Janine Wissler - Lärmobergrenzen sind nicht mal ein Placebo – denn die wirken manchmal

"Lärmobergrenzen sind nicht mal ein Placebo – denn die wirken manchmal"

Janine Wissler
Janine WisslerVerkehr

In seiner 25. Plenarsitzung am 31. Oktober 2019 diskutierte der Hessische Landtag über die Lärmobergrenzen am Frankfurter Flughafen. Dazu die Rede unserer Fraktionsvorsitzenden und verkehrspolitischen Sprecherin Janine Wissler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Vor zwei Jahren hat der grüne Verkehrsminister uns die sogenannte Lärmobergrenze als großen Wurf präsentiert.

(Zuruf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist er auch!)

Wir haben damals schon gesagt, dass das großer Unsinn ist, weil die eingezogene Grenze weit oberhalb der heutigen Belastungen liegt – nämlich vom prognostizierten Wert von 701.000 Flugbewegungen ausgehend –, und es damit noch lauter werden kann. Und – Überraschung – so kam es jetzt auch. Das war leider absehbar. Denn diese Lärmobergrenze war von Anfang an eine wirkungslose Beruhigungspille. Man könnte auch eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 300 km/h auf der Autobahn einführen und sich dann dafür
feiern, dass man endlich ein Tempolimit eingeführt hat, an das sich auch alle halten. Aber in der Praxis würde das nicht dazu führen, dass irgendjemand langsamer als heute fahren würde.

(Beifall DIE LINKE)

Genauso verhält es sich mit der Lärmobergrenze, die, vom heutigen Istzustand aus betrachtet, der für die Anwohner eine dauerhafte und unerträgliche Lärmbelastung und damit
auch eine erhebliche Beeinträchtigung von Gesundheit und Lebensqualität bedeutet, noch viel Luft nach oben lässt. Eine Lärmobergrenze könnte ein wirksames Instrument zur Entlastung von Fluglärm sein; etwa wenn man die Grenze dynamisieren, also z. B. von Jahr zu Jahr absenken würde. So käme der technische Fortschritt von leiseren Maschinen
wirklich den Menschen zugute. Mit der jetzigen Regelung führt ein angenommener technischer Fortschritt mit leiser werdenden Flugzeugen aber dazu, dass immer mehr Flugzeuge fliegen können, und nicht dazu, dass der Lärm weniger wird. So profitieren Fraport und die ungebremste Wachstumslogik, aber nicht die Menschen. Damit das Ganze nicht so leicht nachvollziehbar ist, wird ein superkompliziertes Modell konstruiert, bei dem ein Lärmmittelwert auf die Fläche berechnet wird, was kaum jemand versteht. Das ist aber auch egal; denn das Ganze hat – wie beschrieben – überhaupt keine praktischen Auswirkungen. Es ist sehr viel Aufwand, Herr Minister, für praktisch keine Verbesserung. Als wäre das alles nicht schlimm genug: Das alles ist nicht etwa ein Gesetz oder eine Auflage, sondern es ist eine völlig freiwillige Vereinbarung mit der Luftverkehrswirtschaft, die jederzeit wieder aufgekündigt werden kann, etwa wenn der Grenzwert irgendwann in ferner Zukunft doch einmal erreicht würde und damit tatsächlich jemandem wehtun könnte.

Das ein Placebo zu nennen, ist fast noch zu freundlich; denn die sollen angeblich ab und zu einmal wirken. Die fluglärmgeplagten Anwohner fühlen sich zu Recht veräppelt. So ist es nun leider auch nicht überraschend, dass der Ende August vorgelegte Monitoringbericht davon ausgeht, dass mit mehr Flugverkehr und mehr Fluglärm zu rechnen ist. – Oh Wunder, kann man da nur sagen. Wenn man den Flughafen immer weiter ausbaut – neue Landebahn, Terminal 3 – und dann Dumpingunternehmen wie Ryanair mit Rabatten nach Frankfurt lockt, bedeutet das, dass es mehr Flugbewegungen und damit mehr Lärm gibt. Daran ist überhaupt nichts überraschend, sondern das ist genau die Konsequenz des dauernden Ausbaus des Flughafens und der Tatsache, dass dieses ungebremste Wachstum an keiner Stelle gedeckelt wurde, sondern dass man die Interessen der Luftverkehrswirtschaft umgesetzt hat.

(Beifall DIE LINKE)

Deswegen sagen wir: Schluss mit den Beruhigungspillen. Die Menschen in der Region haben echte Entlastung verdient. Das geht nicht, ohne dass die Luftverkehrswirtschaft und ihre wirtschaftlichen Interessen eingeschränkt werden. Herr Minister, wer Lärm wirksam reduzieren will, muss bereit sein, sich mit Lufthansa und Fraport anzulegen, und er darf keine freiwilligen Vereinbarungen machen, die in der Praxis nichts ändern. Die Region braucht endlich ein echtes achtstündiges Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr, eine Beschränkung der
Flugbewegungen auf 380.000 pro Jahr und die Verlagerung von Kurzstreckenflügen auf die Bahn. Das ist nicht nur aus Lärmschutzgründen sinnvoll, sondern natürlich wäre das
auch ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz und zur Reduzierung von Schadstoffen.

(Beifall DIE LINKE)

Mit leiseren Flugzeugen müsste es tatsächlich leiser werden, aber die jetzige Lärmobergrenze verdient ihren Namen nicht. In diesem Sinne unterstützen wir die Forderungen der
Flughafenbürgerinitiativen und die 300. Montagsdemonstration im Terminal 1 am Frankfurter Flughafen, die am 11. November stattfindet. Wir wünschen den Flughafen Bürgerinitiativen alles Gute und weiterhin einen langen Atem, um gegen diese Lärmbelastung zu kämpfen. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)