Elisabeth Kula - Ohne Mut und ohne Plan. Umsetzung des Digitalpakts lässt sehr zu wünschen übrig

"Wenig ambitioniert, pädagogisch planlos und zu kurz gedacht – so setzt Hessen den Digitalpakt um"

Elisabeth Kula
Elisabeth KulaBildungDigitalisierung

Digitale Bildung in Hessen braucht mehr als ein Gesetz zur Umsetzung des Digitalpakts (Dringlicher Antrag Fraktion der Freien Demokraten, Ds. 20/1271)

 

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren!

Heute diskutieren wir wohl zum letzten Mal den Gesetzentwurf der Landesregierung zur Umsetzung des Digitalpakts in Hessen. Allerdings sind auch nach der Anhörung im Kulturpolitischen Ausschuss viele Fragen offen. Viele unserer Kritikpunkte wurden auch von Anzuhörenden benannt. Wir als LINKE im Hessischen Landtag kommen zu dem Schluss, dass das vorliegende Gesetz auch mit kleinen Nachbesserungen nicht bedarfsgerecht ist, um schulische Bildung in Hessen flächendeckend zu verbessern. Vielmehr wurden viele Anregungen aus der Anhörung nicht aufgenommen. Die Landesregierung hält an vielen fragwürdigen Regelungen fest und lässt etliche Fragen immer noch unbeantwortet. Fest steht, dass das Land und die Schulträger die Bundesmittel um 25 % aufstocken. Dafür hat sich die Landesregierung schon oft genug selbst gelobt. Trotzdem bleibt es unserer Meinung nach falsch, die Schuldenlast bei den Schulträgern abzuladen und erst im Nachhinein für die Kredittilgung einzuspringen, da sich somit die Gesamtschuldenlast für viele Kommunen noch weiter erhöht. Es wäre gerechter und nachhaltiger, die Mittel direkt an die Schulträger zu vergeben, statt den Umweg über die Kreditaufnahme bei der WIBank zu gehen. Immerhin gibt Schwarz-Grün mittlerweile auch öffentlich zu, dass nicht allein das Land, sondern vor allem die Schulträger zur Aufstockung der Digitalpakt-Gelder beitragen. Dennoch bleibt bereits die Finanzierungsstruktur kritikwürdig. Wer für die Kosten für die Pflege, die Erhaltung und den Ausbau der digitalen Infrastruktur nach fünf Jahren Laufzeit der Förderung aufkommen soll, ist weiterhin vollkommen unklar. Für uns gilt auch hier der Grundsatz: Dauerförderung für Daueraufgaben.

(Beifall DIE LINKE)

Schulen und Schulträger brauchen Sicherheit, um dauerhaft Investitionen zu planen und pädagogische Konzepte zu erarbeiten. Die kleinen Korrekturen durch Ihren Änderungsantrag stellen zwar kleine Verbesserungen dar, lösen aber keines der am meisten genannten Probleme an dem Gesetzentwurf. Die Verteilung nach Kontingenten beispielsweise statt nach Bedarf kritisieren wir weiterhin. Dies führt im Zweifel dazu, dass es vollkommen unterschiedliche Ausstattungen an Schulen geben wird, die nicht davon abhängen, wie groß der Bedarf ist, sondern davon, wie viele Schülerinnen und Schüler sie haben bzw. wie viel Zeit und Aufwand die Schulen in konzeptionelle Entwicklungen stecken können. Dringend angemahnt wurden in der Anhörung landesweite Mindeststandards für die digitale Ausstattung. Diese liegen immer noch nicht vor. Ich sehe mich nicht imstande, einem Gesetzentwurf zuzustimmen, dessen reale Umsetzung ich nicht absehen kann. Hier hat das Kultusministerium wieder einmal geschlafen und muss dringend liefern, damit die Schulträger wissen, worauf sie sich einstellen können. Dazu braucht es schnellstmöglich eine Förderrichtlinie, auf die wir immer noch warten. Die Landesregierung scheint bei digitalen Endgeräten auf das „Bring your own Device“-System zu setzen, das wir auch in der Anhörung diskutiert haben; denn hierzu sind keinerlei Ergänzungen zu Bundesregelungen zu finden. Nur 20 % der Fördermittel pro Schulträger dürfen für Endgeräte genutzt werden. Da steht die Frage im Raum, ob und in welcher Form digitale Endgeräte an hessischen Schulen überhaupt genutzt werden sollen. Das System „Bring your own Device“ kann für uns als LINKE keine Lösung sein, da es sozial ungerecht ist und die Gefahr birgt, dass am Ende eine Vielzahl verschiedener Endgeräte an Schulen landen, was für Support und Wartung schlichtweg nicht handhabbar ist. Diese Entscheidung wird aber auf die Schulen und die Schulträger abgewälzt, womit klar ist, dass es in Sachen digitale Endgeräte keine hessenweit einheitlichen Standards geben wird. Das bedauern wir sehr. Die größten Leerstellen im Gesetzentwurf – das wurde auch schon angesprochen – sind die Wartung und der Support der digitalen Infrastruktur. Zusätzliche Fachkräfte für diese Aufgaben sind nicht über die Bundesmittel zu finanzieren, werden aber dringend gebraucht. Das hat auch die Anhörung gezeigt. Nahezu alle Anzuhörenden haben auf dieses Problem hingewiesen. Aber auch hier hat die Landesregierung nicht nachgebessert, was vielleicht zum Sargnagel der digitalen Ausstattung im schulischen Bereich nach ein paar Jahren werden könnte. Die Schulträger seien dafür zuständig, so der O-Ton aus dem Kultusministerium. Diese Argumentation stellt bedauerlicherweise einen Rückschritt dar. Schließlich war man sich im Rahmen des bereits erwähnten Programms Schule@Zukunft als Land und Schulträger schon einmal einig, dass Digitalisierung und digitale Ausstattung der Schulen eine gemeinsame Aufgabe ist. Sich jetzt wieder auf die Position zurückzuziehen, für die Wartung und den Support der technischen Infrastruktur seien allein die Schulträger zuständig, ist nicht akzeptabel. Das wird Ihnen auf die Füße fallen, Herr Lorz.

