Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Axel Gerntke - Sozial-ökologische Verkehrswende: Entscheidend ist der politische Wille

Axel GerntkeUmwelt- und KlimaschutzVerkehr

In seiner 136. Plenarsitzung am 27. Juni 2023 diskutierte der Hessische Landtag über einen Entwurf für ein Gesetz zur Umsetzung der Verkehrswende. Dazu die Rede unseres parlamentarischen Geschäftsführers und verkehrspolitischen Sprechers Axel Gerntke.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Wenn Freiheit bedeutet, Leute in Atemwegserkrankungen zu treiben, wenn Freiheit bedeutet, dass diejenigen, die sich ein Auto leisten können, Auto fahren können, und diejenigen, die sich kein Auto leisten können, nicht mobil sein können, wenn das der Freiheitsbegriff ist, dann ist das nicht unser Freiheitsbegriff.

(Beifall DIE LINKE)

So viel vorab. Weiter will ich mich nicht mit rechts außen auseinandersetzen. Hier geht es um einen Gesetzentwurf der SPD zur Verkehrswende, der das aufgreift, was das Verkehrswende-Bündnis gefordert hat.

(Stephan Grüger (SPD): So ist es!)

Insoweit sind oberlehrerhafte Bemerkungen, wer von wem was abgeschrieben hat, völlig fehl am Platze. Vom Grundsatz her finde ich es sehr hilfreich, wenn das, was von der Bewegung gefordert worden ist, in Gesetzesform übernommen wird. Das unterstützen wir im Grundsatz.

Wenn auf Gutachten der Landesregierung Bezug genommen wird und diese eingearbeitet werden und wenn das hinterher den Antragstellern zum Vorwurf gemacht wird, dann ist das ein bisschen so, wie die Großmutter die Treppe hinunterzuwerfen und dann zu sagen: Oma, du läufst komisch. – Das zeigt auf der anderen Seite aber auch, dass es nicht immer schlau ist, alle Gutachten der Landesregierung mit aufzunehmen. Dann kommt man halt in diese Zwangssituation.

(Beifall DIE LINKE)

Wir erinnern uns: Es wurden über 70.000 Unterschriften gesammelt. Es gab eine Rad-Demo mit über 12.000 Menschen. Die Unterschriften wurden Tarek Al-Wazir überreicht. Das Ganze wurde bezeichnet als „Rückenwind für die hessische Verkehrspolitik“. Dann wurde von Regierungsseite ein entsprechendes Gesetz gemacht, das wir später ebenfalls miteinander zu diskutieren haben.

Es hieß, man habe sich mit den Menschen von der Verkehrswende auseinandergesetzt. Weil es jetzt nicht um den Regierungsentwurf, sondern um den SPD-Entwurf geht, will ich jetzt nicht alle Presseerklärungen zitieren, die die unterschiedlichen Verbände herausgegeben haben. Diese waren ein Totalverriss für das, was die Landesregierung hier gemacht hat. Insoweit sollte man da die Kirche im Dorf lassen.

Ich finde es gut, dass das Ganze jetzt im Parlament diskutiert werden kann und auch zur Abstimmung gestellt wird. In einer offenen und ehrlichen Abstimmung wird wahrscheinlich herauskommen, dass Schwarz-Grün den Entwurf ablehnt.

Dabei enthält dieser viele wichtige Maßnahmen, um Bus und Bahn sowie den Rad- und Fußgängerverkehr attraktiver zu machen, indem das Auto Raum und einige Privilegien abgibt, ohne dass es heißt, dass das Autofahren verboten werden soll.

Es muss Angebote geben. Das ÖPNV-Netz muss flächendeckend ausgestaltet werden. Fahrzeiten sollten verkürzt und Takte dichter werden. Zwischen 5 und 23 Uhr sollte wenigstens einmal in der Stunde ein Bus fahren. Das hat das Verkehrswende-Bündnis vorgeschlagen, und das findet sich in dem Entwurf wieder.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Mehr Maßnahmen für Verkehrssicherheit, insbesondere auf Schulwegen, etwa mit Sicherheitsaudits, also Risikoanalysen bei Umbauten, oder mit verpflichtenden Schulwegeplänen, die auch entsprechend leicht öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein hessenweites Radwegenetz, das nicht auf einmal irgendwo endet. Straßen und Kreuzungen, die so gestaltet sind, dass Zu-Fuß-Gehende und Rad Fahrende genug Platz haben und die Fahrbahn sicher überqueren können.

Dass solche Forderungen hier überhaupt umstritten sind oder als Gängelung oder als Klimakommunismus abgestempelt werden – ein schlauer Gedanke, und schon ist man Kommunist –, das ist doch ziemlich lächerlich. Offensichtlich brauchen wir dringend eine Verkehrswende. Wir brauchen sie zur Erreichung der Klimaziele im Verkehr, auch wenn die Ampel im Bund diese Ziele sektormäßig beerdigt hat.

(Beifall DIE LINKE)

Außerdem brauchen wir sie für lebenswerte Städte, weniger Unfälle, weniger Schadstoffe und weniger Lärm. Für DIE LINKE ist entscheidend für eine erfolgreiche Verkehrswende, dass es nicht nur eine ökologische, sondern auch eine soziale Frage ist. Sie muss Mobilität für alle Menschen ermöglichen. Das alles ist untrennbar verbunden mit der Frage von Mobilität als sozialer Teilhabe.

(Beifall DIE LINKE)

Umso wichtiger ist es, ganz im Sinne des Volksbegehrens die Alternativen zum Auto zu stärken und überhaupt erst zu ermöglichen. Auch Menschen mit geringem Einkommen müssen die Möglichkeit haben, am kulturellen Leben teilzuhaben. Deshalb fordern wir als LINKE, dass in der Region Bus und Bahn kostenlos genutzt werden können.

Meine Damen und Herren, wir sprechen morgen noch über das Fazit der Enquetekommission „Mobilität der Zukunft“ und damit auch noch einmal ausführlich über die Details der Verkehrswende. Würden wir diesen Gesetzentwurf des Bündnisses für Verkehrswende beschließen, wäre dies ein erster Schritt. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE)