Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

"Das System Koch hält uns auf Trab"

Hermann Schaus

Zur Aktuellen Stunde von SPD und Grünen sowie zur Einrichtung eines Untersuchungsausschusses

Zur Aktuellen Stunde und zum Antrag der SPD und Grünen (18/2140)
betreffend Einrichtung eine Untersuchungsausschusses


Herr Präsident,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

nach der Affäre um die Hessischen Steuerfahnder, nach der Affäre Wolski und um Mobbing bei der Hessischen Polizei, beschäftigt uns heute die sogenannte Polizeichef Affäre. Man kann sagen, das System Koch hält uns schwer in Atem.

Es geht heute um nicht weniger als den Verdacht, dass der Hessische Innenminister Volker Bouffier und sein Staatssekretär Boris Rhein, Gerichtsbeschlüsse, in denen ohnehin grob rechtswidriges Verhalten festgestellt wurde, nochmals umgangen haben, um einen Parteifreund in eine zentrale Positionen des Polizeidienstes zu hieven.

Der Verdacht, dass der Innenminister einem CDU-Parteifreund, unter Verletzung formaler Regeln, ein hohes Amt bei der hessischen Polizei zugeschanzt hat, ist schon schlimm genug, aber im System Koch offenbar nicht so außergewöhnlich.
Sollte sich aber auch noch bestätigen, dass der Innenminister dabei eine rechtskräftige Entscheidung des höchsten hessischen Verwaltungsgerichts bewusst missachtet und umgangen hat, dann wäre das offener Verfassungsbruch im Berlusconi-Stil.

Wir  Obleute der Fraktionen im Innenausschuss konnten uns hierüber bereits ein Bild machen. Zwei schmale Ordner mit Unterlagen, die als Beweis für ein zweites Auswahlverfahren dienen sollten, wurden uns für zwei Stunden zur Einsicht zugänglich gemacht.

Ich habe diese zwei Stunden genutzt und bin die Akten von Anfang bis Ende durch gegangen. Ich habe darin keinen einzigen Beleg für ein ordentliches zweites Auswahlverfahren gefunden.

Wer das anders darstellt, der muss der Öffentlichkeit beweisen:

  1. wann das erste Verfahren abgeschlossen wurde,
  2. wann ein zweites Verfahren eröffnet wurde,
  3. wer die Mitglieder der Auswahlkommission waren und wann sie getagt hat,
  4. wann die drei Bewerber über ein zweites Auswahlverfahren schriftlich informiert wurden,
  5. auf welchen nachvollziehbaren objektiven Kriterien die Personalentscheidung für den Parteifreund von Herrn Bouffier getroffen wurde,
  6. wie die unterlegenen Bewerber schriftlich informiert wurden,
  7. und warum das Rechtsschutzinteresse der unterlegenen Bewerber nicht gewahrt wurde.

Fragen über Fragen, weil keine, aber auch gar keine Belege vorgelegt wurden.

Zum Ablauf eines beamtenrechtlichen Auswahlverfahrens hat die Rechtsprechung klare Grundsätze festgelegt.

Demnach muss der Dienstherr im Ablehnungsbescheid angeben, warum er dem nicht berücksichtigten Bewerber einen Konkurrenten vorgezogen hat. Der Dienstherr ist aufgrund von Art. 19., Art 33 Abs. 2 GG, und  Art 134 HV verpflichtet, dem abgelehnten Bewerber  faktisch die Möglichkeit einzuräumen, Klage erheben zu können. Die Wartefrist zwischen Erteilung des  Ablehnungsbescheides und Aushändigung der Ernennungsurkunde beträgt demnach mindestens 2 Wochen. Die Gründe der Auswahlentscheidung sind aktenkundig zu machen.

Aber an keinen dieser Rechts- und Verfahrensgrundsätze des Beamtenrechts hat sich der Innenminister und sein Staatsekretär gehalten. Das allein ist bei einem Minister, der stets betont in höchstem Maße für Recht und Ordnung zu stehen, bereits ein außerordentlicher Skandal.

Herr Innenminister, Herr Staatssekretär, sie hätten gut daran getan, irgendwann im Verfahren die Notbremse zu ziehen und zu sagen, unseren Mann kriegen wir so nicht durch.

Sie hätten ihren Anspruch aufgeben sollen, als Ihnen der Verwaltungsgerichtshof zum ersten mal gesagt hat, sie können sich nicht einfach über den besseren Bewerber hinweg setzen, auch Sie müssen sich an Recht und Gesetz halten.

Deshalb hat DIE LINKE bereits letzte Woche die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gefordert, damit Licht in die merkwürdigen Abläufe im Innenministerium kommt und sich die Öffentlichkeit selbst ein Urteil darüber bilden kann.

Herr Minister, Herr Staatssekretär: Die Bindung der Exekutive an rechtskräftige Entscheidungen der unabhängigen Gerichte gehört zu den Grundsätzen eines Rechtsstaats. 

Auch gehört der Respekt vor den in ihrer Kompetenz getroffenen Entscheidungen der Judikative zum Grundsatz der Gewaltenteilung, die ein tragendes Organisationsprinzip des Grundgesetzes ist.

Von jedem Beamten wird ein aktives Eintreten für diese Grundprinzipien verlangt. Es wäre ein Skandal, wenn gerade der Innenminister und sein Staatssekretär aus Gründen der parteipolitischen Vetternwirtschaft dagegen verstoßen hätte.

Das wollen und das werden wir im Untersuchungsausschuss aufklären. Sie können sich einem solchen Verfahren jetzt nur noch durch Ihren Rücktritt entziehen!