Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Elisabeth Kula: Schulen müssen endlich gut ausgestattet und unterstützt werden - auch digital

Elisabeth KulaBildung

In seiner 107. Plenarsitzung am 02. Juni 2022 diskutierte der Hessische Landtag über die Digitalisierung an und von Schulen. Dazu die Rede von Elisabeth Kula, Vorsitzende und bildungspolitische Sprecherin.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vorab: Es gibt in Hessen immer noch Schulen, die nicht ans Internet angeschlossen sind. Das will ich einfach stehen lassen, damit es wirkt. Wir haben im Jahr 2022 immer noch Schulen, die nicht an das Internet angeschlossen sind.

(Torsten Felstehausen (DIE LINKE): Was?)

Andere Schulen sind zwar angeschlossen, aber dort gibt es oftmals leider kein WLAN. Bei den allermeisten mit WLAN ist es so schlecht ausgebaut, dass es gar nicht flächendeckend ausgeleuchtet ist. In einigen Klassenräumen oder Fluren bricht das WLAN regelmäßig zusammen, oder es war nie da.

(Zuruf DIE LINKE: Wie im Landtag!)

Entsprechende Rückmeldungen tragen zu dieser Bestandsaufnahme bei.

Viele Schulen sind noch in der Kreidezeit; daran hat bisher auch kein Digitalpakt etwas ändern können.

(Beifall DIE LINKE – Zuruf Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Dass sich jetzt in dieser Sache etwas mehr bewegt, ist erst einmal gut. Aber das verdanken wir vor allen Dingen der Corona-Pandemie und nicht der Landesregierung. Die Pandemie machte es nämlich notwendig, digitale Geräte zu beschaffen, um Distanz- und Wechselunterricht zu meistern.

Wir haben schon viel darüber diskutiert, dass es immer noch zu wenige Endgeräte an den Schulen gibt, dass diese eigentlich Lernmittel sein müssen, die allen Schülerinnen und Schülern zur Verfügung gestellt werden, auch weil eine Kopplung an eine soziale Bedürftigkeit im Umfeld der Schule durchaus stigmatisierend sein kann. Allen Schülerinnen und Schülern ein funktionsfähiges und leistungsstarkes Tablet zur Verfügung zu stellen, das wäre gerecht, meine Damen und Herren.

Das wäre gerecht, auch um unsozialen Auswüchsen der Digitalisierung im Bildungsbereich wie – der Kollege Promny hat es, glaube ich, angesprochen – Bring your own device einen Riegel vorzuschieben. Wir lehnen das grundlegend ab; denn da können Schülerinnen und Schüler aus wohlhabenden Familien ihr eigenes, privates, teures Gerät mit in die Schule bringen, und Schüler aus einkommensschwachen Haushalten schauen ein bisschen in die Röhre, weil sie entweder gar kein Gerät oder ein altes Gerät haben. Solche Szenarien müssen wir unbedingt verhindern.

(Beifall DIE LINKE)

Leider hatten die Geräte, die jetzt vom Land beschafft wurden, auch keine SIM-Karte mit mobilen Daten.

(Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die wurden nicht vom Land beschafft! – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Schulträger! Die gehören nicht dem Land! Die gehören dem Schulträger!)

Das heißt, die Haushalte, in denen das WLAN irgendwie schlecht war oder die kein WLAN zu Hause hatten, hatten ein echtes Problem im Distanzunterricht. Die beschafften Geräte haben oft auch ohne Betriebssystem – –

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie gehören dem Schulträger! – Gegenruf: Wir haben es gehört! – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN): Aber nicht verstanden!)

– Bitte? Nein, nein, aber das Land hat die beschafft, Herr Frömmrich, also ist das Land auch dafür zuständig, dass die anständige Geräte beschaffen. So einfach können Sie es sich wirklich nicht machen.

