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Rede

Christiane Böhm - Menschenrecht auf Gesundheitsversorgung in Hessen umsetzen

Christiane BöhmGesundheitSoziales

In seiner 107. Plenarsitzung am 02. Juni 2022 diskutierte der Hessische Landtag in einer weiteren Runde zu unserem Setzpunkt ‚Gesundheitsversorgung für alle sicherstellen'. Dazu die zweite Rede, diesmal von unserer gesundheitspolitischen Sprecherin Christiane Böhm.

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe heute, insbesondere bei den Koalitionsfraktionen, vor allem den Begriff „prüfen“ gehört. Sie prüfen, prüfen und prüfen.

(Unruhe Freie Demokraten)

– Könnten die Kollegen von der FDP bitte ein bisschen ruhiger sein? – Das Prüfen geht auf Kosten der Ehrenamtlichen. Ich denke, alle, die bei dieser Anhörung dabei waren, haben gehört, wie stark belastet die Ehrenamtlichen durch dieses frei gewählte Ehrenamt sind. Denn sie müssen oft genug Menschen sagen: Nein, es ist kein Geld mehr da für deine Gesundheitsbehandlung. – Das noch weiter zu prüfen, ich finde, das grenzt schon an Menschenverachtung, auch wenn ich natürlich die Belastungen des Ministeriums sehe. Das geht natürlich auf Kosten des Leidens und teilweise auch auf das Leben von Menschen. Ich finde, das sind Gründe, warum man jetzt wirklich eine Prüfung schneller machen muss.

(Beifall DIE LINKE)

Wenn Sie den Bedarf dafür sehen – Sie haben es im Koalitionsvertrag, Sie haben auch deutlich gesagt, dass Sie einen Bedarf sähen –, dann müssten jetzt Handlungen des Landes kommen.

Ich will noch auf einige Argumente eingehen, die Sie gebracht haben. Herr Dr. Bartelt, das Beitragsschuldengesetz war nicht sehr tauglich. Darüber haben wir schon einmal gesprochen. Aber warum haben Sie es denn nicht in der letzten Legislaturperiode auf den Weg gebracht, als Sie in der Regierung waren? Da hätten Sie doch alle Zeit und alle Möglichkeiten dazu gehabt.

Herr Klose, Sie sagen, alle sollten versichert sein. Es sind – verdammt noch mal – viele nicht versichert. Dieses Gesetz war ebenso untauglich wie das andere. Es führt dazu, dass die Asylsuchenden nicht mit aufgenommen worden sind. Es führt dazu, dass ganz viele Menschen, die hier keinen legalen Status haben, nicht aufgeführt sind. Und es führt zu der unsäglichen Situation, in die auch Selbstständige kommen.

Das alles sind Gesetze, von denen man natürlich sagen kann: Es ist blöd, dass wir das auf Landesebene regeln müssen. – Aber das ist tatsächlich notwendig, weil es um Leben und Leiden von Menschen geht; das sage ich noch einmal. Das ist das Kriterium, nach dem diese Landesregierung unbedingt handeln muss.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Kollegin Saadet Sönmez – sie muss gleich weg, deshalb vertrete ich sie hier – hat deutlich gesagt, wie wichtig diese Clearingstellen sind. Die gesetzlichen Krankenversicherungen machen das nicht ausreichend. Jede Clearingstelle schafft es, bei 60 % der Antragstellungen die Leute wieder in die Krankenversicherung hineinzubekommen. Die gesetzlichen schaffen das leider aktuell nicht. Daran müsste man etwas ändern; da müsste man den Druck erhöhen. Aber wenn das erfolgreich ist, sind diese Clearingstellen doch ein sinnvolles Instrument – vielleicht nur für eine gewisse Zeit. Vielleicht kann man sie irgendwann einmal ausdünnen und sagen: Jetzt muss dafür gesorgt werden, dass diese Menschen wieder in die Krankenversicherung hineinkommen.

Zu der Aussage, dass sie niemanden behandeln, haben wir Ihnen erklärt, Frau Anders: Diese Clearingstellen sollen gemeinsam mit den ehrenamtlichen Ambulanzen arbeiten; denn die Ambulanzen bekommen mit, wenn Leute nicht krankenversichert werden. Dann können sie in der Clearingstelle so beraten werden, dass sie wieder in die Krankenversicherung hineinkommen. Das ist doch ein sinnvolles Konzept. Ich verstehe immer noch nicht, warum Sie unseren Gesetzentwurf abgelehnt haben.

(Beifall DIE LINKE)

Ich will noch einmal zu den Kosten kommen: Sie vergleichen sich dauernd mit Thüringen. Thüringen hat ein Drittel der Einwohnerinnen und Einwohner von Hessen.

(Zuruf: Weniger!)

Es hat eine wesentlich geringere Wirtschaftskraft. Ich denke, das dürfte bekannt sein. Ich weiß nicht, warum Sie sich in anderen Fragen andere Vergleichspunkte nehmen, jetzt aber auf einmal den Vergleich zu Thüringen ziehen.

Ich hätte mir in Hessen mehr Ambitionen gewünscht. Mit 250.000 € ist es natürlich schwierig, ein Konzept zu entwickeln. Das verstehe ich; denn es ist gar nicht möglich, mit diesem Betrag einen Behandlungsfonds und Clearingstellen – das steht im Haushalt – tatsächlich umzusetzen. Deswegen ist es natürlich schwierig.

Also, entscheiden Sie sich. Sie haben die 250.000 € von diesem Jahr. Legen Sie nächstes Jahr noch einiges drauf, und schaffen Sie eine vernünftige Einrichtung, sodass es tatsächlich möglich ist, Menschen ohne Krankenversicherung hier zu behandeln.

(Beifall DIE LINKE)

Präsidentin Astrid Wallmann:

Frau Böhm, ich muss Sie bitten, zum Ende zu kommen.

Christiane Böhm (DIE LINKE):

Ja. – Ich hoffe es nicht, Frau Sommer, dass die Landesregierung bis zum Tode prüft. Denn ich denke, dieser Tod wird meistens nicht bei der Landesregierung stattfinden, sondern eher bei den Betroffenen. Und das möchte ich auf jeden Fall verhindern. – Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)