Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

"Die Koalition lässt zwar wieder qualmen, aber weißer Rauch steigt noch immer nicht auf"

Hermann Schaus

Zur Lockerung des Rauchverbots durch Mehrheit von CDU und FDP

Zur Lockerung des Rauchverbots durch Mehrheit von CDU und FDP

 

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ein wirksamer Nichtraucherschutz muss vor allem einen umfassenden Kinderschutz und Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerschutz gewährleisten.

Sicherlich ist es so, dass in allen Fraktionen kontroverse und möglicherweise auch schwierige Diskussionen zu diesen beiden Gesetzentwürfen stattgefunden haben und Entscheidungen getroffen wurden, die jetzt hier zu entsprechenden Gesetzesänderungen führen. Das will ich gar nicht verhehlen, das war auch bei uns in der Fraktion so.

Es ist klar, von der Frage "rauchen oder nicht rauchen?" sind alle betroffen, in welcher Art und Weise auch immer. Aber letztendlich geht es darum, unabhängig von der eigenen Betroffenheit verantwortlich damit umzugehen und die verschiedenen Interessen zu berücksichtigen. Ich glaube, dass uns das in unserer Fraktion durchaus gelungen ist.

Seit knapp drei Jahren ist das hessische Gesetz zum Nichtraucherschutz nun in Kraft und weitestgehend akzeptiert. Nach anfänglicher kontroverser Diskussion in der Bevölkerung wird es mittlerweile von fast allen akzeptiert. Fast alle haben sich daran gewöhnt, so dass eine Änderung der geltenden Bestimmungen ausschließlich auf der Grundlage der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vorzunehmen wäre oder ist.

Das Bundesverfassungsgericht hat im Juli 2008 dazu entschieden – ich darf aus der Pressemeldung zitieren –: Zwar wäre der Gesetzgeber nicht gehindert, ein striktes, ausnahmsloses Rauchverbot in Gaststätten zu verhängen. Entscheidet er sich aber für eine Konzeption, bei der das Ziel des Gesundheitsschutzes mit verminderter Intensität verfolgt und mit Rücksicht insbesondere auf die beruflichen Interessen der Gastwirte Ausnahmen vom Rauchverbot zugelassen werden, so müssen diese Ausnahmen auch die durch das Rauchverbot wirtschaftlich besonders stark belastete getränkegeprägte Kleingastronomie ("Eckkneipen") mit erfassen.

In seiner Nichtzulassungsentscheidung vom September 2009 zum Bayerischen Nichtraucherschutzgesetz hat das Bundesverfassungsgericht diese grundlegende Entscheidung nochmals bestätigt. Die Existenz der Eckkneipen ist also zu gewährleisten. Dies wird in dem vom Bundesverfassungsgericht abgesteckten Rahmen von unserer Fraktion auch akzeptiert.

Der CDU-FDP-Gesetzentwurf sieht aber weitere Ausnahmen vor, z. B. die geschlossene Gesellschaft, also im Wesentlichen Familienfeste. Dabei sind vom Passivrauchen aber auch Kinder sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betroffen. Zwar hält das Bundesverfassungsgericht das Rauchen in Festzelten im Rahmen von Ausnahmeregelungen für zulässig, aber die im CDU-FDP-Gesetzentwurf enthaltene Regelung ist weder durchdacht noch vernünftig.

Ich stelle mir das praktisch vor. Am Sonntagmittag, wenn die Familie zur Kirmes geht und gemeinsam etwas trinken oder essen will, findet eine Ausgrenzung statt. Der Vater geht ins Festzelt, um etwas zu Essen zu holen. Die Kinder müssen draußen warten, weil sie nicht in das Raucherzelt hineingehen dürfen. Deshalb habe ich Zweifel, dass die Regelungen Ihres Gesetzentwurfs praxistauglich sind.

Dass zudem die Spielkasinos ausgenommen werden sollen, ist wohl eher auf die Lobbyarbeit der Automatenindustrie zurückzuführen. Herr Rentsch, Sie haben bereits Beispiele für eine Verquickung von Politik und Lobbyismus benannt. Dieser Vergleich sei an dieser Stelle auch erlaubt. Auch in diesem Fall sind wieder Beschäftigte betroffen.

Ebenso unklar bleibt die Ausweitung der Regelung bei Diskotheken und Tanzlokalen. In dem vorliegenden Gesetzentwurf bleibt ferner unklar, welche weiteren Ausnahmen zulässig sind, wenn – wie es dort heißt – "durch technische Vorkehrungen ein gleichwertiger Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens wie bei einem Rauchverbot gewährleistet werden kann". Was auch immer dies bedeutet, es ist und bleibt unklar und öffnet Tür und Tor für weitere Ausnahmen.

In diesem Gesetzentwurf finden wir also einen Freibrief für eine weitere Ausweitung des Rauchverbots vor. Das ist für uns nicht akzeptabel. Unsere Position ist, dass der Nichtraucherschutz Gesundheitsschutz ist und dass der Gesetzgeber darauf bedacht sein muss, dass alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor gesundheitlichen Risiken zu schützen sind. Der Gesetzgeber muss darüber hinaus alle Kinder bis zum 18. Lebensjahr vor diesen gesundheitlichen Risiken schützen. Das ist mit dem vorliegenden Gesetzentwurf von CDU und FDP nicht gewährleistet.

Herr Rentsch, unsere Position ist und bleibt also klar: Wir lehnen Ihren Gesetzentwurf ab.

Da Herr Dr. Bartelt davon sprach, dass es darum gehe, eine tendenziell einheitliche Regelung im Bundesgebiet zu schaffen, möchte ich daran erinnern, dass dies natürlich sehr wohl möglich gewesen wäre, und zwar exakt auf der Linie der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Diesen Weg haben Sie aber verlassen und weiteren Ausnahmen zugestimmt.

Der Gesetzentwurf der GRÜNEN geht von dem durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für rechtens erklärten Weg des grundsätzlichen Verbots aus und beschreibt Ausnahmen davon. Ob aber die darin enthaltenen Ausnahmen verfassungsrechtlich zulässig sind, bleibt offen. Zumindest – dies müssen wir auch berücksichtigen – hat dieser Entwurf eine weitaus größere Zustimmung in der Anhörung erfahren.

Da für uns der Gesundheitsschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Kinder im Vordergrund steht, halten wir den im Ausschuss beratenen und abgelehnten Änderungsantrag der SPD, der heute nicht mehr zur Entscheidung ansteht, der die Bedingungen in Eckkneipen und Raucherräumen von Gaststätten nur durch die separate Bedienung durch Inhaber zulassen möchte, für zwingend notwendig.

Den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist es nicht freigestellt, selbstständig darüber zu entscheiden, ob sie sich als Beschäftigte in den Gaststätten, in den Diskotheken, in den Festzelten usw. diesem Rauch aussetzen wollen. Sie haben keine Entscheidungsfreiheit.

Aus den genannten Gründen werden wir uns bei der Abstimmung über den Gesetzentwurf der GRÜNEN der Stimme enthalten.

Lassen Sie mich zum Schluss noch sagen: Wenn sich selbstständige Wirtsleute entscheiden, sich in eine Räucherkammer zu stellen und dort ihrem Gewerbe nachzugehen, dann mögen sie das für sich entscheiden und die Folgen dieser Entscheidung selbst tragen.

Die Koalition lässt zwar wieder qualmen, aber weißer Rauch steigt noch immer nicht auf.