(Beifall DIE LINKE)

Einen interessanten Lösungsvorschlag in dieser Sache hat übrigens die GEW vorgelegt. Diese schlägt nämlich vor, den kommunalen Eigenanteil für diese Aufgaben zu verwenden bzw. dies im Gesetz festzuschreiben. Keine Erwiderung auf diesen Vorschlag seitens des Kultusministeriums. Allgemein sollte man doch meinen, dass Anhörungen nicht nur dazu da sind, seine Zeit abzusitzen, sondern sich wirklich mit den gemachten Vorschlägen auseinanderzusetzen. Allein aus ökologischen Gründen, liebe GRÜNE, ist es zwingend notwendig, Wartung und IT-Support bedarfsgerecht zu regeln. Bremer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben das im Jahr 2017 einmal ausgerechnet. Eine Vollzeitstelle wäre dringend notwendig auf 300 bis 400 Endgeräte, so die Verfasser der Studie. Auch dafür brauchen wir hessenweite Standards. Ansonsten werden unsere Schulen eher zu Technikfriedhöfen statt zu modernen Bildungseinrichtungen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bereue es schon fast, dass wir seit jeher ein pädagogisches Rahmenkonzept des Landes fordern, mit dem Schulen bei der Ausgestaltung der Bildungsinhalte mit neuen digitalen Medien unterstützt werden. Jetzt haben Sie einen Praxisleitfaden, wie Sie ihn nennen, für die Primarstufe und die Sekundarstufe I vorgelegt. Mit Verlaub, das muss wirklich ein ganz übler Scherz sein. Hier ein Unterrichtsbeispiel aus diesem Leitfaden, wohlgemerkt, für den pädagogischen Einsatz digitaler Medien im Unterricht. Es geht um die Erstellung einer Collage mit einer Digitalkamera, deren Bilder man auf einen PC zieht, dann ausdruckt, um diese Bilder auszuschneiden und anschließend zu einer Collage zusammenzubasteln. Ich möchte jetzt nichts gegen das Erstellen von Collagen im Kunstunterricht sagen. Dies ist eine gute und berechtigte Methode. Dies aber jetzt als Praxisleitfaden für den Einsatz neuer digitaler Medien vorzulegen, ist wirklich nur noch peinlich.

(Beifall DIE LINKE – Zuruf Janine Wissler (DIE LINKE))

– Vielleicht hat das Kultusministerium eine Digitalkamera, aber ich glaube nicht, dass sonst wer noch eine hat. Ein weiterer zentraler Kritikpunkt aus der Anhörung sind die fehlenden Fortbildungsangebote für Lehrkräfte. Zwar wurde zugesagt, dass die Fortbildungsangebote ausgebaut werden sollen, dies wird aber nicht mit Zahlen hinterlegt. Wie viel will das Land in die Lehrerfortbildung investieren? Welche Schwerpunkte sollen inhaltlich gelegt werden? Nicht nur die Anwendung von Software, sondern auch das Erstellen pädagogischer Unterrichtskonzepte muss gelernt werden. Hätte ich mehr Redezeit, könnte ich noch etliche Beispiele aus der Anhörung nennen, die im Änderungsantrag der Regierungsfraktionen keine Rolle spielen, z. B. die Nachhaltigkeit, der Eigenanteil der Pflegeschulen, der Praxisbeirat oder die fehlende Berücksichtigung höherer Kosten von Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen. Insgesamt stellt sich daher bei uns eher Ernüchterung ein, was die Umsetzung des Digitalpakts in Hessen anbelangt. Wenig ambitioniert, pädagogisch planlos und zu kurz gedacht – so setzt Hessen den Digitalpakt um. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE)