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Rede

Axel Gerntke zum FinTech-Standort in Hessen

Axel GerntkeWirtschaft und Arbeit

In seiner 95. Plenarsitzung am 03. Februar 2022 diskutierte der Hessische Landtag zum FinTech-Standort in Hessen. Dazu die Rede unseres wirtschaftspolitischen Sprechers Axel Gerntke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir begrüßen neue Impulse und Innovationen. Eine Gesellschaft, die sich verbessern möchte, braucht Innovationen, völlig klar. Aber nicht jede Innovation führt zur Verbesserung der Gesellschaft. Umgekehrt wird noch kein Schuh daraus.

Also schauen wir auf die Fintechs. Das sind in der Regel Start-ups, zum Teil aber auch Großbanken, die Finanzdienstleistungen primär technologiegetrieben anbieten. Diese Dienstleistungen können Banken angeboten werden, aber auch Endkunden. Sie kommen dabei oft billiger und praktischer daher und können klassischen Finanzdienstleistern entsprechend Marktanteile abjagen, und die Geschäftsmodelle dieser Firmen haben oftmals eines gemeinsam: Das angestrebte Ziel, sozusagen der Heilige Gral, der allermeisten Fintechs ist die sogenannte Skalierbarkeit. Das Geschäftsmodell ist geeignet, beliebig groß aufgezogen zu werden, um Fixkosten und Arbeitskosten zu senken und die Rendite zu erhöhen.

Wem der Finanzplatz Frankfurt mit seinen Arbeitsplätzen am Herzen liegt, der sollte zumindest darauf schauen, wie sich das arbeitsplatzmäßig auswirkt. Die Scheu vor der Schaffung von Arbeitsplätzen bemerken wir beispielsweise, wenn wir versuchen, einen echten Menschen im Kundenservice der Fintechs zu erreichen. Wir merken auch, dass die Fintechs ihren Aufgaben z. B. bei der Geldwäschebekämpfung, für deren Erfüllung herkömmliche Banken riesige Abteilungen unterhalten, oft äußerst zähneknirschend nachkommen. Der Fall Wirecard war sicherlich mit einer besonderen kriminellen Energie verbunden. Aber er konnte auch deshalb seine riesige Dimension entwickeln, weil die Aufsicht und Regulierung dort unterentwickelt war und weil die Begeisterung über das deutsche Fintech in Behörden und Politik vielleicht etwas zu ausgeprägt gewesen ist.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Könnte sein!)

– Das könnte sein. – Generell ist vielen Fintechs gemein, dass sie nicht unbedingt auf nachhaltigen gesellschaftlichen Nutzen orientiert sind. Sie zielen oft auf schnelles Wachstum, und das Geschäft macht oft noch keine Gewinne, aber es füllen sich schon die Taschen der Gründer durch einen Verkauf oder Börsengang.

Dann ist die Frage: Brauchen wir Platz 1? Müssen wir wirklich der erste Standort sein? – Nein. Das sehe ich in der Tat nicht so. Es ist so, alle können natürlich Platz 1 erreichen, aber nicht jeder und jede. Wenn die einzelnen Parteien in den Länderparlamenten sitzen und jedes Mal proklamieren, dass sie auf Platz 1 sein wollen, dann werden sie 15-mal scheitern. Ich habe das Gefühl, in Hessen wird man mit diesem Anspruch auch scheitern, wenn ich mir jedenfalls die bisherige Tabellenlage anschaue.

Wir verschließen uns nicht gegenüber Weiterentwicklungen und Innovationen. Aber wir empfehlen zugleich, kritisch und wachsam zu bleiben, die neuen Akteure und Technologien zu beobachten und, wo nötig, auch zu regulieren.

Es ist klar, die FDP will den Fintechs eher den roten Teppich ausrollen. Sie erhoffen sich neue Impulse für den Finanzplatz Frankfurt, und die mag es auch geben. Aber es ist fraglich, ob es die richtigen Impulse sind.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren von der FDP, normalerweise lassen Sie doch den Markt hochleben, nach dem Motto: Wer sich am Markt nicht durchsetzen kann, der hat eben Pech. – Das ist Ihr normales Credo. Jetzt auf einmal soll der Staat aktiv werden, um Fintechs zu fördern. Aus unserer Sicht, aus Sicht der LINKEN, ist gegen staatliche Förderung nichts zu sagen. Aber die Frage muss erlaubt sein, nach welchen Kriterien diese Förderung erfolgen soll. Da bleiben Sie höchst vage.

Wie hoch soll der Umfang der Förderung sein? Welche qualitativen Förderkriterien haben Sie? Sollen alle technologiegetriebenen Finanzdienstleistungen gefördert werden? Sie formulieren keine qualitativen und quantitativen Ziele. Infolgedessen können Sie auch keine Evaluierung betreiben.

Wir verschließen uns nicht gegenüber Innovationen. Menschen sollen bessere Produkte und Dienstleistungen und Arbeitsplätze schaffen. Aber diese Innovationen müssen der Gesellschaft nutzen und dürfen nicht nur der Profitmaximierung dienlich sein. Wachstum ist aus unserer Sicht kein Selbstzweck. Es kommt sehr darauf an, was wächst. Wenn Finanzdienstleister wachsen, wachsen und wachsen, bis sie irgendwann platzen, und die gesamte Gesellschaft die Folgen zu tragen hat, dann ist das aus unserer Sicht schlecht.

(Beifall DIE LINKE)

Wenn beispielsweise mehr für Bildung und mehr für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung getan wird, dann wäre das gut. Deswegen sage ich: Im Vordergrund ist zu fragen, ob die Produktion bzw. die Dienstleistung, die erbracht wird, sinnvoll ist und ob sie auch ohne staatliche Förderung zu erbringen ist. Denn die Förderprogramme werden von Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern bezahlt.

Insoweit sollten sie an entsprechende Kriterien gebunden werden, einerseits was die Produkte angeht: gesellschaftlicher Nutzen. Was die Betriebe selbst angeht, ist es von der SPD auch schon angesprochen worden: Fragen wie Tarifbindung und Mitbestimmung sollten auch eine Rolle spielen. Das scheint mir aber bei Fintechs nicht gerade übermäßig ausgeprägt zu sein. Darauf sollten wir ein größeres Augenmerk legen.

(Beifall DIE LINKE)

In diesem Sinne: Nicht einfach kriterienlos schauen, ob wir möglichst viele Fintechs haben, sondern wir sollten schauen, was inhaltlich dabei herauskommt. Das wäre der Maßstab für eine vernünftige, unideologische Wirtschaftspolitik. – Schönen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)