Saadet Sönmez zum Haushalt 2020 im Bereich Integration

Saadet Sönmez
Saadet SönmezHaushalt und FinanzenMigration und Integration

In seiner 31. Plenarsitzung am 29. Januar 2020 diskutierte der Hessische Landtag ausführlich den Landeshaushalt für das Jahr 2020. Hier die Rede unserer integrationspolitischen Sprecherin Saadet Sönmez für den Teilbereich der Integrationspolitik.

 

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Frau Ravensburg hat betont, wie sehr der Regierungskoalition die Integration von Migrantinnen und Migranten und geflüchteten Menschen am Herzen liegt. Wenn wir in den Haushaltsplan hineinschauen, stellen wir aber das Gegenteil fest. Das Thema Integration der Migrantinnen und Migranten wird auch in diesem Jahr und in diesem Haushaltsplan nicht wirklich ernst genommen.

Zusammengefasst kann man eigentlich sagen, dass das Interesse an Migrantinnen und Migranten nur darin besteht, wie man sie am besten dem Niedriglohnsektor zuführen kann.

(Robert Lambrou (AfD): Ach nee!)

Aber auch das hat Frau Ravensburg benannt, wenn auch nur indirekt. Sie hat nämlich versäumt, zu erwähnen, dass Vollzeitbeschäftigte aus Asylbewerberländern 43 % weniger Bruttoverdienst haben und knapp 50 % von ihnen im Helferbereich tätig sind. Das haben Sie bei Ihrem Integrationsprogramm vergessen zu erwähnen.

(Beifall DIE LINKE)

Sogar der Präsident des BAMF, Herr Dr. Hans-Eckhard Sommer, stellt auch fest, dass dieser Zustand für unsere Gesellschaft langfristig nicht gut sein kann. Vor diesem Hintergrund wird aber klar, dass Flüchtlinge mitnichten als Fachkräfte in den Arbeitsmarkt integriert werden sollen, wie es uns die GRÜNEN und die CDU immer versuchen zu verkaufen. Vielmehr findet nichts anderes statt als die Unterfütterung und der Ausbau des Niedriglohnsektors – und das wiederum auf Kosten der geflüchteten Menschen, meine Damen und Herren.

Hätte die Landesregierung ein ernsthaftes Integrationsinteresse, würde die Lösung bezüglich des Arbeitsmarkts und der Fachkräfte darin bestehen, die im Ausland erworbenen beruflichen Qualifikationen durch geeignete und schnelle Bearbeitung anzuerkennen. Das Gegenteil ist aber der Fall.

(Beifall DIE LINKE – Robert Lambrou (AfD): Und wenn es keine Qualifikationen gibt?)

– In Sachen Qualifikationen und Nichtqualifikationen beweisen Sie sich täglich aufs Neue. Davon brauchen Sie jetzt nicht zu reden.

(Heiterkeit und Beifall DIE LINKE – Robert Lambrou (AfD): Ich bin Diplom-Kaufmann, ich habe ein Universitätsstudium abgeschlossen!)

Das Gegenteil ist der Fall. Trotz sehr langer Bearbeitungszeiten und Beschwerden vonseiten der Betroffenen sehen Sie im Haushaltsplan keine zusätzliche Investitionen und keine Stellen für solche Bearbeitungen vor.

Obwohl immer wieder gebetsmühlenartig konstatiert wird, dass Sprache der Schlüssel zur Integration sei, streichen Sie 159 Stellen bei den InteA-Klassen, obwohl der Bedarf bisher nicht gedeckt war. Nach wie vor ist die Teilnahme an Sprach- und Integrationskursen bestimmten Personengruppen überhaupt nicht möglich, und für andere ist sie kostenpflichtig. Die Angebote der Deutschkurse müssen aber so ausgebaut werden, dass ein diskriminierungs- und kostenfreier Zugang für alle – das betone ich – möglich ist. Hierzu können wir dem Entwurf des Haushaltsplans leider auch nichts entnehmen.

Die Befähigung, am beruflichen Leben teilzunehmen und die Sprache zu erwerben, gründet auf psychischer und körperlicher Gesundheit. Mit insgesamt vier psychosozialen Zentren werden wir der Sache aber nicht gerecht. Da sollte sich die Hessische Landesregierung ein Beispiel an Rheinland-Pfalz nehmen, wo man bei viel geringeren Flüchtlingszahlen mehr psychosoziale Zentren hat, nämlich sechs an der Zahl.

Menschen kommen traumatisiert hier an, sind hier zumeist weiterhin Diskriminierungen und Perspektivlosigkeit ausgesetzt, womit die psychische Situation dieser Menschen mitnichten besser wird. Für die Verbesserung der psychosozialen Versorgung der Migrantinnen und Migranten müssen weitere psychosoziale Zentren geschaffen werden, und die von den freien Trägern geleistete, sehr wertvolle Arbeit muss mit Landesmitteln gefördert werden. Es kann nicht sein, dass auslaufende Projekte aufgrund der fehlenden Finanzierung nicht mehr ihre gute Arbeit fortsetzen können, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Auch hierzu werden wir natürlich einen Antrag einreichen.

In Hessen leben Menschen aus 195 Nationen. Dass nicht alle der deutschen Sprache mächtig sind, liegt auf der Hand. Wenn eine gesellschaftliche interkulturelle Öffnung im Gesamten und eine interkulturelle Öffnung im Gesundheitswesen wirklich funktionieren sollen, wenn diese Menschen eine adäquate gesundheitliche Versorgung erhalten sollen, müssen interkulturell und medizinisch geschulte Dolmetscher für eine Übersetzung herangezogen werden können. Dann dürfen keine Laiendolmetscher hierfür eingesetzt werden. Deshalb muss finanziell sichergestellt werden, dass Kliniken auf qualifizierte Dolmetscher zurückgreifen können, die medizinisch und interkulturell geschult sind.

(Beifall DIE LINKE)

Ich könnte weitermachen, aber um das Zeitkontingent nicht weiter auszureizen, komme ich zum Schluss. Eines will ich mir dann doch nicht verkneifen: Ihr Interesse an Integration und politischer Teilhabe der ausländischen Bevölkerung machen Sie besonders deutlich mit Ihren Plänen bezüglich der Ausländerbeiräte.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Das machen Sie zum einen deutlich mit dem Gesetzentwurf, den Sie eingebracht haben, aber auch mit Ihrem Haushaltsplanentwurf. Trotz der bisherigen unzureichenden finanziellen Mittel, die die Ausländerbeiräte zur Verfügung haben, sehen Sie im Haushaltsplan keine Erhöhung der Mittel für die Ausländerbeiräte vor.

(Janine Wissler und Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Die werden ja auch abgeschafft!)

– Die werden auch abgeschafft. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE)