Jan Schalauske zur Neuordnung der hessischen Bauordnung

Jan Schalauske zur Neuordnung der hessischen Bauordnung

Jan Schalauske
Jan SchalauskeWohnen

In seiner 27. Plenarsitzung am 11.12.2019 diskutierte der Hessische Landtag über die Neuregelung der hessischen Bauordnung. Hier die rede unseres wohnungspolitischen Sprechers Jan Schalauske dazu:

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Es ist völlig zutreffend – darüber diskutieren wir des Öfteren –: Im Ballungsraum Rhein-Main und in Hessens größeren und mittleren Städten brauchen wir schnell mehr bezahlbaren Wohnraum. Wir brauchen aber auch mehr barrierefreien und ökologischen Standards entsprechenden Wohnraum.

Es ist aktuell nicht so, als werde nicht gebaut. Privatinvestoren auf der Suche nach Rendite investieren gerne in sogenanntes Betongold. Hochpreisige Eigentums- und Luxuswohnungen werden noch und nöcher errichtet, während der Bau bezahlbarer Wohnungen häufig vernachlässigt wird, weil man damit eben nicht so gut Kasse machen kann.

Jetzt wollen Sie von der CDU und den GRÜNEN beim Mangel an bezahlbarem Wohnraum mithilfe seriellen und modularen Bauens Abhilfe schaffen und haben einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Änderung der Hessischen Bauordnung eingebracht. Zu diesem Aspekt Ihres Gesetzentwurfs – er enthält zwei Aspekte – möchte ich heute sprechen.

Im Zentrum steht, darauf haben die Vorredner schon hingewiesen, die Einführung einer Typengenehmigung, um eine einmalige Genehmigung für Gebäude, Gebäudesysteme und Bauteile, die dann in gleicher oder ähnlicher Ausführung mehrfach errichtet werden oder verbaut werden können, zu ermöglichen. Das Interessante ist: CDU und GRÜNE liegen damit auf einer Linie mit der FDP – das ist der Unterschied zur vergangenen Legislaturperiode; da hat man das zum Teil noch anders gesehen –, die dieses Thema bereits im Sommer auf die Tagesordnung einer Sitzung des Landtags gesetzt hatte. Ich habe damals die FDP gefragt – ich gebe zu, das war etwas ketzerisch –, ob das Ansinnen nach mehr modularem und seriellem Bauen für liberale Freigeister nicht ein bisschen zu viel Planungssozialismus und Gleichmacherei sei. Aus der gleichen Perspektive könnte ich jetzt aber CDU und GRÜNE fragen, warum sie sich mit dem seriellen und modularen Bauen ein Bau- und Architekturkonzept zu eigen machen, das bisher gedanklich im Westen eher mit dem sozialdemokratischen und im Osten mit dem realsozialistischen Wohnungsbau der Siebzigerjahre des letzten Jahrhunderts verbunden ist.

(Heiterkeit und Beifall DIE LINKE)

Auf die Bauten im neuen Frankfurt aus den Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts habe ich ja schon hingewiesen. Man könnte ein bisschen zugespitzt formulieren: CDU und GRÜNE entdecken ihre späte Liebe zur Platte. Eine überraschende, aber durchaus interessante Erkenntnis aus dieser Debatte – auch mit Blick darauf, wie wir sonst hier diskutieren.

(Heiterkeit und Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Zurück zu Ihrem Gesetzentwurf. Wir werden die Chancen und Schwierigkeiten des seriellen und modularen Bauens auch mithilfe einer Anhörung von vielen Seiten beleuchten. Für uns ist aber eines von vornherein sehr wichtig: Es darf keine Kompromisse bei der Sicherheit, beim Brandschutz, bei der sozial-ökologischen Erneuerung – also bei Ökologie und Energie – geben, und es darf vor allem keine Kompromisse in Sachen Barrierefreiheit geben. Auf die Petition des VdK ist schon Bezug genommen worden. Es ist darauf hingewiesen worden, dass ein Abbau von Barrieren allen Menschen nutzt, und die Ermöglichung seriellen Bauens darf die genannten Punkte nicht behindern. Im Gegenteil, sie müsste sie eigentlich befördern.

(Beifall DIE LINKE)

Man kann über modulares und serielles Bauen diskutieren, aber eines ist klar: Es ist kein Allheilmittel im Kampf für mehr bezahlbaren Wohnraum, weil das Mantra „Bauen, bauen, bauen“ das Problem allein nicht lösen wird. Wir brauchen, um Mieterinnen und Mieter wirksam zu schützen, um bezahlbaren Wohnraum für breite Teile der Bevölkerung zu gewährleisten, eine breite Palette an wirksamen Maßnahmen.

Erstens. Wir brauchen einen massiven Ausbau des sozialen Wohnungsbaus insbesondere durch öffentliche Wohnungsbaugesellschaften. Hier müssen wir leider konstatieren, dass trotz aller Lippenbekenntnisse der Landesregierung zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus immer noch deutlich mehr Wohnungen aus der Bindung fallen, als neue gebaut werden. Deswegen brauchen wir eine Offensive für den sozialen Wohnungsbau und den Bau von mindestens 10.000 Sozialwohnungen im Jahr.

(Beifall DIE LINKE)

Zweitens. Angesichts der Dramatik von Mietpreissteigerungen und Wohnungsmangel brauchen wir auch Maßnahmen, um bezahlbare Mieten im Bestand zu sichern. Hier dürfen aber, wie die Debatten im Landtag zeigen, Mieterinnen und Mieter nicht auf die schwarz-grüne Landesregierung hoffen. CDU und GRÜNE haben ein Gesetz gegen Leerstand und Zweckentfremdung abgelehnt, und auch die Forderung nach einem Mietendeckel stößt bei ihnen auf taube Ohren. Wenn Sie, CDU und GRÜNE, einen Beitrag für bezahlbaren Wohnraum leisten wollen, ändern Sie hier doch endlich Ihre Haltung.

(Beifall DIE LINKE)

Drittens. Dass die Zahl der Baugenehmigungen bundesweit sinkt, liegt auch an der Spekulation mit Grund und Boden – astronomische Preise für Bauland, die niemand bezahlen kann. Wer dafür sorgen will, dass wieder mehr gebaut wird, muss Gewinne, die durch die Spekulation mit Bauland erzielt worden sind, kräftig besteuern, den Verkauf von Grund und Boden in öffentlichem Eigentum an Meistbietende unterbinden und Überlegungen anstellen, wie Grund und Boden in öffentlichem Eigentum wieder vermehrt werden können.

Andere Perspektiven hat der Hauptverband der Bauindustrie. Er trommelt für „Bauen, bauen, bauen“, und er fordert serielles und modulares Bauen beim Neubau mit der Parole „Bauen statt enteignen“. Das ist die Antwort der Bauindustrie auf eine stärker werdende Bewegung der Mieterinnen und Mieter, die nicht länger durch steigende Mieten zugunsten von Kapitaleinkommen enteignet werden wollen. Ich finde, nicht „Bauen statt enteignen“ ist die Losung unserer Zeit, sondern die Losung heißt: „Sozial bauen, sozial deckeln und, wo nötig, vergesellschaften“. Das sind kluge Konzepte für die Zukunft, um soziales Wohnen zu gewährleisten.

Das Interessante dabei ist: Die GRÜNEN in Hessen sehen das zwar anders, weil sie es sich nicht mit den Playern verderben wollen, aber in Berlin und im Bund sind die GRÜNEN schon weiter. Wie heißt es in einem Beschluss zum Bundesparteitag? Wenn Eigentümer von Bauland keine Wohnungen errichten – ich zitiere –, „kann in letzter Konsequenz eine Enteignung gegen Entschädigung stehen“. Ich denke, dem ist nichts hinzuzufügen.

(Beifall DIE LINKE)