Janine Wissler - Ein Landesmindestlohn könnte das Leben sehr vieler Menschen verbessern -Teil 2

Janine Wissler
Janine WisslerWirtschaft und Arbeit

In seiner 32. Plenarsitzung am 30. Januar 2020 diskutierte der Hessische Landtag über die Einführung eines Landesmindestlohns von 13 Euro. Dazu die zweite Rede unserer wirtschaftspolitischen Sprecherin Janine Wissler.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Ich will auf den Vorredner gar nicht weiter eingehen. Ich glaube, es wird immer deutlicher, dass die AfD auf keine Frage dieser Zeit irgendwelche vernünftigen Antworten hat. Bei der sozialen Frage sind Sie eine vollkommene Nullnummer.

(Beifall DIE LINKE, SPD und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch AfD)

Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil Sie, Herr Minister Al-Wazir, gesagt haben, es sei unklar, ob der Landesmindestlohn vor Gerichten Bestand hätte. Ja, ich bin grundsätzlich der Meinung, dass man sich die Frage stellen sollte, ob gesetzliche Regelungen, die man einführt, am Ende vor Gerichten standhalten. Hätte jemand wie Herr Bundesverkehrsminister Scheuer das gemacht, hätte man viel Geld sparen können.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Im Fall des Landesmindestlohns ist es mir nicht ganz klar, welche Urteile Sie meinen. Ich stelle fest, dass wir Landesmindestlöhne in Ländern wie Berlin, Brandenburg, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen haben. Wenn ich an Urteile aus diesem Bereich denke, fällt mir natürlich das Rüffert-Urteil aus dem Jahr 2008 ein. Das Urteil des EuGH hat damals besagt, dass ein vergabespezifischer Mindestlohn oder die Tariftreue im Vergabegesetz von Niedersachen nicht europarechtskonform gewesen ist. Dieses Urteil hat damals für ziemlich viel Entsetzen gesorgt. Im November 2015 hat der EuGH seine Rechtsprechung korrigiert und gesagt, ein vergabespezifischer Mindestlohn ist europarechtskonform. – Das ist die Aussage des EuGH.

(Jürgen Lenders (Freie Demokraten): Das sagt aber etwas ganz anderes aus!)

  • Bitte?

(Jürgen Lenders (Freie Demokraten): Es geht um das Vergaberecht!)

  • Ja, ich rede gerade vom Vergaberecht. Das war ja dieFrage. Der Landesmindestlohn beinhaltet mehrere Punkte.

(Jürgen Lenders (Freie Demokraten): Das ist etwas anderes!)

Das eine ist der öffentliche Dienst. Da haben wir jetzt festgestellt, dass sich bei den Beamten die Frage so nicht stellt. Natürlich hat das Land die Möglichkeit, selbst etwas zu machen. Der Schwerpunkt des Landesmindestlohns ist doch der Bereich der öffentlichen Vergabe. Natürlich liegen wir im öffentlichen Dienst bei den meisten Lohngruppen darüber, glücklicherweise. Trotzdem finde ich das Credo: „Keiner darf beim Land weniger verdienen als 13 €“, vollkommen richtig. Das ist der Kernpunkt der Landesmindestlöhne, die wir haben.

Schleswig-Holstein beispielsweise hatte auch einen Landesmindestlohn. Sie hatten ihn an der untersten Vergütungsgruppe des TV-L orientiert. Ich bin mir nicht sicher, ob Schleswig-Holstein diese Regelung noch hat, weil ich weiß, dass der Koalitionsvertrag von CDU, FDP und GRÜNEN die Abschaffung des Landesmindestlohns vorgesehen hat. Ich bin nicht sicher, ob das jetzt schon umgesetzt worden ist. Es stand auf jeden Fall im Koalitionsvertrag. Es ist zu befürchten, dass solch schlechte Dinge relativ schnell umgesetzt werden.

Von daher ist mir nicht klar, welche Urteile Sie meinen. Wenn es so viele Bundesländer gibt, die einen Landesmindestlohn haben, dann verstehe ich nicht, warum wir ihn nicht haben. Wenn man kein Gesetz hat, kann es auch nicht gerichtlich überprüft werden. Wir haben ein Urteil des EuGH, dass es europarechtskonform ist, und wir haben viele verschiedene Bundesländer, die es machen.

Die Widerstände gegen den gesetzlichen Mindestlohn gab es doch ganz genauso. Wie hat die rechte Seite dieses Hauses damals – okay, damals sah die rechte Seite noch anders aus, da war die AfD noch nicht dabei – vor dem gesetzlichen Mindestlohn gewarnt: Das sei ein Eingriff in die Tarifautonomie, das könnten doch die Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände machen, das gehe alles nicht und würde Arbeitsplätze gefährden, usw. – Nichts ist passiert.

(Beifall DIE LINKE – Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten): Darum geht es nicht!)

Was passiert ist, ist, dass Menschen heute nicht mehr für 3, 4 oder 5 € pro Stunde arbeiten müssen, bzw. sie müssen es teilweise immer noch, weil die Kontrollen so schlecht sind. Sie dürfen aber nicht mehr legal für 3, 4 oder 5 € pro Stunde arbeiten.

Ich finde, in einem reichen Land wie Hessen, von dem wir gestern wieder gehört haben, dass es ihm wirtschaftlich gut geht, muss man sich keine Debatte darüber leisten, ob es zu viel ist, wenn Menschen in diesem Land 13 € pro Stunde verdienen; am besten alle, aber mindestens die, die vom Land Hessen Aufträge bekommen oder für das Land Hessen arbeiten.

(Beifall DIE LINKE und SPD)