"Wir müssen um jeden Hektar Ackerboden kämpfen!"

Heidemarie Scheuch-Paschkewitz
Heidemarie Scheuch-PaschkewitzBiodiversitätLandwirtschaft und TierschutzUmwelt- und Klimaschutz

Nachhaltige Landwirtschaft in Hessen weiter fördern und unterstützen (Antrag der CDU Fraktion und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Ds. 20/180)

 

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren, verehrte Gäste!

Der letzte Sommer sollte allen vor Augen geführt haben, dass der Klimawandel die Landwirtschaft in besonderem Maße betrifft. Wir müssen in Zukunft mit erheblichen Ernteeinbußen aufgrund heißer und trockener Sommermonate rechnen. Für den Klimaschutz muss die Agrarwende deutlich schneller umgesetzt werden, und für die Klimaanpassung dürfen wir gute Ackerböden nicht mehr zubetonieren.

(Beifall DIE LINKE)

Bei fortschreitendem Klimawandel brauchen wir jeden Hektar guten Ackerboden, um die Ernährung der Menschen sicherzustellen. Im Antrag der Regierungskoalition, der im Kern das wiederholt, was im Koalitionsvertrag steht, und die Agrarpolitik der letzten fünf Jahre lobt, heißt es: Der Landtag stellt fest, dass durch gezielte Förderpolitik in der Landwirtschaft gute Erfolge für die von der Landesregierung verfolgten Ziele für Biodiversität, Klima-, Wasser- und Bodenschutz … erzielt werden können.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist doch prima, oder?)

– Ja, das ist richtig. Erfolge können erzielt werden. Das Problem ist nur, dass Sie rhetorische und programmatische Erfolge erzielen. In den fünf Jahren grüner Landwirtschafts- und Umweltpolitik hat das Artensterben katastrophale Ausmaße angenommen. Dem Insektensterben ist die Ausräumung der Äcker durch glyphosatbehandelte Monokulturen vorausgegangen. Das Grundwasser unter den Äckern ist häufig so stark mit Nitrat aus der konventionellen Landwirtschaft belastet, dass es nicht mehr als Trinkwasser genutzt werden kann. Es gibt dazu übrigens ein EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland. Die Fruchtbarkeit von immer mehr Böden ist nur noch durch den massiven Einsatz von Kunstdünger aufrechtzuerhalten. In den letzten fünf Jahren grüner Agrarpolitik konnten diese Trends nicht gestoppt werden, von einer Umkehr ganz zu schweigen. Die Negativtrends sind so dramatisch, dass es nicht eine Frage der Perspektive ist, ob das Glas halb voll oder halb leer ist. Das Glas hat nämlich ganz viele Löcher, und die müssen dringend gestopft werden.

(Beifall DIE LINKE)

Zuallererst müssen wir die vorhandenen guten Ackerböden in Hessen besser schützen. Im Zeitraum von 1992 bis 2015 sind die Landwirtschaftsflächen in Hessen um 40.700 ha geschrumpft. Für die Fußballfans unter uns – nicht nur die Eintracht-Fans, sondern auch die Fans anderer Vereine –: Das entspricht der Fläche von ca. 90.000 Fußballfeldern. Außerdem muss die landwirtschaftliche Produktion flächendeckend ökologisiert und extensiviert werden. Es wird nicht ausreichen, auf einem Viertel der Fläche Ökolandbau zu betreiben und den Rest, wie gehabt, konventionell zu bewirtschaften.

(Beifall DIE LINKE – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie groß ist der Anteil der Ökolandwirtschaft in Thüringen?)

Eine umweltverträgliche Produktion brauchen wir auf der ganzen Fläche. Nur so können wir die ökologischen Leistungen von Äckern, wie Kohlenstoffbindung, Grundwasserbildung, Artenvielfalt und Fruchtbarkeit, aufrechterhalten.

(Zurufe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Freie Demokraten)

Genau. – Beides, Extensivierung und Klimawandel, führt zu abnehmenden Erträgen.

(Fortgesetzte Zurufe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Freie Demokraten)

Wollen Sie weitermachen?

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein!)

Gut.

