Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Christiane Böhm - Jeder fehlende Euro geht zulasten der Beschäftigten sowie der Patient:innen

Christiane BöhmGesundheit

In seiner 97. Plenarsitzung am 23. Februar 2022 debattierte der Hessische Landtag über Krankenhausinvestitionen in Hessen. Dazu die Rede unserer gesundheitspolitischen Sprecherin Christiane Böhm.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte mit einem Zitat aus dem aktuellen Koalitionsvertrag beginnen:

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr gut!)

Damit die Krankenhauslandschaft weiterhin gut aufgestellt ist, braucht es weitere finanzielle Unterstützung. Wir werden die Investitionsmittel für Krankenhäuser im Laufe der Legislaturperiode deutlich erhöhen.

(Beifall Hermann Schaus (DIE LINKE) und Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

So Ihr Koalitionsvertrag. Wenige Monate nach der Verabschiedung, im März 2019, hat Herr Minister Klose beim Zukunftskongress des Klinikverbundes Hessen diese Aussage konkretisiert und eine Schließung der Investitionslücke bis zum Ende der laufenden Wahlperiode angekündigt. Herr Bocklet und Herr Dr. Bartelt haben das auch unterstrichen. Sie waren mit dabei. Ich habe damals gedacht: Na ja, das hört sich ja ganz gut an.

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sieht gut aus!)

Allerdings musste ich meine Einschätzung revidieren, aber nicht nur in Bezug auf diesen Punkt, sondern auch in Bezug auf die Krankenhausfinanzierung. Von einer vollständigen Investitionskostendeckung bei den Krankenhäusern sind Sie immer noch sehr weit entfernt. Stehen Sie endlich zu Ihren Versprechen. Stehen Sie zur Verantwortung, für die Finanzierung der Investitionskosten der Krankenhäuser zu sorgen.

(Beifall DIE LINKE und Ulrike Alex (SPD))

Heute tun Sie so, als wäre alles in Ordnung. Herr Klose hat ja das Grußwort gehalten. Anscheinend waren Sie aber nicht die ganze Zeit über bei der Tagung des Klinikverbundes in der vergangenen Woche dabei.

(Felix Martin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie waren auch nicht die ganze Zeit da, Frau Böhm! – Weitere Zurufe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

  • Wenn Sie mir vielleicht einmal einen Moment zuhören,dann würden Sie verstehen, um was es geht.

(Unruhe – Glockenzeichen)

  • Ich muss ja lauter werden, wenn Sie laut sind.

(Zurufe)

Die Kliniken haben deutlich gesagt, dass ihre Liquidität gefährdet ist. Das ist keine Kleinigkeit mehr. Das bedeutet nämlich, dass Kliniken durchaus auch in Konkurs gehen müssen, wenn die Liquidität gefährdet ist. Die Krankenhausinvestitionsgelder des Landes sind eine wichtige Marge bei dieser Frage. Es ist nicht die einzige, da sind wir uns einig. Es gibt andere Baustellen in der Klinikfinanzierung. Auch das Pflegebudget ist ein großes Problem für die Krankenhäuser. Allerdings sind die Investitionsmittel, die die Kliniken vom Land zu erwarten haben, eine große Frage, um die Kliniken weiter zu erhalten.

Es ist schon deutlich gesagt worden, dass die Krankenhausgesellschaft mindestens 150 Millionen € an Investitionsmitteln für die Kliniken – ohne die Universitätskliniken – für Hessen als fehlend erklärt. Der Wert ist zwar etwas gesunken, aber wenn Sie in diesem Tempo weiterarbeiten, brauchen Sie mindestens 15 Jahre. Dann ist die Koalition bzw. die Wahlperiode auf jeden Fall beendet. Ich glaube nicht, dass angesichts dieser Leistungen dieser Vertrag verlängert wird.

Ich finde es sehr frustrierend, dass sich das so entwickelt. Die Landesregierung feiert sich dauernd, trotz Pandemie, dass die Steuereinnahmen sprudeln. Die schwarze Null im Landeshaushalt muss unbedingt gewahrt werden, als wäre es ein Gott, den man anbetet. Über die roten Zahlen in den Kliniken schweigen Sie aber lieber.

Das eine ist aber genauso problematisch wie das andere. Es gibt viele Missstände im Gesundheits- und Sozialbereich. Das ist jeweils ein Spiegelbild des anderen. Sie danken heute wieder dem Gesundheitspersonal für seinen Einsatz. Das Personal weiß allerdings noch nichts davon, dass Sie auf seiner Seite stehen. Ich glaube, das Personal schätzt das völlig anders ein. Sie tun nämlich nichts, um dessen Belastung tatsächlich zu verringern. Wenn Sie für die Investitionskosten nicht aufkommen, gibt es nur eine Möglichkeit für die Kliniken. Sie können dieses Geld für die notwenigen Investitionen nur aus dem Geld der Gesundheitsversorgung nehmen.

Was bedeutet das aber? Bei den Betriebsmitteln ist die Grenze erreicht. Da kann nicht mehr weiter gekürzt werden. Es wird also beim Personal gekürzt. Das geht auf dem Rücken der Pflegekräfte, der Ärztinnen und Ärzte und der ganzen Angestellten in den Kliniken. Das haben Sie zu verantworten.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Freie Stellen werden nicht besetzt. Dienstleistungen werden in Billigfirmen ausgegliedert. Das gilt für ganze Bereiche, oder sie werden sogar dichtgemacht. Ich denke, daran hat der Bruch Ihres Versprechens aus dem Frühjahr 2019 einen entscheidenden Anteil.

Es ist nicht nur so, dass Sie den Krankenhäusern zu wenig Geld zur Verfügung stellen. Außerdem nehmen Sie das Geld fast vollständig den Kommunen weg. Es ist das Geld der Kommunen, das Sie den Krankenhäusern zur Verfügung stellen. Das ist wirklich ein deutliches Ärgernis.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Frau Sommer hat es schon gesagt. Der originäre Landesanteil wurde seit dem Jahr 2011 nicht mehr angepasst. Seit 2011 gab es aber elf Änderungen des Krankenhausgesetzes. Allein in der Amtszeit von Herrn Klose wurde das Krankenhausgesetz dreimal an verschiedenen Stellen geändert. Aber weder Sie noch die schwarz-grünen Koalitionsfraktionen haben es für nötig befunden, dass man hier etwas ändert. Ich denke, es ist deutlich, dass wir eine sachgerechte und verlässliche Finanzierung unseres Gesundheitswesens in der Fläche brauchen.

Die Kliniken schreiben hohe Verluste. Das bedeutet, dass die Kreise und Kommunen, die die Träger der Kliniken sind, nicht nur die Krankenhausumlage zahlen, sondern auf einen Teil der Gewerbesteuerumlage verzichten, nur damit Sie hier von der „starken Heimat“ fantasieren können. Nein, sie zahlen noch ein drittes Mal drauf. Sie müssen nämlich die Verluste der Kliniken ausgleichen. Das ist wirklich eine absolute Überbelastung der Kommunen, die in Hessen ohnehin völlig unterfinanziert sind.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Schauen wir einmal auf die Universitätskliniken, die bei diesem Fehlbetrag noch gar nicht berücksichtigt worden sind. Die Klagen der Beschäftigten reißen nicht ab, ob das in Frankfurt oder im privatisierten Uniklinikum GießenMarburg ist. Ich denke nur einmal an die Warnstreiks im vergangenen Jahr in Frankfurt. Da hat man deutlich gesehen, dass die Hütte brennt. Bevor Beschäftigte des Gesundheitswesens auf die Straße gehen, gerade in der heutigen Situation und angesichts des harten Drucks, unter dem sie stehen, muss echt viel passieren. Da standen aber nicht nur ein paar Leute vor dem Eingang des Klinikums. Nein, es standen mehrere Hundert Beschäftigte davor. Sie haben deutlich gesagt, wie schrecklich die Arbeitssituation am Universitätsklinikum ist. Natürlich hat sich von der Landesregierung und von den Regierungsfraktionen dort niemand blicken lassen. So weit gehen Ihre Dankesworte nicht, dass Sie sich einmal mit der Realität der Beschäftigten befassen würden.

Dass das Land jetzt eine halbe Milliarde Euro an Investitionsmitteln für das UKGM bereitstellt, ist vielleicht eine schöne Nachricht für die Beschäftigten, die dort für die Patienten sorgen. Das belegt zugleich das krachende Scheitern der Privatisierung. Das kann man in diesem Haus nicht oft genug sagen.

(Beifall DIE LINKE)

Frau Ministerin Dorn, es ist keine gute Nachricht, dass Sie diese halbe Milliarde Euro deutlich unter Wert an die Rhön AG und an Asklepios raushauen. Sie haben es als bekennende Kritikerin der vollzogenen Privatisierung – das will ich Ihnen zugestehen – versäumt, erste Schritte zur Abkehr von der Privatisierung in diesen Verhandlungen durchzusetzen. Nur die Rücknahme des Verkaufs und die Rückführung in Landeseigentum werden langfristig am UKGM dafür sorgen, dass mit Ausgliederungen, Personalabbau, Investitionsstau und all den Auswirkungen, die das auf die Patientenversorgung sowie auf Forschung und Lehre hat, wirklich Schluss gemacht wird.

Dazu fehlt Ihnen aber der Mut oder die Durchsetzungsfähigkeit gegenüber Ihrem Koalitionspartner. Gleiches gilt für Ihr Nichthandeln in dieser Frage, das zum Schaden des Landes und des UKGM geführt hat.

Das Versagen der Landesregierung bei der angemessenen Finanzierung und Planung der hessischen Krankenhausstrukturen – danke an die FDP, dass sie mich dabei unterstützt, dass wir endlich eine Krankenhausplanung bekommen – trifft uns alle wie ein Bumerang. Das geht zulasten der Beschäftigten sowie der Patientinnen und Patienten. Das hat kurzfristige, aber auch langfristige Folgen, nämlich die Folge: Wenn immer mehr Pflegekräfte, aber auch Ärztinnen und Ärzte aus dem Beruf fliehen und der Pflegenotstand und der Notstand in den Kliniken sich weiter zuspitzen, werden wir alle darunter leiden.

Für diese Probleme hat die Landesregierung leider keine Antwort. Ihr Fetisch mit der schwarzen Null führt dazu, dass Sie die notwendigen Zukunftsinvestitionen nicht nur im Gesundheitswesen verpassen. Das werden Ihnen die kommenden Generationen nicht danken.

Sollten Sie sich tatsächlich an Ihren Koalitionsvertrag und Herrn Kloses Zusagen beim Klinikverbund erinnern, kann ich Ihnen versprechen, dass wir als LINKE der Mittelerhöhung von mindestens 150 Millionen € pro Jahr unsere volle Zustimmung erteilen werden. Bleibt es bei den leeren Worten und mangelnden Taten, werden wir Sie in jeder Diskussion unerbittlich genau an diese gebrochenen Worte erinnern. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE)