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Rede

CDU-Antrag: Hessens Schülerinnen und Schüler freuen sich: Schon 250.000 Schülertickets stärken den ÖPNV und machen Mobilität erschwinglich

Gabi Faulhaber
Gabi FaulhaberVerkehr

Rede von Gabi Faulhaber am 4.September 2017 im Hessischen Landtag

– Es gilt das gesprochene Wort –

 

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Ja, das Schülerticket ist ein Schritt in die richtige Richtung. Für viele, aber nicht für alle, haben sich die Kosten für eine Fahrtkarte im ÖPNV verringert. Auch dass man in der Freizeit mit dieser Karte fahren kann, ist für viele gut – aber nicht für alle. Einer Entlastung für Familien werden wir immer zustimmen. Wenn jetzt 250.000 Schülertickets genutzt werden, stärkt das den ÖPNV. Auch dagegen würden wir nie etwas sagen. Aber 31 € sind auch ein guter Preis, wie man feststellt, wenn man das mit den üblichen Preisen im ÖPNV, besonders im Rhein-Main-Gebiet, vergleicht.

Dann gibt es aber kritische Punkte; die sind von den Kollegen hier schon angesprochen worden. Erstens bleiben Kinder aus benachteiligten Familien weiterhin benachteiligt, weil diese sich nicht ohne Weiteres 31 € im Monat dafür leisten können. Frau Müller, da das hier ein bisschen unklar zu sein scheint, möchte ich das einmal ausführen – offensichtlich können Sie sich das nicht vorstellen –: Inzwischen sind 15 bis 20 % der Menschen in unserem Land arm oder von Armut bedroht. Sie reden selbst immer über Kinderarmut. Aber Kinder, die arm sind, kommen aus armen Haushalten, vor allem aus Haushalten mit alleinerziehenden Müttern oder mit Eltern, die im Niedriglohnsektor beschäftigt sind – vielleicht sogar im Jobcenter auf die Höhe der Grundsicherung aufstocken müssen – oder Harz IV beziehen.

Einem Hartz-IV-leistungsberechtigten Erwachsenen stehen nicht 34 €, sondern 25,77 € für Mobilität zu. Einem Jugendlichen von ungefähr 15 Jahren stehen knapp 15 € zu. Ich halte zweimal die Woche eine Hartz-IV-Sprechstunde ab. Sie können sich leicht ausrechnen, dass 16 € für das Schülerticket fehlen. Die müssen dann von der Grundsicherung bezahlt werden, gehen also vom Geld für Essen und Miete ab. Wenn für mehrere Kinder ein Ticket gekauft werden muss, ist das gar nicht mehr zu machen.   

(Beifall bei der LINKEN) 

Was Ihnen wenig erscheint, weil Sie alle in gesicherten Verhältnissen leben, bedeutet für viele Familien eine große finanzielle Belastung. Das sollte man vielleicht einmal ein bisschen zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist der Grund, warum DIE LINKE eine kostenfreie Schülerbeförderung fordert: Unserer Meinung nach gehört es zur Lehrmittelfreiheit, dass Schüler in die Schule kommen können, ohne dass Familien finanziell belastet werden – auch nicht durch 31 €.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens wurde in einigen Städten die Fahrt zur Schule teurer. Frau Wissler hat es hier schon ausgeführt: Für denjenigen, der nur zur Schule fahren will und überhaupt nicht an einer hessenweiten Fahrt interessiert ist, wird es in vielen Fällen teurer. In Hanau z. B. beträgt die Teuerung 65 €. Hanau ist kein Einzelfall; das kam auch in anderen Landkreisen vor. Wenn Sie sagen, Schülerfahrten würden dann billiger, lassen Sie aus, dass es Schüler gibt, die innerhalb diesseits der 2- oder 3-km-Grenze wohnen und vielleicht zu Fuß gehen müssen, weil sie sich das Schülerticket nicht leisten können. Die können dann an keiner Schülerfahrt mehr teilnehmen. Oder wie soll ich das verstehen? Das alles ist also ziemlich unausgegoren.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So wie Ihre Rede!)

Dann entsteht eine Ungleichheit in der Fahrtkostenerstattung durch den Schulträger. Das hat Frau Wissler ebenfalls schon ausgeführt; das brauche ich nicht lang und breit zu machen.

Holger Bellino (CDU): Geben Sie die Rede doch zu Protokoll!)

Es bleibt also eine Ungleichheit, von der die Schüler betroffen sind, die nicht mehr der Schulpflicht unterliegen, also die 9. oder die 10. Klasse besuchen. Oberstufenschüler müssen die Kosten für die Fahrt zur Schule immer selbst bezahlen. Ich fasse zusammen: Wir finden recht unterschiedliche Verhältnisse vor. Es gibt Kinder, die durch ganz Hessen fahren können, und es gibt andere, die sich diese Mobilität nicht leisten können. Ich finde, das ist, wenn wir über Bildungsgerechtigkeit sprechen, eine Sache, an der sich dringend etwas ändern muss.

(Beifall bei der LINKEN)

Es kann wirklich nicht sein, dass es für manche Familien ein Bildungshindernis darstellt, zur Schule zu kommen. Das will ich nur noch einmal sagen. Wenn es bei dem Jobticket für Landesbedienstete funktioniert, warum funktioniert es nicht bei einem solchen Ticket für Schülerinnen und Schüler? Die Idee eines Schülertickets ist also gut, aber auf jeden Fall deutlich verbesserungswürdig. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)