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Rede

Axel Gerntke zum Hessischen Mittelstandsförderungsgesetz

Axel GerntkeWirtschaft und Arbeit

In seiner 113. Plenarsitzung am 21. September 2022 diskutierte der Hessische Landtag zum Hessischen Mittelstandsförderungsgesetz. Dazu die Rede unseres wirtschaftspolitischen Sprechers Axel Gerntke.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! So, wie Herr Naas, aber auch die GRÜNEN über den Gesetzentwurf gesprochen haben, kann er nicht ganz schlecht sein.

Es soll ein Beitrag zur Regulierung des Arbeitsmarktes geleistet werden. Ich denke, es ist klar, dass gerade in kleinen und mittleren Unternehmen einfach geringere Schutzstandards herrschen. Das ist Fakt. Sie haben einfach kaum Betriebsräte. Wenn man sich anschaut, wie viele Beschäftigte von Betriebsräten vertreten werden, stellt man fest, das ist noch eine ganze Menge. Wenn man sich aber ansieht, wie viele Unternehmen Betriebsräte haben, sieht man, das sind gar nicht so viele. Gerade in kleinen und mittleren Unternehmen sind Betriebsräte eher Mangelware. Gleiches gilt für die Tarifbindung. Die Konsequenz ist: Menschen, die in solchen kleinen und mittleren Unternehmen arbeiten, haben einen schlechten Kündigungsschutz, haben gegebenenfalls keinen Anspruch auf Sozialpläne, wenn sie entlassen werden, und sie haben im Regelfall auch ein niedrigeres Einkommen, als das beispielsweise in den großen Unternehmen der Fall ist.

(Stephan Grüger (SPD): So ist es! Das sind die Fakten!)

Insoweit finde ich das Anliegen, das im Gesetzentwurf seitens der SPD formuliert wurde, hier zu sagen, wir fördern etwas, was wir eigentlich auch wollen, nämlich Betriebsräte.

(Jan Schalauske (DIE LINKE): Genau!)

Die GRÜNEN wollen auch Betriebsräte, aber sie wollen sie nicht fördern. Wir wollen Betriebsräte, und wir konstatieren: Es gibt zu wenige von ihnen. Deshalb ist es in der Tat notwendig, Maßnahmen zu ergreifen.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Wenn man dann über die Belastungen der kleinen Unternehmen spricht und hier Tränen vergießt, die SPD also untere Lohngruppe TV-H fordert, frage ich Sie: Wissen Sie, über welchen Stundenlohn wir da sprechen? Wahrscheinlich wissen Sie es nicht, weil Sie generell dagegen sind, wenn etwas gezahlt wird.

(Moritz Promny (Freie Demokraten) schüttelt den Kopf.)

Sie sind da ganz knapp über Mindestlohn, wie wir feststellen, wenn wir das ausrechnen. Wenn ich die Kriterien im Gesetzentwurf betrachte, komme ich zu dem Schluss, die sind alle im Einzelnen ganz okay. Wenn man sie in ein politisches Papier hineinschreibt, finde ich das auch okay. Mir ist aber nicht ganz klar, ob gemeint ist, dass die Kriterien kumulativ oder alternativ zu verstehen sind, und ob es reicht, wenn eines eingehalten wird, um die Förderung zu erlangen. Das wird im Entwurf, wie er jetzt formuliert ist, nicht besonders deutlich.

(Tobias Eckert (SPD): Das steht in der Begründung!)

– Schöner ist es, wenn man Dinge, die man möchte, auch in den Gesetzentwurf schreibt und nicht nur in die Begründung. Dann muss man nicht so viel daran heruminterpretieren.

(Beifall DIE LINKE – Tobias Eckert (SPD): Das ist die Erklärung! – Stephan Grüger (SPD): Das steht im Gesetz!)

Wir können das vielleicht in den Beratungen noch ein wenig zuspitzen. Das Zweite, was hier auch angemerkt wurde: 30 % Rückzahlungen, wenn die Lohnsummen nicht eingehalten werden. – Wenn ich das richtig verstanden habe, werden vonseiten der SPD schon gute Vorsätze entsprechend gefördert.

(Tobias Eckert (SPD): Das ist der Sinn einer Erklärung!)

Da geht es nämlich nicht darum, ob es nach drei Jahren so ist, sondern ob sich das Unternehmen das vorher vorgenommen hat. Das ist so ähnlich wie bei mir an Silvester. Da nehme ich mir auch immer einiges vor. Ich fände es auch gut, wenn ich dafür dann schon ein wenig gefördert würde. Schöner fände ich es, wenn man auch prüft, was hinten rauskommt – und das nicht, wie es im Gesetzentwurf vorgesehen ist, stichprobenartig, sondern so, dass man sich auch einigermaßen darauf verlassen kann, also schon eine etwas regelmäßigere Kontrolle.

Die 30 % zusätzlichen Rückzahlungen werden nicht gefordert – wenn ich den Gesetzentwurf, wie es hier teilweise formuliert ist, richtig verstanden habe –, wenn die Lohnsummen nicht eingehalten wurden, sondern wenn der Tatbestand des Betruges vorliegt. Dieser ist auch ohne diesen Gesetzentwurf schon strafbewehrt. Bei betrügerischem Verhalten entsprechende Strafmaßnahmen vorzusehen ist insgesamt nicht unüblich.

Insoweit kann ich sagen: Das Grundanliegen, das im Gesetzentwurf formuliert wird, wird von uns selbstverständlich mitgetragen. Wir würden uns eine weitere Zuspitzung selbstverständlich wünschen. Ich kann mir angesichts der bDebatte, die bisher geführt wurde, nicht die Anmerkung verkneifen, dass die SPD natürlich mit diesem Gesetzentwurf versucht, Probleme zu lösen, die wir ohne sie nicht gehabt hätten.

(Beifall DIE LINKE)

Sprich: Die Einführung eines Niedriglohnsektors in der Bundesrepublik Deutschland geht stark auf die Agenda 2010 zurück. – Hier klopfte sich der Wirtschaftsminister auf die Schulter, weil seine Koalition einen 50 € höheren Regelsatz eingeführt hat. Das ist ungefähr der Inflationsausgleich. Die Sozialverbände sagen, man brauchte neben dem Inflationsausgleich eine Anhebung von 200 €.

(Zuruf Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Gegenruf Jan Schalauske (DIE LINKE): Wir reden über die Existenzsicherung!)

Das heißt, es ist der blanke Zynismus, der hier in der Arbeitsmarktpolitik vertreten wird.

(Beifall DIE LINKE)

Da wird ein Inflationsausgleich als Neuregelung verkauft. Da kann man nur sagen: Raider heißt jetzt Twix, aber sonst ändert sich, was die gesamte Arbeitsmarktpolitik angeht, eigentlich wenig.

(Zurufe Freie Demokraten)

Dafür kann die hessische SPD wenig. Insoweit finde ich es schon in Ordnung, dass dieser Gesetzentwurf eingebracht wurde. Wenn wir ihn gemeinsam noch ein wenig schärfen, damit er auch tatsächlich handhabbar wird, könnte er ein kleiner Schritt in die richtige Richtung sein. – Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE)