund der Bedeutung und Größe dieser Sportart dort im Besonderen.

Man kann sich ja kaum vorstellen, was jedes Wochenende in Hessen und Deutschland inzwischen an Polizei unterwegs ist, um bis hinunter in die Regionalligen Spiele zu beschützen – wobei man „beschützen“ wohl in Anführungszeichen setzen muss.

Es darf doch nicht sein, dass große Mannschaftssportarten nur unter starker Polizeipräsenz stattfinden können. Ich sage dazu: Es gibt Länder in Europa, da kommt der Sport nahezu ohne Polizei aus. Das haben wir in Irland kennengelernt. Es hat mich sehr beeindruckt, zu sehen, dass man dort bei den heimischen Sportarten und bei bis zu 80.000 Zuschauern im Stadion mit insgesamt 80 Polizeibeamten innerhalb und außerhalb des Stadions auskommt, wo es im Stadion keine Zäune zum Spielfeld gibt und auch keine Fanblöcke, weil sich alle am Spiel erfreuen und gemeinsam Spaß haben. Also frage ich mich: Was ist dort besser? Da sollten wir unseren Blick einmal etwas weiten, das fände ich wichtig.

Ich denke, wir müssen auch sehen, dass sich nicht nur das Anzeigeverhalten und die Sensibilität bei Gewalt verändert haben, sondern dass Gewalt und die Angst davor in unserer Gesellschaft eine zunehmend größere Rolle spielen. Wir sprechen hier im Landtag oft über Gewalt gegen Rettungskräfte und in medizinischen Einrichtungen und über Gewalt gegen, aber auch durch Polizeibeamte.

Vorletzte Woche war der Tag gegen häusliche Gewalt, und die Zahlen, welche an diesem Aktionstag von offiziellen Stellen genannt wurden, sind unfassbar: 2018 sind in Deutschland 122 Frauen von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet worden – das waren 25 weniger als im Jahr zuvor. Insgesamt wurden mehr als 114.000 Frauen Opfer von häuslicher Gewalt, Bedrohungen oder Nötigungen. Laut BKA passiert also jede Stunde irgendwo in Deutschland ein solcher Vorfall. Wir alle merken, wie sehr sich auch der politische Diskurs verschoben hat, wie etwa Sprache z. B. im Internet eskaliert.

Ich weiß, dass ich mit diesen Zahlen weggehe von der Intention des Antrags. Aber Sport ist ein wichtiger und zentraler Teil unserer Gesellschaft. Wenn aber die Gesellschaft insgesamt mehr zu Gewalt und Verrohung tendiert, dann kann der Sport davon nicht ausgenommen bleiben.

Deshalb kann und muss der organisierte Sport eines von vielen Sprachrohren und Mitteln sein, gesellschaftlicher Verrohung und individuellem Fehlverhalten zu begegnen, damit wir achtsamer umgehen und Gewalt zurückdrängen, ob zu Hause oder eben auf dem Sportplatz.

(Beifall DIE LINKE und Oliver Ulloth (SPD))

Es ist sicher an der Zeit, gesellschaftliche Gewalt, auch die stetige Verrohung in der Sprache, insgesamt genauer in den Blick zu nehmen, auch mit den von uns schon so oft geforderten Dunkelfeldstudien. Dem vorliegenden Antrag von CDU und GRÜNEN für einen fairen, respektvollen und gewaltfreien Sport in Hessen können wir in jedem Fall zustimmen.

Ich möchte aber noch etwas zum AfD-Antrag sagen: Er haucht den Odem von obrigkeitsstaatlichem Polizeistaat, wenn z. B. „der Schutz für sämtliche Aktive, vor allem Schiedsrichter“ gefordert, von „Fairness, Teamgeist und Disziplin beim Sport“ gesprochen wird, aber Begriffe aus dem Koalitionsvertrag wie „homofeindliche, rassistische und antisemitische Anfeindungen“ bewusst fehlen. Deshalb kann dieser Antrag nur abgelehnt werden.

(Beifall DIE LINKE)