Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

"Diese Solidaritätsbekundung allein reicht in diesem Fall leider nicht aus"

Saadet Sönmez
Saadet SönmezFriedenInternationales

Hafturteil gegen die Ärztin und hessische Friedenspreisträgerin 2018 Prof. Dr. Sebnem Korur Fincanci in der Türkei (Dringlicher Antrag der CDU-Fraktion und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Ds. 20/132)

 

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren!

Wie wir alle wissen: Am 28. November des letzten Jahres erhielt Frau Sebnem Korur Fincanci den Hessischen Friedenspreis für ihren Einsatz gegen Folter und Menschenrechtsverletzungen. Knapp einen Monat später wurde sie wegen Vorwürfen angeblicher Terrorunterstützung zu einer Haftstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Korur Fincancis Einsatz und ihr Wirken für Menschenrechte sind nicht nur auf die Türkei begrenzt, vielmehr erstreckt sich ihr Einsatz auf die internationale Ebene. So war sie z. B. maßgeblich an der Ausarbeitung des Istanbul-Protokolls beteiligt, das bekanntermaßen als Standardwerk der Vereinten Nationen zur Untersuchung von Folter gilt. Sie war für den Internationalen Gerichtshof in Bosnien tätig und noch vieles mehr. Weil sich Frau Korur Fincanci für demokratische Rechte, Pressefreiheit, Menschenrechte und den Frieden – auch in der Türkei – einsetzt, wurde ihr der Prozess gemacht; und, wie wir alle wissen, erhielt sie eine Haftstrafe von zweieinhalb Jahren. Aber wir wissen auch, dass Frau Fincanci nicht die Einzige ist, die wegen ihres Einsatzes für fundamentale und universelle Rechte bestraft wird. Tausende von Oppositionellen, Friedensaktivistinnen, Journalistinnen, Schülerinnen und sogar vom Volk gewählte Abgeordnete, unter anderem elf Abgeordnete der Demokratischen Partei der Völker, der HDP, befinden sich in türkischen Gefängnissen. Zehn von ihnen wurde sogar der Abgeordnetenstatus entzogen. Frei gewählte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister werden abgesetzt und durch Zwangsverwalter ersetzt. Hunderttausende sind von Kriminalisierung und Repressalien betroffen, genauso viele oppositionelle Tageszeitungen und Fernsehsender.

Aufgrund dieser politischen Lage und der herrschenden willkürlichen Rechtsprechung befinden sich fast 300 Menschen im Hungerstreik, unter ihnen der ehemalige Abgeordnete Eren Erdem, Abgeordneter der Republikanischen Volkspartei, der CHP, und Leyla Güven, eine Abgeordnete der Demokratischen Partei der Völker, der HDP. In welcher Ausweglosigkeit sich diese Menschen befinden müssen und deshalb versuchen, unter Einsatz ihres Lebens auf ihre Situation aufmerksam zu machen, können wir hier noch nicht einmal erahnen. Wenn man der Verleihung des Friedenspreises nun die Absicht unterstellt, Demokratie und Frieden auf der ganzen Welt zu fördern, so darf man diese Verleihung nicht als einmaliges Ereignis ansehen.

(Beifall DIE LINKE und Torsten Warnecke (SPD))

So wie Demokratie und Menschenrechte universell und grenzüberschreitend sind, so müssen auch das Engagement, die Unterstützung und die Solidarität grenzüberschreitend, konsequent und dauerhaft sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall DIE LINKE)

Nun finden wir es ja begrüßenswert, dass sich auch die Kolleginnen und Kollegen der CDU und der GRÜNEN unserer Initiative angeschlossen haben. Aber ich muss schon sagen, diese Solidaritätsbekundung allein reicht in diesem Fall leider nicht aus. Auch nur zu hoffen, dass Frau Korur Fincanci die Haftstrafe vielleicht doch nicht antreten muss, wird der Ernsthaftigkeit der Lage nicht wirklich gerecht. Die Benennung von konkreten Vorhaben, was wir jetzt genau tun sollen, wäre meiner Meinung nach hier angebracht, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU und der GRÜNEN. Deshalb sage ich: Lassen Sie uns Kontakt zur IHD aufnehmen, der Menschenrechtsvereinigung der Türkei, deren Vorsitzende Frau Korur Fincanci übrigens auch ist.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Schauen Sie auf Seite 2 nach! Dort steht das!)

Lassen Sie uns das Gespräch mit den demokratischen Kräften in der Türkei suchen, damit wir unserer Solidarität auch Nachdruck verleihen können und die Verleihungen von Friedenspreisen nicht nur reine Lippenbekenntnisse bleiben, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE)