Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Dritte Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz über den Vollzug ausländerrechtlicher Freiheitsentziehungsmaßnahmen (VaFG)

Gabi Faulhaber
Gabi FaulhaberMigration und Integration

Rede von Gabi Faulhaber am 15.Dezember 2017 im Hessischen Landtag

 

– Es gilt das gesprochene Wort –

 

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Für die LINKEN möchte ich eine grundsätzlich andere Sichtweise in diese Diskussion einbringen. Ich fange mal damit an, dass vor zwei Wochen der Bürgermeister der sizilianischen Stadt Palermo Leoluca Orlando zu Gast bei uns in der Fraktion war. Er hat sehr eindrucksvoll vom Schicksal der Geflüchteten berichtet, die viel zahlreicher an den Küsten
Siziliens stranden als hier bei uns. Wie geht das Stadtoberhaupt einer Metropole, die in besonderem Maße von den Flucht- und Migrationsbewegungen betroffen ist, mit dieser Situation um? Leoluca Orlando fordert nicht etwa eine bessere Abschottung an den Grenzen Europas oder Gefängnisse. Er tritt vielmehr offiziell für ein Menschenrecht auf Freizügigkeit ein.

(Beifall bei der LINKEN)

Er fordert nicht die Abschiebung der Geflüchteten. Er verlangt mehr sichere und legale Einreisewege für Menschen, die nach Europa wollen. Leoluca Orlando, der zum dritten Mal als Bürgermeister wiedergewählt wurde, hat seine Stadt für die Eingewanderten geöffnet und sieht in der Migration Chancen statt Gefahren. Genau für diese Politik steht auch DIE LINKE in Hessen. Für Menschen in Not muss es offene Grenzen geben.

(Beifall bei der LINKEN)

Migration ist kein Verbrechen, und deshalb dürfen Menschen nicht allein deshalb in Haft genommen werden, weil sie keinen gültigen Aufenthaltstitel haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu diesem Gesetzentwurf gab es viele äußerst kritische Stellungnahmen – seitens der Diakonie, der Caritas, des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, des Hessischen Flüchtlingsrat und des Deutschen Anwaltvereins. Diese Bedenken teilen wir alle. Die nun vorliegenden Änderungsanträge sind jedoch nicht geeignet, die ursprüngliche Bewertung des Gesetzesvorhabens aufzugeben.

Insbesondere die Aufnahme des Ultima-Ratio-Prinzips in § 1 des Gesetzentwurfs ist nichts weiter als Augenwischerei. Das soll bloß das Gewissen beruhigen. Reden wir doch mal über Ultima Ratio und Rechtmäßigkeit. Rechtsanwalt Peter Fahlbusch aus Hannover – ein Spezialist auf dem Gebiet des Abschiebungshaftrechts – hat kürzlich eine persönliche Statistik veröffentlicht. Er hatte in den vergangenen 16 Jahren 1.400 Mandanten in Abschiebungshaftverfahren vertreten. 738 dieser Mandanten, also mehr als 50 %, waren laut rechtskräftiger Entscheidungen rechtswidrig inhaftiert – manche nur einen Tag, manche jedoch monatelang. Auch deshalb sagen wir: Wir brauchen keine Abschiebehaft, überhaupt keine.

(Beifall bei der LINKEN)

Für den Betrieb des Abschiebungsgefängnisses hat die Landesregierung jährlich 5,5 Millionen € eingeplant. Zehn neue Stellen für die Abschiebeverwaltung werden geschaffen; die jährlichen Kosten belaufen sich auf 682.000 €. An zusätzlichen Mitteln für Abschiebungen und angeblich freiwillige Ausreisen weist der Haushalt 2018/2019 jeweils 8,5 Millionen € aus. Es gibt viel bessere Verwendungsmöglichkeiten für dieses
Geld, z. B. für die schulische Integration von Flüchtlingskindern oder für die Sprachförderung. Deshalb sagen wir: Lassen Sie uns in bessere Aufnahmestrukturen investieren, statt noch mehr Geld in eine rücksichtslose Abschiebelogistik zu stecken. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)