Janine Wissler - Krise der IAA ist selbstverschuldet

Janine Wissler
Janine WisslerVerkehrWirtschaft und Arbeit

In seiner 32. Plenarsitzung am 30. Januar 2020 diskutierte der Hessische Landtag über den Weggang der IAA aus Frankfurt. Dazu die rede unserer Fraktionsvorsitzenden und verkehrspolitischen Sprecherin Janine Wissler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Ich muss sagen, ich finde es schon beeindruckend, wie der Verband der Automobilindustrie das hinbekommen hat. Man muss sich einmal vorstellen, dass die Autokonzerne jahrelang betrogen haben, getrickst haben, Grenzwerte nicht eingehalten haben und ihre Kunden beschissen haben, und in Zeiten des Klimawandels immer größere und PS-stärkere Autos gebaut haben.

(Zuruf AfD: Was fahren Sie eigentlich?)

Wollen Sie eine IAA unterhalten, die seit Jahren in der Krise ist und die so viel Glaubwürdigkeit und Ansehen verloren hat? Aber anstatt dass die Politik gemeinsam die Automobilindustrie in die Schranken weist und einmal darauf hinweist, dass Grenzwerte keine unverbindlichen Empfehlungen sind, und an Recht und Gesetz erinnert, buhlen mehrere deutsche Großstädte um die Gunst des VDA, die IAA in Zukunft ausrichten zu dürfen. Städte und Landesregierungen bewerben sich beim VDA um die Messe.

(Manfred Pentz (CDU): Denken Sie einmal an die Leute, die ihre Jobs verlieren!)

Das beschert der IAA und dem VDA endlich einmal wieder eine gute Presse. Dazu versuchen sie noch ein bisschen, sich mit Ökogeschwätz und Greenwashing ein besseres Image zu verpassen.

(Manfred Pentz (CDU): Sie sind schlimmer als die SPD! Das ist ja unglaublich, was Sie da erzählen!)

Jetzt streiten Politiker aller Parteien in Hessen darum, wer jetzt eigentlich schuld daran ist, dass die IAA nicht mehr in Frankfurt ist.

(Robert Lambrou (AfD): SPD, CDU und die GRÜNEN!)

Das ist doch absurd. Da muss ich sagen: Respekt vor dem Verband der Automobilindustrie, wie man das hinbekommen hat.

(Beifall DIE LINKE – Unruhe)

Jetzt streiten alle miteinander, ob der Frankfurter Oberbürgermeister, der grüne Wirtschaftsminister, der Ministerpräsident oder wer auch immer an der Sache schuld ist – und der VDA, der die Krise seiner Branche selbst verursacht hat, ist fein raus, kann sich zurücklehnen und sich dieses unwürdige Schauspiel hier anschauen.

(Beifall DIE LINKE und Torsten Warnecke (SPD) – Zurufe AfD)

Die Krise der IAA hat doch nichts mit der Kritik zu tun. Seit 2015 haben sich die Besucherzahlen fast halbiert. Die Zahl der Aussteller ist um 100 zurückgegangen.

(Robert Lambrou (AfD): Ja, wenn man so mit der Messe umgeht! Die Zuschauer wurden beleidigt, überhaupt zur Messe zu gehen!)

Gleichzeitig haben viele Menschen gegen die IAA protestiert – ja, zu Recht, gegen die Automobilindustrie, gegen die herrschende Verkehrspolitik. Das haben im letzten Jahr mindestens 25.000 Menschen getan. Das sind doch Probleme, die die Branche selbst verschuldet hat. Wenn man jahrelang trickst und betrügt, dann darf man sich doch nicht wundern, wenn man am Ende ein Glaubwürdigkeitsproblem hat. Ja, das hat sich die Branche selbst zuzuschreiben.

(Manfred Pentz (CDU): Super, und wer leidet darunter? Der kleine Mann!)

Herr Pentz, natürlich ist es in der Tat sehr ärgerlich, dassunter der selbst gemachten Krise der Automobilindustrie auf Selbstfindungskurs jetzt wieder einmal die arbeitenden Menschen leiden müssen.
(Fortgesetzte Zurufe Manfred Pentz (CDU) – Unruhe – Jan Schalauske (DIE LINKE): Hören Sie doch einmal zu! – Zuruf: Es geht um Dienstleistungen! – Zuruf: Zuhören!)

