Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

"Die Erklärung ist ein Plädoyer für die Verteidigung der demokratischen und künstlerischen Freiheit"

Janine Wissler
Janine WisslerKultur

Die Erklärung der Vielen als Zeichen für Vielfalt, Offenheit und Toleranz in Hessen (Aktuelle Stunde der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Ds. 20/101)

 

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

In der letzten Woche wurde die „Frankfurter Erklärung der Vielen“ veröffentlicht, eine Initiative von Kulturschaffenden und Forschern, die Position bezieht gegen rechts, gegen Rassismus und Diskriminierung. Unterzeichnet haben sie viele Frankfurter Kultur- und Bildungseinrichtungen, wie Schauspiel, Alte Oper, freie Theater, Museen, Wissenschafts- und Bildungseinrichtungen; und es ist gut, dass der Landtag dieses Engagement heute in einer Aktuellen Stunde würdigt.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Die Erklärung ist ein Plädoyer für die Verteidigung der demokratischen und künstlerischen Freiheit … gegen alles, was sie bedroht: völkisch-nationalistische, fundamentalistische, populistische oder autoritäre Weltbilder. … gegen Stimmungsmache, Ausgrenzung und Abwertung anderer Menschen, wie z. B. jede Form von Rassismus, Homo- und Transphobie, Frauenfeindlichkeit, Antisemitismus oder Islamophobie, geben solchen Positionen keinen Raum. Das ist ein wichtiges Signal in einer Zeit, in der rassistische und faschistische Strömungen in vielen Ländern Europas Zulauf haben, in der die Gewalt von rechts zunimmt und Migranten, Flüchtlinge, Juden und Muslime zunehmend Anfeindungen und Übergriffen ausgesetzt sind. Wenn Musliminnen auf der Straße angefeindet werden, weil sie ein Kopftuch tragen, wenn Juden sich nicht trauen, in der Öffentlichkeit die Kippa zu tragen, und Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe oder ihrer sexuellen Orientierung Angriffen ausgesetzt sind, dann ist das alarmierend. Diese Entwicklung ist ein Angriff auf die Demokratie insgesamt, dem sich alle Demokratinnen und Demokraten entgegenstellen müssen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt SPD)

In der Frankfurter Erklärung heißt es: Die Freiheit von Kunst, Kultur und Wissenschaft duldet keine Eingriffe. Sie schaffen einen Raum zur Veränderung der Welt. Die Freiheit von Wissenschaft und Kunst ist in der Tat eine Voraussetzung für Demokratie. Wir haben in der deutschen Geschichte erlebt, was die Einschränkung von Kunst bedeutet: Sie wurde als entartet verfolgt. Kunst, Kultur und Wissenschaft können sich in nationaler Enge und Abgeschiedenheit nicht entwickeln. Sie brauchen internationalen kulturellen Austausch und Einflüsse. Es gibt keine feststehende deutsche Leitkultur. Kultur entwickelt sich fortlaufend weiter, sie spiegelt gesellschaftliche Entwicklungen wider und hinterfragt sie. Kunst darf auch provozieren.

(Beifall DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, vor wenigen Tagen jährte sich die Befreiung von Auschwitz zum 74. Mal, auch darauf verweist die „Erklärung der Vielen“. Auch nach 74 Jahren kann und darf es keinen Schlussstrich unter die Aufarbeitung der deutschen Geschichte geben.

(Beifall DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das deutlich auszusprechen, ist besonders wichtig in einer Zeit, in der eine Partei in den Parlamenten sitzt, deren Vertreter eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad fordern und die NS-Zeit, der Millionen Menschen zum Opfer gefallen sind, als „Vogelschiss“ bezeichnen. Nicht zu vergessen die Äußerungen einer hessischen Abgeordneten, die für die AfD angetreten ist und die ein Mitglied der Waffen-SS, einen verurteilten Kriegsverbrecher, lobte und Kriegsverbrechen der Wehrmacht leugnete. An der Stelle will ich sagen: Frau Walter, Sie haben sich heute Morgen in Ihrer Rede als „Lebensschützerin“ aufgespielt.

(Alexandra Walter (fraktionslos): Das ist meine Überzeugung!)

Sie sollten sich vergegenwärtigen, wie viele Leben den Verbrechen der SS und der Wehrmacht zum Opfer gefallen sind.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD – Zurufe Alexandra Walter (fraktionslos))

Bei Massakern, unter anderem in Griechenland, wurden Menschen bei lebendigem Leib verbrannt, wurden Schwangeren die Bäuche aufgeschlitzt, Kinder und Säuglinge getötet. Wer solche Verbrechen relativiert und beschönigt, sollte zum Thema „Schutz des Lebens“ besser schweigen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Allen Versuchen des Geschichtsrevisionismus muss laut und entschieden widersprochen werden. Die Auschwitz Überlebende Esther Bejarano sagte einmal in einer Rede vor Schülern: Ihr habt keine Schuld an dieser Zeit. Aber ihr macht euch schuldig, wenn ihr nichts über diese Zeit wissen wollt. An der Stelle will ich auch die wertvolle Arbeit der Gedenkstätten der Bildungsstätten, der Vereine sowie der vielen lokalen Stolpersteininitiativen würdigen, die einen wichtigen Beitrag zur Erinnerungskultur in Deutschland leisten.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Erinnerungskultur bedeutet eben auch, angesichts der aktuellen Gefahren wachsam zu sein, jeder Form des Rassismus, Antisemitismus und Faschismus entschieden entgegenzutreten, ob im Alltag, bei Aufmärschen, in breiten Bündnissen wie „Aufstehen gegen Rassismus“, „Unteilbar“ oder den vielen lokalen Bündnissen wie „Bunt statt braun“, die „Omas gegen rechts“ und den vielen Anti-Nazi- Bündnissen, die es gibt. Kampf gegen rechts bedeutet auch, diesen rassistischen Ressentiments etwas entgegenzusetzen.

(Beifall DIE LINKE, SPD und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich komme zum Schluss. Ich bin froh, dass es in Frankfurt und andernorts solche Initiativen gibt, im Sport, im Kulturbereich, Rock gegen rechts, und dass Bewegungen wie PEGIDA in Hessen keine Chance hatten, weil sich ihnen viele Menschen in den Weg gestellt haben. Deswegen ist es auch gut, dass wir diese Initiative heute im Landtag gewürdig thaben.

Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)