Die beschafften Geräte sind auch oft ohne Betriebssystem an den Schulen gelandet. Dort konnte kaum einer etwas mit ihnen anfangen, weil es an den Schulen auch einfach kein Personal gibt, das die warten oder supporten könnte. Sie machen es sich hier wirklich viel zu einfach. Irgendetwas beschaffen und an die Schulen geben, das reicht lange nicht aus, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Immerhin: Es gibt jetzt ein paar Erfahrungen mit digitalen Geräten und Konzepten im Unterricht. Das ist aber auch keine Leistung der Landesregierung. Nein, die Schulen und Lehrkräfte mussten ohne Unterstützung vom Land neue Konzepte erproben und erfinden. Das hat manchmal besser und manchmal schlechter funktioniert.

Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken:

Frau Kula, lassen Sie eine Zwischenfrage von Herrn Falk zu?

Elisabeth Kula (DIE LINKE):

Gerade nicht, sorry, sonst komme ich vielleicht nicht durch.

(Robert Lambrou (AfD): Sie haben doch zehn Minuten!)

Aber spätestens jetzt muss sich der Kultusminister doch ausnahmsweise um Pädagogik kümmern, nämlich, wie jetzt die angeschafften digitalen Geräte und die Infrastruktur im Unterricht eingesetzt werden sollen. Da kam bisher fast gar nichts. Genau da braucht es jetzt aber die Unterstützung und ein Konzept, wie Digitalisierung pädagogisch begleitet werden soll. Ein Blick in andere europäische Länder kann da hilfreich sein, z. B. nach Estland, wo wir als Kulturpolitischer Ausschuss auch hinfahren wollen. Da kann man diesbezüglich sehr viel lernen. Allerdings scheitert es auch immer noch an der Bereitstellung der notwendigen Infrastruktur.

Zwar haben im letzten Jahr endlich alle Schulträger Mittel aus dem Digitalpakt beantragt, aber die konkrete Umsetzung der Projekte ist noch lange weder anvisiert noch abgeschlossen. Das liegt auch daran, dass der Digitalpakt viel zu kompliziert gestaltet ist. Das haben wir auch von Anfang an bemängelt. Das Antragsprozedere fußt auch auf pädagogischen Konzepten der einzelnen Schulen, wozu sie dann eigentlich digitale Infrastruktur brauchen. Die Schulen müssen bei uns begründen, warum sie digitale Infrastruktur brauchen.

Meine Damen und Herren, ich finde, das zeigt schon, wo wir beim Thema Digitalisierung stehen; denn bei den hessischen Schulen müssen doch vor allem erst einmal grundlegende Sachen bereitgestellt werden, beispielsweise ein WLAN-Anschluss. Die meisten Sachen, die über den Digitalpakt finanziert werden sollten, waren doch wirklich grundlegende Investitionen. Da braucht es doch wirklich keine pädagogische Begründung. Nein, das ist alles viel zu kompliziert gedacht. Deswegen dauert das viel zu lang.

(Beifall DIE LINKE)

Aber auch bei anderen Projekten bekommt es die schwarzgrüne Landesregierung anscheinend einfach nicht hin. Im Jahr 2021 wurden endlich dienstliche E-Mail-Adressen für Lehrkräfte eingeführt. Da kann man eigentlich sagen: Na endlich, ist doch eigentlich ganz gut. – Aber die Nutzung ist eher mau unter den Lehrkräften, unter anderem, weil die Laptops, die auch endlich für Lehrkräfte beschafft wurden, diese E-Mails zu Beginn überhaupt nicht abrufen konnten, meine Damen und Herren.

Was ist das denn für ein Irrsinn? Da fragt man sich wirklich: Warum haben wir eigentlich ein Digitalministerium, wenn wir so etwas Einfaches nicht hinbekommen? Ich finde das eher peinlich.

