Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Axel Gerntke zum Volksbegehren Verkehrswende

Axel GerntkeVerkehr

In seiner 113. Plenarsitzung am 21. September 2022 diskutierte der Hessische Landtag gleich zweimal über das sehr erfolgreiche Volksbegehren zur Verkehrswende. Dazu die zweite Rede unseres verkehrspolitischen Sprechers Axel Gerntke.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Initiatorinnen und Initiatoren des Begehrens! Wenn man der Diskussion in diesem Hause zuhört, dann stellt man fest, dass das allgemeine Credo ist: Wir gratulieren sehr herzlich zu Ihren Aktivitäten, aber in der Sache sind wir eigentlich nicht so sehr dafür. – Ich gratuliere ganz herzlich zu Ihren Aktivitäten und finde die Initiative sehr gut, und zwar vom Geist her, wohin sie gehen soll, nämlich eine grundlegende Verkehrswende zu initiieren. Das finde ich großartig. Insoweit gratulieren wir aus inhaltlichen Erwägungen ganz herzlich dazu, dass es gelungen ist, dazu mehr als 70.000 Menschen per Unterschrift zu mobilisieren.

(Beifall DIE LINKE)

Das ist das erste Begehren in Hessen, das so weit gekommen ist.

In einzelnen Städten hatten wir schon ähnliche Initiativen zur Verkehrspolitik, aber auch zu anderen Bereichen. Als Frankfurter bin ich gezeichnet vom Mietentscheid. Da war es so, dass die Stadtregierung noch vor der Einreichung durch ihr Rechtsamt erklären ließ, dass das alles rechtswidrig sei, um anschließend eineinhalb Jahre lang zu prüfen, ob es wirklich rechtswidrig ist. Das fand ich ganz erstaunlich. Das Ergebnis war: Es ist rechtswidrig. Gleichwohl ist damals in dem Verfahren Druck gemacht worden.

Ich appelliere an die jetzige Regierung, kein ähnliches Verfahren zu wählen, dass die Bürokratie die Unternehmung sozusagen zu ersticken versucht, sondern dass man den politischen Impuls aufgreift. Der politische Impuls ist nicht, dass man ein paar Fahrradwege mehr baut oder dass man die Maßnahme X oder die Maßnahme Y ganz gut findet. Der politische Impuls ist vielmehr, dass es um eine grundlegende Verkehrswende geht. Das heißt selbstverständlich, dass wir in Zukunft signifikant weniger Kilometer mit dem Auto fahren und signifikant mehr Kilometer mit dem öffentlichen Personennahverkehr, mit dem Rad, zu Fuß oder in sonstiger ökologisch vertretbarer Weise zurücklegen.

(Zuruf Yanki Pürsün (Freie Demokraten))

– Wenn Sie schon Zwischenrufe machen, dann wenigstens so laut, dass ich darauf antworten kann.

(Zuruf Yanki Pürsün (Freie Demokraten))

– Das ist leider nicht gelungen. Dann muss ich wohl ein bisschen weitererzählen.

Es geht um die Grundlogik, mit der wir uns auseinanderzusetzen haben. Die Verkehrspolitik von Herrn Scheuer und seines CSU-Vorgängers hat über Jahrzehnte das Auto gestärkt, und zwar nicht ganz herrschaftsfrei und technologieoffen, sondern zulasten der anderen Verkehrsträger. Es ist eben nicht so, dass wir beliebig viele Ressourcen hätten, die wir jetzt zusätzlich verteilen könnten: Wenn wir das eine stärker machen, müssen wir das andere weniger stark machen. Das muss man politisch entscheiden. Wenn man allerdings – wie Sie – tief im Anus der Automobilindustrie steckt, dann ist das natürlich schwierig.

(Lebhafte Zurufe)

Vizepräsident Frank Lortz:

Herr Kollege Gerntke, das war eine Formulierung, die weder parlamentarisch noch sonst wie hinzunehmen ist. Das rüge ich ganz ausdrücklich.

Axel Gerntke (DIE LINKE):

Schönen Dank auch. – Es geht jedenfalls um diese Grundfrage.

Wenn man jetzt versucht, den Leuten Sand in die Augen zu streuen, indem man sagt, es gehe eben nicht darum, Ressourcen umzuverteilen, dann belügt man die Menschen. Das kann keineswegs die Lösung sein, weil es am Ende im Interesse aller ist, dass wir zu neuen Formen der Verkehrspolitik kommen – einerseits aus klima- und umweltpolitischen Erwägungen heraus, andererseits aus der Erwägung heraus, dass alle Menschen einen Zugang zur Mobilität haben. Im Moment haben wir die Situation, dass weder das eine gewährleistet ist, alles also höchst umweltschädlich ist, noch das andere gewährleistet ist, dass alle Menschen überhaupt eine Möglichkeit zur Teilhabe an Mobilität haben. In beiden Fragen muss sich etwas ändern.

Deshalb denke ich, dass dieses Begehren zur Verkehrswende den Impuls geben kann, dass umgedacht wird. Das darf nicht allein Hessen betreffen, sondern das muss auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene stattfinden. Die jeweilige Ebene darf sich aber nicht darauf zurückziehen, dass die anderen ja auch nichts machen, sondern wir müssen voranschreiten. Insoweit noch einmal einen herzlichen Dank an die Initiatorinnen und Initiatoren.

(Beifall DIE LINKE)