Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Das Setzen auf reine Sparpolitik ist gescheitert.

Willi van Ooyen
Willi van OoyenEuropa

- unkorrigiertes Redemanuskript, es gilt das gesprochene Wort -

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

In die politischen Kräfteverhältnisse in Europa kommt Bewegung. Auf Einladung des französischen Präsidenten Francois Hollande haben die sozialdemokratischen Regierungen der Europäischen Union ihre Positionen für die EU-Politik abzustimmen versucht. Es soll eine Veränderung der EU-Austeritätspolitik geben.

Das Setzen auf reine Sparpolitik ist gescheitert.

Die Forderung lautet: Impulse für mehr Wachstum und mehr Zeit für die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte. Letztlich geht es wohl auch um eine Umschichtung der EU-Gelder, um entschiedener gegen die Arbeitslosigkeit anzukämpfen.

Sigmar Gabriel scheint nunmehr begriffen zu haben, dass die von der Troika verordneten ökonomischen Hungerkuren kein geeignetes Rezept gegen die Eurokrise sind, sondern alles noch schlimmer gemacht haben.
Diese Erkenntnis ist ein kleiner Fortschritt, gegenüber der  bedingungslosen Zustimmung der SPD im Bundestag zu bisher allen selbstmörderischen Austeritätsprogrammen für die europäischen Krisenstaaten.

Das Beharren auf den Agenda-Reformen zeigt leider auch, dass der Wirtschaftsminister noch nicht begriffen hat, wie zerstörerisch das deutsche Lohndumping für die Integration des europäischen Wirtschaftsraums war und ist.

Wo Löhne, Renten und Sozialleistungen sinken und die öffentlichen Dienste auf Sparflamme gefahren werden, schwächelt die Binnennachfrage. Nur auf Exportüberschüssen lässt sich keine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung begründen.

Die europäische LINKE und wir in Deutschland fordern in Übereinstimmung mit dem deutschen und der großen Mehrheit des europäischen Gewerkschaftsbundes seit längerem einen entschiedenen Politikwechsel.

Wer eine andere Europapolitik will, muss sich mit der Euro-Krisenkanzlerin Merkel anlegen. Europa braucht nicht nur eine Lockerung der Austeritätsschraube, sondern eine Gerechtigkeitswende, die auf drei Elemente fusst:

•    Erstens muss der Spekulationssumpf an den Finanzmärkten, der immer noch jederzeit ganze Staaten in den Abgrund reißen kann, auf Dauer durch Regulierungsmaßnahmen ausgetrocknet werden.
•    Zweitens brauchen wir ein europäisches Zukunftsprogramm, das den Investitionsstau in der öffentlichen Infrastruktur auflöst und die Massenarbeitslosigkeit bekämpft.
•    Drittens muss Europa endlich eine Sozialunion werden, die gemeinsame Mindeststandards für Löhne, Renten, Sozialleistungen und die Besteuerung von Unternehmen und Reichen einführt. Das ist das Gegenprogramm zu Merkels Europa der kalten Schultern.
Die Bevölkerungsmehrheit in Europa hat nichts von einer Lockerung des unsinnigen Stabilitäts- und Wachstumspaktes bzw. des Fiskalpaktes, wenn man gleichzeitig Löhne drückt und den Sozialstaat zerstört, wie es Gabriel fordert.
Eine Agenda 2010 für Europa verschärft die Depression. Defizitregeln werden dann nur noch gebraucht, um die Steuerausfälle durch die Absenkung der Binnennachfrage zu kompensieren.
Die Staatsverschuldung ist in jenen EU Staaten am stärksten gestiegen, die am meisten gekürzt haben. Wer die Euro Krise lösen und auch die Staatsverschuldung bekämpfen will, braucht
•    einen „New Deal“ mit einer strikten Regulierung und
•    Schrumpfung des Finanzsektors,
•    die Trennung von Investmentbanking und klassischem Bankgeschäft,
•    die massive Ausweitung öffentlicher Investitionen
•    sowie eine EU weite Vermögensabgabe für Millionäre
•    aber auch zinsgünstige Kredite der EZB an betroffene Krisenstaaten.
Wir werde die wirtschaftspolitische Geisterfahrt der Kürzungsdiktate und arbeitnehmerfeindlichen Politik genauso im Parlament und auch außerparlamentarisch bekämpfen, wie das Freihandelsabkommen (TTIP) mit den USA, oder mit Kanada, die die  Privatisierung öffentlichen Eigentums vorantreiben sollen.
Der Widerspruch von Kapital und Arbeit wird durch den brutalen Versuch jetzt noch auf die Schnelle neoliberale Positionen in Europa gegen Krisenstaaten durchzupeitschen, nicht außer Kraft gesetzt werden können. Man wird um einen drastischen Schuldenschnitt nicht umhin kommen.
Der Widerstand wächst !