Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Axel Gerntke - Wer es ernst meint, muss die Umverteilungsfrage stellen

Fraktion im Hessischen LandtagAbgeordneteAxel GerntkeThemenWirtschaft und Arbeit

In seiner 134. Plenarsitzung am 24. Mai 2023 diskutierte der Hessische Landtag über einen Antrag der SPD zur "Arbeitswelt der Zukunft". Dazu die Rede unseres Parlamentarischen Geschäftsführers und gewerkschaftspolitischen Sprechers Axel Gerntke

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Wir haben unseren Arbeitsmarkt liberalisiert. Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt.

Das ist ein Satz, den Gerhard Schröder 2005 auf dem Wirtschaftsforum in Davos gesagt hat. Ich würde sagen: Es war nicht nur einer der besten Niedriglohnsektoren, sondern es war auch der größte Niedriglohnsektor, mit der Folge der Prekarisierung ganzer Bevölkerungsschichten.

Nun kommt die SPD und will eine Arbeitswelt, die für jede und jeden gerecht, solidarisch und sicher ist. Ich würde sagen, dieser Wandel vom Saulus zum Paulus ist durchaus erst einmal zu begrüßen.

(Beifall DIE LINKE – Zuruf SPD: Wir leben ein bisschen sehr in der Vergangenheit, Herr Kollege!)

Als Wahlkampfmotto würde ich Ihnen vorschlagen: Wir versuchen, einige der Probleme zu lösen, die Sie ohne uns erst gar nicht gehabt hätten. – Das wäre sozusagen das grundlegende Wahlkampfmotto.

(Heiterkeit DIE LINKE)

Das heißt aber nicht, dass viele der Vorschläge, die hier enthalten sind, nicht auch gute Ansatzpunkte bieten. Dass ein Transformationsfonds gefordert wird, ist durchaus richtig. Die Wirtschaft zu begleiten, wenn man sie sozial und ökologisch umbauen will, ist richtig. Wir haben hier schon viel ausführlicher darüber diskutiert. Das Problem ist allerdings, dass man bei diesem Fonds, so wie er von der Sozialdemokratie vorgesehen ist, ein wenig zu kurz springt, was die finanzielle Ausstattung angeht. Wir haben Bundesländer, in denen Fonds vorgesehen sind, die mit finanziellen Mitteln ausgestattet sind, die um mehrere Faktoren erhöht sind. Darauf hat der Deutsche Gewerkschaftsbund zu Recht hingewiesen.

Wir meinen, ein Fonds hätte auch die Funktion, dass man sich partiell an einem Unternehmen beteiligt, um den Umbau tatsächlich fördern zu können. Das ist mit der finanziellen Ausstattung, wie sie die SPD für diesen Transformationsfonds vorsieht, leider nicht möglich. Da müsste deutlich nachgelegt werden.

(Beifall DIE LINKE)

Unter Punkt 2 Ihres Antrags wird darauf hingewiesen, dass eine starke Wirtschaft und gute Arbeit zwei Seiten ein und derselben Medaille sind. Die Sozialpartnerschaft wird noch einmal hochgelobt. Das Problem ist, dass die Unternehmen es irgendwie noch nicht so richtig mitbekommen haben. In meiner Zeit als Gewerkschaftssekretär hatte ich jedenfalls nicht den Eindruck, dass viele Unternehmer meinen, dies seien wirklich zwei Seiten ein und derselben Medaille. Das ist auch kein Wunder. In einem finanzmarktgetriebenen Kapitalismus zählt die Rendite, und 7 % Rendite sind eben besser als 6 % Rendite. Da ist dann mit Sozialpartnerschaft nicht viel los. Ich glaube, wenn man sich die Arbeitswelt anschaut, wie sie im Moment ist, und sich nicht vorstellt, wie sie vor 80 Jahren gewesen sein könnte, kommt man zu anderen Ergebnissen.

Das merkt die SPD auch selbst. Unter Punkt 3 des Antrags fordern Sie nämlich, zu Recht, ein Tariftreue- und Vergabegesetz. Das unterstützen wir ausdrücklich, das ist eine gute Forderung. Das bräuchten wir aber nicht, wenn wir hier eine Sozialpartnerschaft hätten und alles prima liefe. Aber wir haben keine Sozialpartnerschaft, sondern wir haben Kapitalismus.

(Holger Bellino (CDU): Soziale Marktwirtschaft! – Dr. Frank Grobe (AfD): Kapitalismus! Das geht aber gar nicht!)

– Nein, das geht gar nicht, in der Tat. – Dann wird gefordert, dass der öffentliche Dienst attraktiver wird. Auch das ist goldrichtig. Er soll attraktiver werden. Er muss dann aber entsprechend mit Geld ausgestattet werden. Darauf komme ich nachher noch einmal zu sprechen. Das kostet nämlich richtig Geld.

Wenn gefordert wird, das Personalvertretungsgesetz zu ändern, sage ich: Auch das ist eine vernünftige Forderung. Gleichwohl haben wir in den hier geführten Debatten gesehen, eher passt ein Kamel durchs Nadelöhr, als dass die Hessische Landesregierung am Personalvertretungsgesetz etwas im Sinne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ändert.

Es darf dann nicht beim Personalvertretungsgesetz in Hessen stehen bleiben, sondern Mitbestimmung ist weit mehr. Auch im Bund könnte man, z. B. was das Betriebsverfassungsgesetz und viele andere Gesetze angeht, vieles neu regeln. Eingriffe in die unternehmerische Entscheidungsfindung und Einigungsstellen, die verbindlich entscheiden können, wären notwendig. Das alles wird aber weder in Hessen gemacht, noch wird es von der Ampelkoalition in Berlin betrieben.

Den Ausbau regenerativer Energien zu beschleunigen ist notwendig. Es müsste aber auch geschildert werden, wie das im Einzelnen geschehen soll. Daran mangelt es etwas. Wir würden uns wünschen, dass die Kommunen hier stärker einbezogen werden, z. B. beim Ausbau von Windkraftanlagen. Das könnte die Angelegenheit beschleunigen.

Wenn hier der Fachkräftemangel beklagt wird, kann ich sagen: Wir haben im Moment eine Erwerbslosenzahl von rund 2,5 Millionen Menschen. Wenn man die verdeckte Arbeitslosigkeit einrechnet, stellt man fest, dass die Zahl der Arbeitslosen bei über 3 Millionen liegt. Gleichzeitig haben wir viele Geflüchtete in diesem Land. All diese Menschen müssten überhaupt erst einmal ausgebildet werden, bevor man ein selektives Einwanderungsgesetz schafft, bei dem man sich auf der einen Seite die Hochqualifizierten heraussucht und auf der anderen Seite Geflüchtete zurückschickt. Das ist nicht unsere Position, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Es wird gefordert, die Kinderbetreuung zu verbessern. Ich kann nur sagen, wir sind sehr dafür. Aber auch das kostet richtig viel Geld; ich komme nachher noch einmal darauf zu sprechen. Das Gleiche gilt für die berufliche Bildung.

Wir haben auch nichts gegen Pilotprojekte zum Austesten hybrider Methoden, und wir haben nichts gegen mehr Lebensweltorientierung. Nicht zuletzt: Dass gefordert wird, dass alle Menschen einen Schulabschluss machen, ist goldrichtig. Aber auch hier muss richtig viel Geld in die Hand genommen werden. Das, worüber hier gesprochen wird, kostet nicht Millionen, sondern Milliarden Euro. Wer aber über gute Arbeit reden will, der darf über den Reichtum der Reichen und Superreichen nicht schweigen.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, wenn man gute Arbeit will und gleichzeitig der Schuldenbremse zustimmt, wenn man gute Arbeit will und gleichzeitig nicht in der Lage ist, eine Steuerreform auf der Bundesebene durchzuführen, die eine Millionärsteuer beinhaltet, bei der die Millionäre und Milliardäre zur Finanzierung des Gemeinwesens herangezogen werden, bleibt die Forderung nach guter Arbeit zwar richtig, ist aber wohlfeil.

(Beifall DIE LINKE)

Wer A sagt, sollte eben auch B sagen. Aber daran mangelt es etwas. Wir erkennen durchaus die Mühe an, die man sich mit dem Antrag gemacht hat, aber sich Mühe zu geben reicht nicht, und deswegen werden wir diesen Antrag mit einer Enthaltung bedenken. – Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE)