Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

"DIE LINKE wird für die komplette Abschaffung der ungerechten Straßenausbaubeiträge und für eine gerechte Kostenerstattung für die Städte und Gemeinden sorgen"

Hermann Schaus
Hermann SchausKommunales

Aufhebung von Straßenbeiträgen in den hessischen Kommunen (Dringlicher Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE, Ds. 20/105)

 

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Der Ärger ist groß, wenn Eigentümerinnen und Eigentümer, die an grundsanierten Ortsstraßen ein Grundstück besitzen, von der Stadt- oder der Gemeindeverwaltung eine Zahlungsaufforderung über eine hohe Summe erhalten. Je nach Nutzung der Straße können Kommunen derzeit bis zu 75 % der gesamten Straßenausbaukosten auf die Anlieger umlegen.Die Entscheidung, wie eine Anliegerstraße grundsaniert wird, trifft die Kommune oft ohne eine vorherige ausreichende Beteiligung der Anlieger.

Die Kostenberechnungen sind für die Betroffenen oft unverständlich, insbesondere dann, wenn zusätzlich auch noch das Kanalnetz oder Versorgungsleitungen mit erneuert werden.

Wie wir aus den Beratungen im letzten Jahr wissen, werden in vielen Fällen Summen – je nachdem – zwischen 10.000 und 120.000 € fällig. Geld, das die meisten Hausbesitzer gar nicht haben. Sie müssen sich dafür oft extra verschulden und zusätzliche Kredite aufnehmen, die aber ältere Menschen gar nicht mehr erhalten.

Im Mai 2018 wurde hier eine Gesetzesänderung von CDU, GRÜNEN und Freien Demokraten beschlossen. Im Juni 2018 lehnte die gleiche Landtagsmehrheit unseren alternativen Gesetzentwurf zur kompletten Abschaffung der ungerechten Straßenausbaubeiträge in dritter Lesung ab. Eine weitere Gesetzesinitiative der SPD zur vollständigen Abschaffung der Straßenausbaubeiträge fand ebenfalls keine Mehrheit.

In meiner Rede im September 2018 habe ich zu der von CDU, GRÜNEN und Freie Demokraten beschlossenen Gesetzesänderung Folgendes gesagt:

"Wir sind der Meinung, dass der beschlossene Gesetzentwurf weder für die hessischen Kommunen noch gar für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger eine gute Lösung ist. Die von Ihnen getroffene Änderung, aus der bisherigen Sollvorschrift eine Kannvorschrift zu machen, nutzt lediglich den Kommunen, die bislang keine Straßenbeiträge erhoben haben und diese auch nicht erheben müssen, um einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen zu können.

Schlimmer noch: Dank Ihrer sogenannten Hessenkasse sollen die Kommunen auch noch Geld für schlechte Zeiten ansparen. Das bedeutet, selbst dann, wenn eine Kommune derzeit schwarze Zahlen schreibt, wird sie kaum davon absehen können, auf diese Einnahmequelle zu verzichten, damit sie mehr Geld sparen kann, um in schlechten Zeitenetwas zu haben.

Die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen ist in vielfacher Hinsicht ungerecht. Zunächst einmal zahlen alle Anlieger beim erstmaligen Bau der Straße Erschließungsbeiträge. Zudem müssen Anwohner von Kreis-, Landes- oder Bundesstraßen gar keine Beiträge zahlen."

In vielen Städten wie Frankfurt, Wiesbaden oder Eschborn wurden in den zurückliegenden Jahren und Jahrzehnten erst gar keine Beiträge erhoben. Zwischenzeitlich haben rund 40 Kommunen – wegen der Aktivitäten der Bürgerinitiativen vor Ort, nicht wegen Ihrer Gesetzesinitiative – ihre Beitragssatzungen abgeschafft.

(Beifall DIE LINKE)

Aber in 350 Städten und Gemeinden werden weiterhin Straßenausbaubeiträge erhoben. Dort bestehen entsprechende Satzungen. Das sind oft solche Städte und Gemeinden, die es sich weiterhin, aufgrund ihrer Haushaltslage, eben nicht leisten können, die gesamten Kosten der Straßensanierung zu tragen; und diese Städte und Gemeinden lässt die Landesregierung nach wie vor mit diesem Problem allein, meine Damen und Herren. Auch diese würden gern ihre Anlieger von Straßenbeiträgen entlasten. Es macht nämlich keiner Oberbürgermeisterin oder keinem Bürgermeister Spaß, die Bürger aus der Not heraus zur Kasse zu bitten. Der Protest in Hessen gegen diese ungerechten Straßenausbaubeiträge wird aber trotz der letztjährigen Änderungen – Kollege Rudolph hat schon darauf hingewiesen – immer stärker. In mehr als 60 Städten und Gemeinden haben sich mittlerweile Bürgerinitiativen gebildet, die vor Ort aktiv sind und bei zahlreichen Aktionen zu Recht die generelle Abschaffung fordern, und das ist gut so.

(Beifall DIE LINKE und Günter Rudolph (SPD)

Mit viel Engagement und noch mehr Kreativität wird hessenweit landauf, landab gegen die ungerechten Strabs mobil gemacht. Und auch heute grüße ich recht herzlich die Vertreterinnen und Vertreter der zahlreichen Bürgerinitiativen im Landtag.

(Beifall DIE LINKE)

Nur aufgrund deren intensiven Drucks und des Drucks aus der Bevölkerung haben im Mai 2018 CDU, GRÜNE und Freie Demokraten im Landtag ihre kleine Gesetzesnovelle überhaupt erst vorgenommen, die aber für die Betroffenen kaum eine Verbesserung ihrer Situation mit sich bringt. Sie haben damit auf Beruhigung bei den Betroffenen gesetzt. Das ist aber zu Recht gründlich schiefgegangen. Der Protestwird immer lauter, und das ist gut so.

(Beifall DIE LINKE und Günter Rudolph (SPD)

Wir hatten Ihnen einen alternativen Gesetzentwurf vorgelegt, der die vollständige Abschaffung der Straßenausbaubeiträge vorsieht. Am Vorbild Berlins, Hamburgs und Bayerns sollte sich auch Hessen ein Beispiel nehmen. Zwischenzeitlich wird auch in Thüringen und in Brandenburg über die Abschaffung der Strabs beraten. Die bisherigen Einnahmen der Kommunen aus Straßenbeiträgen beliefen sich im Übrigen in den letzten Jahren laut Aussage des Innenministers auf jährlich ca. 40 Millionen €. Es wäre also für das Land Hessen völlig unproblematisch, den Städten und Gemeinden zweckgebunden – im Rahmen eines Sonderfonds – ihre Einnahmeausfälle jährlich zu erstatten. Und genau das ist das Ziel unseres Gesetzentwurfs.

(Beifall DIE LINKE)

Die ebenfalls im Mai 2 018 von CDU, GRÜNEN und Freien Demokraten beschlossene Regelung zu den finanziellen Anreizen beim Umstieg von einmaligen auf wiederkehrende Straßenbeiträge ist ebenso kläglich gescheitert und wird zu Recht von allen Städten und Gemeinden, wie auch von den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern, als bürokratisches Monster abgelehnt. Danach sollen alle Eigentümer in einer Gemeinde oder einem Stadtteil, auch wenn sie nicht in der sanierten Straße wohnen, zahlen. Das sind dann zwar kleinere Beträge, auf die Sie ja gesetzt haben; diese werden aber Jahr für Jahr erhoben. Immer, jedes Mal, wenn Straßen grundsaniert werden, sollen die Kosten auf alle umgelegt werden. Der Verwaltungsaufwand dafür ist enorm. Da reichen im Übrigen die von Ihnen beschlossenen 20.000 € Starthilfe pro Berechnungsgebiet bei Weitem nicht aus, um die Verwaltungskosten zu decken. Im Übrigen ist das sozusagen ein Verwaltungsbeschaffungsprogramm statt eine entsprechende Sanierung. Die 5 Millionen könnte man besser an die Kommunen, an die Bedürftigen geben, damit sie ihre Straßen sanieren, statt ihre Verwaltungen auszubauen.

(Beifall DIE LINKE und Günter Rudolph (SPD)

Die SPD hat heute erneut einen Gesetzentwurf zur Abschaffung der Straßenbeiträge vorgelegt. Wir begrüßen es ausdrücklich, dass die SPD – wie auch wir – weiterhin klar gegen die ungerechten Beitragserhebungen Stellung bezieht. Dies hat zwar etwas gedauert und war bei der Anhörung der Gesetzentwürfe am 12. April noch nicht ganz so klar, aber wir gehen den Weg gemeinsam weiter.

(Günter Rudolph (SPD): Bisher war es ganz gut, Herr Kollege!)

Wir begrüßen den Gesetzentwurf der SPD, auch wenn wir mit ihrem Finanzierungsvorschlag nicht ganz konform gehen; aber darüber kann und sollte man in der Tat, wie es Günter Rudolph gesagt hat, in einer Anhörung reden. Denn anders als die SPD denken wir,  dass es ausreichend wäre, die Mittel ausschließlich den ärmeren Kommunen, also zur Stärkung des ländlichen Raums, wie es Herr Rudolph gesagt hat, zur Verfügung zu stellen und nicht den sogenannten abundanten Kommunen.

(Beifall DIE LINKE)

Städte wie z. B. Eschborn, Frankfurt oder auch Wiesbaden, die nie Straßenbeiträge erhoben haben, brauchen aus unserer Sicht solche Mittel derzeit nicht. Deshalb haben wir in unserem neuen Gesetzentwurf auch die Einrichtung eines Sonderfonds vorgesehen, mit dem das Land verpflichtet wird, jährlich mindestens 60 Millionen € einzuzahlen, der zumindest in den nächsten fünf Jahren nur den rund 400 bedürftigen Kommunen zur Verfügung stehen soll.

 (Präsident Boris Rhein: Herr Abg. Schaus, ich möchte Sie an die Redezeit erinnern.)

Herr Präsident, ich komme zum Ende. – Unsere Fraktion löst mit diesem Gesetzentwurf ein, was wir vor einem Jahr versprochen haben. Wir bleiben weiterhin dran. DIE LINKE wird auch im neuen Landtag, also jetzt, für die komplette Abschaffung der ungerechten Straßenausbaubeiträge und für eine gerechte Kostenerstattung für die Städte und Gemeinden sorgen.

Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)

 

Zweiter Beitrag zum Thema:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich habe in dieser Diskussion zwar nichts Neues gehört, weil wir schon öfter darüber diskutiert haben, aber ich will trotzdem – –

(Holger Bellino (CDU): Von Ihnen auch nicht! – Gegenruf Janine Wissler (DIE LINKE))

– Wir haben an der Stelle eine klare Linie, Herr Bellino, von daher werden Sie von uns auch nichts anderes hören. – Aber ich will mich noch einmal mit den Gegenargumenten auseinandersetzen, die da gekommen sind. Da sagt Herr Dr. h.c. Hahn zu Recht, seit eineinhalb Jahren erst ist das ein Thema. In der Tat, ich wundere mich auch, dass es nicht früher ein Thema geworden ist. Es ist erst ein Thema, seit es Bürgerinitiativen gibt, die dagegen Protest organisieren – berechtigterweise –, und das wird es auch bleiben, solange der Zustand so ist, wie er ist.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Der Kollege von den GRÜNEN, Herr Hoffmann

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Hofmann!)

– Herr Hofmann, er ist neu –, hat die alten Argumente eingebracht, die wir hier schon öfter gehört haben. Nun will ich Ihnen sagen: Die Situation ist nicht so, dass die kommunale Selbstverwaltung in dem Moment aufgelöst wird, wenn das Land Hessen den Kommunen finanzielle Mittel für den Ausbau ihrer örtlichen Straßen zur Verfügung stellt. Nach dieser Argumentation wäre schon der Kommunale Finanzausgleich an sich eine Einschränkung oder gar Auflösung der kommunalen Selbstverwaltung. Das werden selbst Sie nicht behaupten wollen.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Nein, andersherum wird ein Schuh daraus. Die kommunale Selbstverwaltung ist späestens 2013 durch die gesetzliche Sollregelung eingeschräkt worden. Da wurde der Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung vorgenommen.

(Beifall DIE LINKE)

Der Innenminister hat seinerzeit durch seinen Herbsterlass dafür gesorgt, dass die RPs Druck auf die Kommunen ausüben, die noch keine Straßnausbaubeiträge erhoben haben, indem er die Haushalte nicht genehmigt hat. Auch das ist dargestellt worden. Das ist eine Einschränkung der kommunalen Selbstverwaltung –und nicht das, was wir in den Gesetzentwüfen haben.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Herr Minister Beuth, nun haben Sie ein neues Wort geprägt, das kannte ich noch gar nicht: Zweiterschließung. Ich weiß nicht, was bei einer grundlegenden Straßensanierung eine Zweiterschließng sein soll. Da wird doch nichts neu erschlossen. Da wird etwas, was erschlossen ist, in einen ordentlichen Zustand gebracht. Das ist doch keine Zweiterschließung. Insofern muss man auch nicht zweimal zahlen, sondern man hat einmal gezahlt, und dann ist es öffentliche Aufgabe, diese Straße zu unterhalten, die Ortsstraßen genauso wie die Kreisstraßen, wie die Landesstraßen, wie die Bundesstraßen. Es ist Aufgabe des Landes Hessen, alle Kommunen in die Lage zu versetzen, die Erschließung zu erneuern und entsprechend zu garantieren. Das ist unsere Forderung.

(Beifall DIE LINKE)

Herr Minister, weil Sie sich so erstaunt gezeigt haben, dass die Gesetzentwüfe von SPD und LINKEN dazu beitragen wüden, alle Steuerzahler zu belasten, will ich Ihnen einmal ein Beispiel aus meiner neuen Heimatkommune vortragen. Da haben es die Bügerinitiativen dankenswerterweise mit viel Engagement geschafft, die Stadt Wetzlar dazu zu bringen, die Straßenbeitragssatzung abzuschaffen. Und was ist passiert? –In der gleichen Stadtverordnetenversammlung hat die Stadt Wetzlar aus der Not heraus beschlossen, die Grundsteuer entsprechend zu erhöhen. Das ist die Konsequenz aus Ihrer Logik der kommunalen Selbstverwaltung, die dann dazu fürt, dass alle Anwohner, nämlich auch die Mieter, das bezahlen müsen.

(Beifall DIE LINKE –Zurufe CDU)

Wir hingegen sagen: Das Land ist in der Lage, 60 Millionen € pro Jahr den bedüftigen Kommunen zur Verfügung zu stellen, um ihre Straßen zu unterhalten. Die Beiträge, die ihnen durch die Bürger entfallen, sind nach der Statistik des Innenministers nämlich nur 40 Millionen € Das ist unsere Position, und das bleibt unsere Position, heute, morgen und übermorgen, bis das Gesetz geändert ist.

(Beifall DIE LINKE –Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Schauen wir mal!)