Ja, das sage ich doch gerade. – Sie müssen wieder darun-ter leiden, dass die Automobilindustrie falsche Entscheidungen trifft.


(Beifall DIE LINKE – Robert Lambrou (AfD): Was die Politiker in Hessen angerichtet haben!)
Genau die Menschen, die bisher auf der IAA ihr Geld als Handwerker oder als Dienstleister verdient haben, müssen wieder darunter leiden. Natürlich ist das das Ärgerliche. Aber die Schuldzuschreibungen an die Landesregierung, den grünen Minister, den Oberbürgermeister oder gar an die Demonstranten sind doch in diesem Fall völlig fehl am Platz. Wer auf Probleme aufmerksam macht und eine Industrie kritisiert, der ist doch nicht an den Problemen schuld.


(Robert Lambrou (AfD): Aber doch nicht als Aufsichtsratsvorsitzender der Messegesellschaft!)
Den kann man danach doch nicht kritisieren, wenn der Verband der Automobilindustrie diese Entscheidung trifft. Gerade eine Partei, die dauernd von Meinungsfreiheit blökt,


(Robert Lambrou (AfD): „Blöken“ ist sehr parlamentarisch!)
sollte erst recht nicht sagen, dass ein Oberbürgermeister seine Meinung nicht äußern darf.


(Beifall DIE LINKE)


Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken:
Frau Wissler, ich bitte um ein bisschen mehr Mäßigung. Wir nehmen „blöken“ zurück.
(Holger Bellino (CDU): Wir sind nicht mehr bei der Wolfsdebatte! – Unruhe)


Janine Wissler (DIE LINKE):
Es gibt Branchen, Messen, die sich mit der Zeit überleben, wenn sie sich nicht verändern. – Ja, da hat Herr Wagner doch recht. Natürlich war die IAA eine Dinosauriermesse, weil sie nicht bereit war, sich zu ändern. Natürlich ist es mit dieser Neuerfindung, dass die Messe jetzt an einem neuen Ort stattfinden soll, nicht getan. Man braucht ein neues Konzept und nicht einfach nur einen neuen Ort. Dabei muss man doch erkennen, dass man auf einem strategischen Irrweg ist.
Angesichts der Klimakrise sagt die Automobilindustrie: Wir haben verstanden. Wir bauen jetzt 400-PS-SUVs mit 1 t Batterien und machen ansonsten weiter wie bisher.

(Robert Lambrou (AfD): Ja, und man fährt 7erBMW so wie bisher!)

Das ist doch keine Strategie. Deswegen sind die Proteste auch notwendig. Wir brauchen einen gesellschaftlichen Wandel angesichts von Klimawandel, Schadstoffen und Flächenverbrauch. Deshalb brauchen wir eine Neuausrichtung der IAA insgesamt, an welchem Ort auch immer. Denn das Konzept muss sich ändern. Da reicht es nicht, einfach nur den Ort zu wechseln. Es muss eine nachhaltige Mobilitätsmesse werden. Denn die Probleme werden bleiben.
Es war natürlich ein mediales Manöver der IAA, jetzt zu sagen: Sollen sich doch jetzt Städte um uns bewerben und darum buhlen, die Messe auszurichten. – Völlig klar ist, dass die Automobilindustrie, wenn sie sich nicht verändert, zwar den Ort für die Messe wechseln kann, aber ich wage vorherzusagen, dass es im Jahr 2021 auch weiterhin Kritik und auch weiterhin Proteste gegen die IAA geben wird – egal, ob sie in Berlin, Hamburg oder München stattfindet.

(Robert Lambrou (AfD): Da gibt es aber eine andere politische Unterstützung für die Messe!)

Diese Proteste hat sich die Branche selbst zuzuschreiben. Ich halte es für relativ unwürdig, sich gegenseitig die Vorwürfe zu machen, wer daran schuld ist.

Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken:
Jetzt müssten Sie zum Schluss kommen.

Janine Wissler (DIE LINKE):
Ich finde, man sollte gemeinsam dafür sorgen, dass sich die Automobilindustrie in diesem Land an Recht und Gesetz hält, wie jeder andere es auch tun muss. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und SPD)