Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Elisabeth Kula - Anschlag von Oslo ist Mahnung und Auftrag zugleich

Elisabeth KulaMigration und IntegrationQueer

In seiner 111. Plenarsitzung am 14. Juli 2022 diskutierte der Hessische Landtag zum Anschlag von Oslo. Dazu die Rede unserer Vorsitzenden Elisabeth Kula.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Am 25. Juni wurde ein mutmaßlich islamistischer Anschlag in Oslo verübt. Er richtete sich primär gegen den größten queeren Nachtclub Norwegens, das „London Pub“. Dort schoss der Täter um 1 Uhr morgens in die Menschenmenge. Zwei Menschen wurden getötet und 21 weitere verletzt, zehn davon schwer. Unsere tiefste Anteilnahme gilt den Opfern und deren Angehörigen. Wir wünschen den Verletzten schnelle und vollständige Genesung.

(Beifall DIE LINKE, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Queer-feindliche Gewalt und Anschläge haben vor allen Dingen ein Ziel: queere Menschen einzuschüchtern, sie in die Privatheit und Isolation zu drängen und Angst zu verbreiten. Ich bin stolz, sagen zu können, dass wir queere Menschen uns trotz Jahrzehnten von Gewalt, teilweise auch staatlicher Gewalt, nicht haben einschüchtern lassen. Im Gegenteil, die queere Szene ist global so gut vernetzt und lebendig wie nie zuvor. Sie wird weiter wachsen, bunter werden, sich verändern, neue Gesichter haben, aber vor allen Dingen ist sie kämpferisch und politisch, auch wenn das rechten und religiösen Fundamentalisten nicht gefällt. Wir werden uns nicht verstecken oder mundtot machen lassen.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Auch wenn wir wissen, das in Oslo, das hätte eigentlich auch ich sein können, gilt jetzt erst recht: Flagge zeigen und für die eigenen Rechte zu kämpfen; denn: Stonewall was a riot.

Queer-feindliche Übergriffe und Gewalt sind aber leider auch in Deutschland und in Hessen für viele alltäglich. Allein in den letzten Wochen wurden Angriffe auf queere Menschen in Frankfurt, Marburg und Kassel bekannt. Die Dunkelziffer dürfte allerdings deutlich größer sein. Der Fall in Kassel ist besonders erschreckend, weil dort die Opfer die Polizei gerufen haben, die Beamten dann aber sie statt die Peiniger in Handschellen gelegt haben. Darüber ist später in der documenta-Debatte noch einmal zu sprechen.

Gewalt gegen queere Menschen muss endlich ernster genommen werden, auch in Hessen. Appelle und Sonntagsreden reichen da nicht aus. Es braucht ein Zusammenrücken der Zivilgesellschaft, eine Kultur des Hin- statt Wegschauens und eine konsequente Zurückweisung von queer-feindlichen Aussagen und Gedanken im Alltag, an der Arbeit, in der Schule, an der Uni, im Verein und innerhalb des eigenen Familien- und Freundeskreises.

(Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Und im Hessischen Landtag!)

Aber auch politisch muss sich etwas tun. Teile der Landesregierung schmücken sich zwar gern mit Regenbogenfarben, aber es muss noch mehr kommen als Symbolik. Wir als Linksfraktion haben heute einen Antrag zur Aktuellen Stunde eingebracht, der die beschämende Situation queerer Geflüchteter in Hessen thematisiert.

Im April machte der Lesben- und Schwulenverband per Pressemitteilung auf die Abschiebung eines schwulen Geflüchteten aufmerksam, dem nun im Verfolgerstaat die Todesstrafe droht. Nicht nur das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, sondern auch viele Verwaltungsgerichte halten an der These fest, dass die Geheimhaltung der eigenen Sexualität und demnach das Leben in einem Staat, der diese Sexualität mit dem Tode bestraft, zumutbar sei. Dies widerspricht dem Recht auf Selbstbestimmung und auf Bekenntnis zur sexuellen Orientierung und zur geschlechtlichen Identität.

(Beifall DIE LINKE)

Wir fordern die Landesregierung auf, sich endlich für den Schutz queerer Geflüchteter einzusetzen, Beratungsstellen zu schaffen und endlich diese unwürdige Abschiebepraxis zu beenden.

(Beifall DIE LINKE)

Aber auch an anderer Stelle kann die Landesregierung noch viel mehr tun, um queere Menschen zu unterstützen. Ein erster guter Schritt wäre es, die Maßnahmen aus dem Aktionsplan für Akzeptanz und Vielfalt auch wirklich umzusetzen. Als Beispiel will ich hier nur den Bücherkoffer mit Material zu Regenbogenfamilien für Kitas ansprechen. Dieser ist in Rheinland-Pfalz schon lange Realität. Hier in Hessen landet er in den Schubladen des Sozialministeriums.

Zum Schutz queerer Menschen muss sich auch die hessische Polizei verändern. Der rechte Sumpf muss endlich trockengelegt werden. Die Ansprechperson für gleichgeschlechtliche Lebensweisen muss aufgewertet werden. Das ist nämlich nur eine ehrenamtliche, aber keine hauptamtliche Arbeit. Es braucht verpflichtende Fortbildungen für Akzeptanz und Vielfalt für Landesbeschäftigte während der Arbeitszeit, insbesondere Lehrkräfte und Ansprechpersonen für queere Menschen bei der Staatsanwaltschaft wie beispielsweise in Berlin oder Leipzig.

Es gibt also noch viel zu tun für die Landesregierung, keine Zeit für Selbstbeweihräucherung. Zunächst einmal sehen wir uns hoffentlich fast alle am Samstag in Frankfurt auf dem CSD und setzen ein starkes Zeichen. Wir lassen uns nicht einschüchtern von Hass und Gewalt, egal von wem. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)