Das nächste Desaster ist das landeseigene Videokonferenzsystem. Darüber haben wir auch schon ein bisschen gesprochen. Ich finde es ausdrücklich richtig, sich nicht auf große multinationale Konzerne zu verlassen, da dort oft datenschutzrechtliche Bedenken im Vordergrund stehen. Das finde ich auch richtig. Aber das Videokonferenzsystem sollte bereits zum letzten Schuljahr flächendeckend an den Start gegangen sein. Gestern musste der Kultusminister doch zähneknirschend zugeben, dass es auch noch alles andere als sicher ist, ob es überhaupt zum nächsten Schuljahr kommen wird, schlicht, weil das Ausschreibungsverfahren angreifbar war. Da muss man gerade im Hinblick auf Ihre beleidigenden Bemerkungen gegen meine Fraktionskollegin in der Fragestunde schon einmal sagen: Sie scheinen es einfach nicht hinzubekommen mit dem Videokonferenzsystem, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE – Alexander Bauer (CDU): Das ist auch nicht freundlich!)

– Das war nicht freundlich, aber, wenn man austeilt, dann muss man das natürlich auch einstecken können.

(Alexander Bauer (CDU): Das stimmte aber doch!)

Ob wir in dieser Legislaturperiode noch ein landeseigenes Videokonferenzsystem bekommen, daran mache ich ein großes Fragezeichen.

(Alexander Bauer (CDU): Woran liegt das denn? Wir haben einen Rechtstaat!)

Die Freien Demokraten sind mittlerweile schon ein wenig zu einer Ein-Themen-Partei geworden.

(Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten): Das kann man aber nicht sagen! – Alexander Bauer (CDU): Mehr als Reichensteuer haben Sie auch nicht!)

  • Ja, das ist vielleicht ein bisschen gemein, aber es ist schon sehr viel Digitalisierung hier, Digitalisierung da. „Digitalisierung first. Bedenken second.“

(Beifall DIE LINKE – Zurufe Freie Demokraten)

  • Das war ja nicht meine Aussage, sondern das, was beiIhnen herauskommt.

(René Rock (Freie Demokraten): Ach so, wir dachten, Sie hätten das verstanden!)

  • Nein, nein, nein, nein, jetzt hören Sie einmal zu, dann wissen Sie auch, warum ich das nicht so gut finde. Wenn man sich nämlich die Katastrophen aus dem Kultusministerium anschaut, dann, finde ich

(Dr. Matthias Büger (Freie Demokraten): Da können die nichts dafür!)

  • nein, nein –, wäre es auch richtig, etwas vorsichtiger zu sein und ein bisschen mehr darüber nachzudenken, was man schlussendlich macht. Auch bei der Digitalisierung kann das nicht schaden.

In Ihrem Antrag steht viel Richtiges. Gerade die Idee mit dem Digitalisierungsbudget finde ich interessant. Das kann man sich tatsächlich überlegen. Generell muss gelten: Dauerfinanzierung für Daueraufgaben, und das auch an den Schulen. – Ja, Digitalisierung ist eine Daueraufgabe. Da reicht es einfach nicht, einmalige Investitionen zu tätigen. Damit ist es nicht getan. Das muss auch die Landesregierung verstehen, dass die Kommunen das nicht alleine schaffen können, meine Damen und Herren.

Bei anderen Punkten sind wir aber auch schon skeptischer, gerade was den Einsatz von KI im Unterricht angeht. Da haben wir noch viele Fragen. Da muss man schon ein paar Bedenken äußern und auch ernst nehmen. Man muss genau hinschauen, weil KI natürlich nicht neutral agieren kann, weil sie über Algorithmen funktioniert. Die sind oft zutiefst vorurteilsbehaftet. Da muss man eben im Unterricht eher vorsichtig sein. Ob eine datengestützte Schulentwicklung mit diesem Kultusminister wirklich möglich ist – der kennt nicht einmal den Krankenstand seiner eigenen Lehrkräfte –, wage ich stark zu bezweifeln.

Also, es gibt noch viel zu tun. Nicht alles, was die Freien Demokraten schnell umsetzen wollen, ist an den Schulen am richtigen Platz; aber die Landesregierung bekommt die Digitalisierung irgendwie nicht so richtig praxistauglich auf den Weg.

(Dr. Matthias Büger (Freie Demokraten): Das liegt aber an der Landesregierung!)

Daher ist das eine gute Initiative, aber wir können inhaltlich nicht ganz mitgehen.

(Beifall DIE LINKE)