Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Aufnahme syrischer Flüchtlinge in Hessen

Barbara Cárdenas
Barbara CárdenasMigration und Integration

Sehr geehrter Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Sie haben 2 Anträge zur Aufnahme syrischer Flüchtlinge vorliegen. Ein Antrag der LINKEN, den wir bereits in der letzten Woche angekündigt und allen Fraktionen zugesandt hatten, - mit der Hoffnung, dass daraus ein interfraktioneller Antrag des gesamten Landtages werde. Und die Antwort darauf, ein Antrag der restlichen 4 Fraktionen, der einen Punkt von uns herausgreift, nämlich den des Familiennachzugs. Natürlich hätten wir den Antrag gerne mit unterschrieben, aber wie auch bisher, sagt die Union: Linke oder wir! Diese ideologisch verbohrte Haltung der Unionsfraktion, keine Anträge gemeinsam mit der LINKEN stellen zu wollen, nicht einmal bei einem uns alle verbindenden humanitären Anliegen, ist schon lange nur noch lächerlich und wird von allen mit Vernunft begabten Menschen mit Kopfschütteln quittiert.

Zur Sache selbst. Die Aufnahme syrischer Flüchtlinge in Deutschland ist ein wichtige Anliegen der Fraktion DIE LINKE. – Und das nicht erst seit heute. Wir haben in dieser Wahlperiode bereits einige Initiativen im Bund und in Hessen mit diesem Ziel eingebracht. Denn auch schon vor der aktuellen Eskalation war die Menschenrechtslage in Syrien furchterregend. Das hat die deutschen Behörden leider nicht davon abgehalten, selbst ganze Familien abzuschieben.

Einige auf dieser Grundlage deportierten Flüchtlinge sind dann in den Foltergefängnissen des syrischen Geheimdienstes gelandet. Das ist ein Ergebnis der unbarmherzigen Abschiebepolitik, die endlich beendet werden muss!

Die verheerende Bilanz des Bürgerkrieges ist, dass über zwei Millionen Menschen aus Syrien, Männer, Frauen und Kinder, auch unbegleitete Kinder, auf der Flucht sind. Die Bundesregierung hat im Mai beschlossen, 5000 „besonders schutzbedürftigen“ syrischen Flüchtlingen „vorübergehenden Schutz“ zu gewähren. Und im Juni folgte der einstimmige Bundestagsbeschluss, der den Bundesländern das erforderliche Einvernehmen nach § 23 Abs. 1 AufenthG gab, eigene Aufnahmeanordnungen für Familienangehörige von Syrern zu erlassen. Über die entsetzliche humanitäre Lage in Syrien und der Nachbarstaaten sind wir uns hier im Haus einig, über die grundsätzlichen Ziele vielleicht sogar auch. Angesichts der Lage sind die 5000 nur ein erster, richtiger Schritt. Hessen. wird sogar nur 365 Menschen aufnehmen. Liebe Kolleginnen, das sind verschwindend kleine Zahlen angesichts des in Syrien und den Nachbarstaaten gegebenen Leides. Das liegt weit, weit unter dem, was nötig ist und ein reiches Land wie D leisten kann!

 

Von den in Hessen lebenden 2804 Syrerinnen und Syrern, - Deutsche syrischer Abstammung nicht mitgezählt - , haben sich viele zur Sicherung des Lebensunterhalts ihrer Verwandten bereit erklärt. Die kommunalen Kapazitäten zur Aufnahme von Asylsuchenden würden also kaum in Anspruch genommen. Noch im Juli 2013 sah aber das Innenministerium laut FR keine Notwendigkeit für ein eigenes Aufnahmeprogramm. Diese Verweigerungshaltung ist völlig inakzeptabel! Wir haben die Folgen davon auf der Pod.Disk. der Diakonie letzte Woche eindrücklich von einem hier lebenden Syrer, der jeden Tag um seinen Vater zittert, geschildert bekommen. Die Zeit drängt, jeder Tag zählt, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich hoffe daher, dass der Antrag der 4 Fraktionen in Punkt 3 den umgehenden, sofortigen Erlass einer Aufnahmeanordnung meint. Andere Bundesländer, selbst CDU geführte, sind da allerdings schon weiter (aber wir holen ja jetzt e bissi auf): Mecklenburg-Vorpommern, Bayern und Thüringen wollen mehr als ihr Kontingent aufnehmen. Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Bremen haben bereits eigene Aufnahmeanordnungen erlassen.

Über die Frage des Familiennachzugs hinaus muss die Landesregierung nach unserer Auffassung aber deutlich mehr tun:

1.  Den bereits bei uns in Hessen lebenden syrischen Staatsangehörigen statt einer Duldung einen sicheren Aufenthaltsstatus geben, (hier eine wichtige Korrektur: leider hat es im Punkt 3 des Antrags durch eine Vorversion eine Verwechslung gegeben: Es darf natürlich nicht mit einer Duldung, sondern es muss statt einer Duldung heißen. Leider war das nicht mehr zurück zu holen.

2.  auf Bundesebene sich für eine deutliche Kontingenterhöhung syrischer Flüchtlinge im Rahmen des Resettlement-Programms des UNHCR einsetzen und

3.  auf Bundesebene zusätzlich zu dem 5000-er-Programm für eine weitere Erhöhung des Kontingents zu werben.

Meine Damen und Herren: Auch wenn nun 5000 Flüchtlinge nach Deutschland geholt werden und noch einige Tausend zu ihren Verwandten kommen können, bleiben die Grenzen der EU für die vielen Tausend andere syrischen Flüchtlinge geschlossen. Sie müssen lebensgefährliche Wege über das Meer auf sich nehmen und viel Geld bezahlen, um die Mauern der Festung Europa zu überwinden. Ich bitte Sie zu bedenken: Humanitäre Aufnahmeaktionen bleiben heuchlerische Makulatur, wenn zugleich die Abschottung perfektioniert wird.

Wir DIE LINKE fordern: Grenzen auf für Menschen in Not! Wer in Europa Schutz sucht, darf nicht an Mauern und Stacheldraht scheitern.

Ich danke Ihnen.