(Beifall DIE LINKE)

Wir haben ein Problem. „Die Hälfte der Hessen isst schon heute ‚auswärts‘, weil die Anbauflächen für Nahrungsmittel im Land für die eigene Nachfrage nicht mehr ausreichen“, heißt es in einer Publikation des hessischen Umweltministeriums zum Bodenschutz aus dem Jahr 2016. Deshalb müssen wir um jeden Hektar Ackerboden kämpfen. Zubetonierte Ackerflächen sind für immer verloren. Gute Böden kann man nämlich nicht einfach im Baumarkt kaufen. Wir brauchen also eine entschlossenere Bodenschutzpolitik– mehr als nur Appelle, freiwillige Maßnahmen und Programme. Das Land Hessen muss hier beispielhaft vorangehen. Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, das Handeln der Hessischen Landgesellschaft – HLG – dahin gehend zu ändern,  dass gute Ackerböden aus Landesbesitz nicht mehr für Gewerbeflächen und Logistikzentren zubetoniert werden können.

(Beifall DIE LINKE)

In dem Antrag zur nachhaltigen Landwirtschaft von CDU und GRÜNEN heißt es: Der Landtag ist zudem der Auffassung, dass die bisherigen acht Ökomodellregionen sehr ambitioniert arbeiten und innovative Projekte umsetzen, … Nein, dieser Auffassung sind wir ganz und gar nicht. Weder der Ökoaktionsplan noch die Ökomodellregionen der Landesregierung haben in den letzten Jahren auch nur einen einzigen Hektar Ackerboden vor der Versiegelung geschützt. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, es ist ein Skandal und äußerst scheinheilig, dass gerade in Neu- Eichenberg, mitten in der aus  Landesmitteln finanzierten Ökolandbau Modellregion Nordhessen, mit Ihrer Unterstützung 80 ha bester Ackerboden für ein Logistikzentrum zubetoniert werden sollen.

(Beifall DIE LINKE)

Das Einzige, was hieran nachhaltig ist, ist die Zerstörung der Grundlage unserer Nahrungsmittelproduktion, und damit muss endlich Schluss sein.

(Beifall DIE LINKE)

Es wäre ambitioniert gewesen, diejenigen in Neu-Eichenberg zu unterstützen, die das Logistikzentrum verhindern wollen, für das übrigens seit 15 Jahren Investoren gesucht wurden. Ambitioniert wäre es gewesen, der Gemeinde Neu-Eichenberg eine Ausstiegsoption aus dem Knebelvertrag mit der Hessischen Landgesellschaft zu ermöglichen. Dass die HLG einer Gemeinde wie Neu-Eichenberg mit einem kleinen Budget Entwicklungskosten zwischen 900.000 und 1,2 Millionen € aufbürdet, falls dieses Logistikzentrum nicht zustande kommt, verhindert eine Kursänderung. Es ist nicht die Aufgabe der HLG, die zu 61 % dem Land Hessen gehört, Kommunen in desaströse Geschäfte ohne Ausstiegsoptionen zu verwickeln, um anschließend selbst Gewinne auszuweisen. Unter einer staatlichen Treuhandstelle für ländliche Bodenordnung stellen wir uns etwas anderes vor. Es wäre die Aufgabe der HLG, gute Ackerböden treuhänderisch zu bewahren und sie nicht zu verscherbeln. Warum macht die Landesregierung der Gemeinde Neu-Eichenberg kein Angebot, das es ihr ermöglicht, die lange zurückliegende und durch den Klimawandel untragbar gewordene Entscheidung rückgängig zu machen? Das wäre ein wirklich ambitioniertes Projekt gewesen.

(Beifall DIE LINKE)

Im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie Hessen, im Rahmen der Ökomodellregion, im Rahmen des „Zukunftspakts hessische Landwirtschaft“ oder im Rahmen des Programms „Vielfältige Ackerkulturen“ könnte man einen Plan zur Rettung der Äcker in Neu-Eichenberg schmieden. Dazu ist es noch nicht zu spät. Was helfen all diese wohlklingenden Programme der Hessischen Landesregierung, wenn sie nicht in der Lage sind, auch nur einen einzigen Hektar Ackerboden zu schützen? Wir fordern die Landesregierung auf, die Arbeitsrichtlinien der HLG grundlegend zu überarbeiten. Die Hessische Landgesellschaft muss zu einem Frühwarnsystem für von Versiegelung bedrohte Äcker werden und dazu beitragen, diese zu sichern, statt sie zubetonieren zu lassen. Die Hessische Landgesellschaft ist zu 100 % im Besitz öffentlich- rechtlicher Gebietskörperschaften und Institutionen. Anders als bei der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union, der GAP, kann die Landesregierung hier die Verhältnisse unmittelbar ändern. Greifen Sie also unsere Vorschläge auf, und richten Sie die Aufgaben der HLG konsequent am Klimaschutz und an der Ernährungssicherheit aus. Der Klimawandel und seine Folgen lassen für Zögern, Abwarten und Versteckspielchen jeder Art keine Zeit mehr. 

Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)