Ulrich Wilken- Volksgesetzgebung bleibt steinig

"Volksgesetzgebung bleibt steinig"

Ulrich Wilken
Ulrich WilkenJustiz- und RechtspolitikRegierung und Hessischer Landtag

Gesetz zur Änderung des Landtagswahlgesetzes und anderer Vorschriften (Zweite Lesung Gesetzentwurf Fraktion der CDU, Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Drucks. 20/1378 zu Drucks. 20/628)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Wir haben heute eine abstruse Situation. Wir haben unter den letzten Tagesordnungspunkten zwei Gesetzentwürfe beraten, bei denen es um die Aufhebung des Wahlrechtsausschlusses von vollbetreuten Menschen geht, und wir haben jetzt einen Gesetzentwurf vorliegen, der teilweise dasselbe Thema zum Inhalt hat.

Ich will ganz deutlich sagen: Meine Meinung hat sich seit meiner Rede zu den letzten Tagesordnungspunkten nicht geändert.

(Robert Lambrou (AfD): Hört, hört! Stabile Meinung!)

Ich finde es richtig, was im ersten Teil Ihres Gesetzentwurfs steht, und würde dem auch zustimmen. Es bleibt dabei. Sie haben aber in Ihrer grenzenlosen Weisheit zwei Themen miteinander verknüpft, die nicht notwendigerweise miteinander zu verknüpfen sind, nämlich die Frage der direkten Demokratie und die Frage, wie wir einfachgesetzlich das weiterführen, was wir ziemlich genau vor einem Jahr durch Volksabstimmungen als Auftrag bekommen und in der Verfassung verankert haben. Ich muss Ihnen leider sagen, für meine Fraktion gehen dievon Ihnen vorgeschlagenen Regelungen zwar in die richtige Richtung, aber bei Weitem nicht weit genug. Deswegen werden wir in die abstruse Situation kommen, dass wir Teil 1 Ihres Gesetzentwurfs zustimmen könnten, Teil 2 aber nicht. Dann müssen wir uns eben enthalten. Ich entschuldige mich bei allen vollbetreuten Menschen: Damit ist nicht gemeint, dass wir jetzt auf einmal nicht mehr für die Abschaffung des Wahlrechtsausschlusses sind.

(Beifall DIE LINKE)

Was meine ich, wenn ich sage, der Teil, in dem von der direkten Demokratie die Rede ist, geht uns nicht weit genug? Wir haben für das Land – darüber haben wir in der Enquetekommission Verfassungskonvent lang und breit und rauf und runter beraten – deutlich weniger weitgehende Regelungen vereinbart, als wir den Kommunen aufgebürdet haben, was direkte Demokratie anbelangt. Das haben die Vertreterinnen und Vertreter der kommunalen Familie in der Enquetekommission auch mehrfach zum Ausdruck gebracht.

Wenn wir jetzt auch in der einfachen Gesetzgebung dieHürden zwar absenken, aber immer noch bei Weitem nicht in die Nähe von Ländern wie Bayern kommen, frage ich mich schon, warum wir diese Anstrengungen überhaupt unternehmen. Bayern ist, wie ich festgestellt habe, als ich das letzte Mal hingeschaut habe, nicht in Anarchie versunken, weil es gute Bedingungen für direkte Demokratie hat.

(Zuruf)

– Das stimmt auch. Wenn überhaupt, dann ist es anarchisch, weil es in der repräsentativen Demokratie von einer merkwürdigen Partei dominiert wird. Danke für den Hinweis. Wenn wir jetzt in Hessen Schritte unternehmen, sollten wir zumindest nicht hinter dem zurückbleiben, was in anderen Bundesländern ausprobiert wird und dort eben nicht dazu geführt hat, dass sie unregierbar geworden sind. Ich gebe allen Rednerinnen und Rednern – auch dem Herrn Innenminister – recht, wenn sie sagen: Wir bleiben eine repräsentative Demokratie. – Das steht doch völlig außer Frage. Aber vielleicht hat auch der eine und die andere von Ihnen am Sonntagabend die Einschätzung des Ministerpräsidenten von Thüringen gehört, der gesagt hat: Wenn wir nachder Wahl ein Parlament wie dieses haben, wird uns, um in der repräsentativen Demokratie weiter handlungsfähig zu bleiben, wahrscheinlich nichts anderes übrig bleiben, als mehr Formen der direkten Demokratie einzubeziehen. Lassen Sie uns doch uns in Hessen – wir hatten einen ähnlichen Zustand vor einem Jahrzehnt auch schon einmal – besser darauf vorbereiten als mit dem, was Sie jetzt als Gesetz vorschlagen.

(Beifall DIE LINKE)

Letzte Bemerkung. Herr Heinz, deswegen habe ich das eben dazwischengerufen. Mir war nicht klar, ob Sie dem Vorschlag der SPD, der prinzipiell richtig ist, wie wir alle finden, zustimmen oder ihn ablehnen. Mir geht es ja genauso. Wenn auf den letzten Metern noch irgendwelche Initiativen kommen, bin ich derjenige, der sagt: Leute, bitte andere Zeitläufe. – Normalerweise betrifft es die Regierungsfraktionen, in diesem Fall betrifft es die SPD. Das Argument bleibt das gleiche.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Immerhin! – Gegenruf Janine Wissler (DIE LINKE))

– Herr Wagner, ich bin auch nicht dafür bekannt, dass ich die SPD schone. – Inhaltlich will ich ganz klar sagen: Wir haben es in diesem Haus mehr als einmal erlebt, dass die Regierungsfraktionen ordentliche Anhörungen in einem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren abgelehnt haben. Das heißt, wenn wir Sie zu etwas zwingen wollen, dann müssen wir es ins Gesetz schreiben. Auch das lehnen Sie jetzt wieder ab.

Wir waren bereits vorher der Meinung, dass wir uns bei dem jetzt vorliegenden und diskutierten Gesetzentwurf enthalten werden. Diese Entscheidung hat sich durch Ihren Änderungsantrag nicht verändert. Wir werden uns gleich enthalten.

(Beifall DIE LINKE)