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Rede

Elisabeth Kula - Hessens Ministerpräsident Boris Rhein fischt mit Abschiebeoffensive am rechten Rand

Elisabeth KulaInnenpolitikMigration und IntegrationRegierung und Hessischer Landtag

In seiner 126. Plenarsitzung am 26. Januar 2023 diskutierte der Hessische Landtag unsere Aktuelle Stunde zu Forderungen des Ministerpräsidenten Boris Rhein nach einer ‚Abschiebeoffensive‘. Dazu die Rede unserer Vorsitzenden Elisabeth Kula.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren!

In der „Frankfurter Rundschau“ vom letzten Montag, 16. Januar, war ein Interview zu lesen, in dem der Ministerpräsident und Vorsitzende der Hessen-CDU, Boris Rhein, am rechten Rand nach Wählerstimmen fischt. Unter der Überschrift „Viele sind nach Silvester beunruhigt“ verteidigte er die rassistischen Ausfälle des CDU-Parteivorsitzenden Friedrich Merz,

(Manfred Pentz (CDU): Sollen wir noch einmal das Zitat von Frau Nancy Faeser von vorhin vortragen? – Weitere Zurufe – Glockenzeichen)

der arabische Jugendliche als „kleine Paschas“ bezeichnete. Man müsse in der Debatte auch mal zuspitzen dürfen, so der Ministerpräsident.

(Manfred Pentz (CDU): Wir lassen uns von euch nicht sagen, was wir sagen dürfen oder nicht! Sicher nicht von euch!)

Meine Damen und Herren, das war keine Zuspitzung von Herrn Merz, sondern eine rassistische Aussage, und das muss auch so klar benannt werden.

(Beifall DIE LINKE – Unruhe – Glockenzeichen)

Vizepräsident Frank Lortz:

Meine Damen und Herren, Moment bitte. Auch die Zwischenrufe bitte etwas dosiert – im Inhalt, in der Lautstärke, in der Intelligenz.

(Heiterkeit – Zurufe)

– Das gilt für alle hier im Haus, da braucht man gar nicht von links oder rechts zu lachen. Ich behandle hier alle gleich schlecht, das weiß jeder.

(Heiterkeit)

Frau Kollegin Kula, Sie haben das Wort.

Elisabeth Kula (DIE LINKE):

Aber unser Ministerpräsident redet nicht nur dem gefährlichen Unsinn seines Parteivorsitzenden das Wort, sondern ist auch noch Stichwortgeber für ganz rechts außen, wenn er im gleichen Interview von „Zuwanderung in die sozialen Sicherungssysteme“ fabuliert.

(Zuruf: Stimmt doch!)

Anschließend legte er auch noch mit der Forderung nach einer „Rückführungsoffensive“ – übersetzt: jetzt schnell viele Menschen abschieben – nach.

Dann spitze ich eben auch einmal zu. Wenn wir etwas in diesem Land sicher nicht brauchen, dann sind das „kleine Paschas“ der Union, wie etwa Herr Merz, die sich rechts außen anbiedern und damit Öl ins Feuer der rechts vergifteten Debatte kippen, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE und SPD – Robert Lambrou (AfD): Frau Wagenknecht wird das anders sehen, Frau Kollegin! Fragen Sie mal Frau Wagenknecht! – Unruhe – Glockenzeichen)

Aufgrund von Armut, Klimakatastrophe, Krieg und Verfolgung fliehen aktuell so viele Menschen wie nie zuvor aus ihrer Heimat. Mehr als 60 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Nach Hessen kamen im letzten Jahr etwa 100.000 Menschen, die hier Schutz suchten. Ja, das ist eine große Herausforderung, insbesondere für die Kommunen. Die schlagen aktuell Alarm, weil ihnen die Infrastruktur für die Unterbringung und die Versorgung von Geflüchteten fehlt.

(Max Schad (CDU): Das wissen Sie doch gar nicht!)

Warum fehlt sie? – Weil Bund und Land hier kollektiv versagt haben, die nötigen Ressourcen und rechtlichen Rahmenbedingungen zur Verfügung zu stellen, damit die Landkreise und Kommunen dieser Aufgabe auch gerecht werden können, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD – Zuruf Max Schad (CDU))

Zu den nötigen Ressourcen gehören eine bessere finanzielle Ausstattung und die Bereitstellung von Unterbringungsmöglichkeiten.

Auch rechtlich muss sich etwas tun. Die Unterbringung in den zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen – bis zu 18 Monaten –, die wir immer kritisiert haben, führt dazu, dass die Einrichtungen sehr schnell voll sind. Die Wohnsitzauflage zwingt Geflüchtete dazu, in überfüllten Ballungsgebieten, in Gemeinschaftsunterkünften auszuharren, weil sie auf dem regulären Wohnungsmarkt mit anderen armen Menschen um den rar gesäten sozial geförderten Wohnraum konkurrieren. Der ist in Hessen bekanntermaßen so knapp wie nie.

(Zuruf Max Schad (CDU))

Die Landkreise fordern Sie, Herr Rhein, und die Landesregierung auf, endlich zu handeln und sie bei der Unterbringung und Verpflegung besser zu unterstützen. Stattdessen tragen Sie Ihre eigenen Verfehlungen auf dem Rücken der Schutzsuchenden aus.

(Zuruf Manfred Pentz (CDU))

Ich finde das abstoßend, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Und jetzt? Eine Abschiebeoffensive zu fordern, ist auch irreführend. Mit 72 % ist die Anerkennungsquote für Schutzgewährung durch das Bundesamt so hoch wie nie. Im Klartext heißt das, dass die weit überwiegende Mehrheit der – Zitat – „illegal Eingereisten“, von denen Sie gesprochen haben, Menschen mit einem begründeten Schutzbegehren sind. Nehmen Sie das doch bitte endlich einmal zur Kenntnis, und erzählen Sie nicht so einen gefährlichen Unsinn.

(Beifall DIE LINKE – Robert Lambrou (AfD): Was ist denn mit denen, die abschiebepflichtig sind?)

Offensichtlich wollen Sie mit Ihren Äußerungen von dem kollektiven Versagen von Bund und Land ablenken.

Als LINKE stellen wir uns gegen solche Versuche, die Debatten und die Politik nach rechts zu verschieben. Wir verurteilen Stimmungsmache gegen Geflüchtete und Migranten sowie das Gegeneinander-Ausspielen der Schwächsten unserer Gesellschaft. Wir wollen die Landkreise bei der Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten besser unterstützten und in sozialen Wohnungsbau und Integration statt in Abschiebung und Abschottung investieren.

Aber besonders auffällig ist doch das Schweigen der GRÜNEN. Kein Wort vom Koalitionspartner zu dem rechts blinkenden Ministerpräsidenten.

(Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten): Ja, die schweigen da!)

Mich würde interessieren: War die Forderung nach einer solchen Rückführungsoffensive abgesprochen? Teilen Sie diese Auffassung? Kommen denn die Hilferufe aus den Landkreisen bei Ihnen an? – Schweigen im grünen Walde.

Wir als LINKE werden uns dieser Stimmungsmache gegen Geflüchtete und Migranten immer entgegenstellen, egal ob sie von ganz rechts außen oder von der Regierungsbank kommt.

(Beifall DIE LINKE)