Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Elisabeth Kula: Schwarzgrün heißt auch unter Rhein ‚Weiter-So‘ - es braucht einen Politikwechsel

Elisabeth KulaRegierung und Hessischer Landtag

In seiner 106. Plenarsitzung am 01. Juni 2022 führte der Hessische Landtag eine Generaldebatte zur Politik von Schwarzgrün, an der auch der neu gewählte Ministerpräsident Boris Rhein nichts ändern wird. Dazu die Rede unserer Vorsitzenden Elisabeth Kula.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Bellino, mich wundert schon, wie breitbeinig Sie von der CDU-Fraktion hier auftreten. Ich darf Sie an ein paar vielleicht schmerzliche Dinge erinnern: Privatisierung des UKGM – eine Katastrophe, Flughafen Kassel-Calden – ein Flop, Leo-Immobiliengeschäft – ein hessisches Waterloo. Alle CDU-Leuchttürme in Hessen sind abgebrannt.

Meine Damen und Herren, dass hier so eine breitbeinige Rede von Herrn Bellino kommt, das ist nur ein Ablenkungsmanöver dafür, dass die CDU in Hessen endlich abgewählt gehört.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Alle Leuchttürme sind abgebrannt. Vom Law-and-OrderMann oder schwarzen Sheriff zum Landesvater – diese wundersame Wandlung hat Volker Bouffier in seiner politischen Karriere so hinbekommen, dass er sich trotz zahlreicher Skandale und Affären in seinen Ämtern halten konnte, erst als umstrittener Innenminister und dann als sich gemäßigt gebender Ministerpräsident. Das ist eine große persönliche Leistung, kann man so sagen. Sein politisches Erbe ist allerdings deutlich kritischer zu beurteilen.

Er war zuletzt zwölf Jahre Hessischer Ministerpräsident und wollte sich als Nachfolger von Roland Koch von dessen erbarmungslosem und hartem Politikstil lossagen. Das hat er auch. Trotz seines Rufs als schwarzer Sheriff im Innenministerium hat er das durchaus geschafft. Er wirkte zuletzt etwas versöhnlicher und trat als eine Art Landesvater auf.

Das kann und darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Politik, die er als Ministerpräsident prägte, weiterhin urkonservativ und mitunter auch marktradikal war. Er setzte sich für die Verankerung der Schuldenbremse in der Hessischen Verfassung ein, lehnte die Adoption von Kindern durch gleichgeschlechtliche Paare lange ab, war für Steuervereinfachungen und paktierte mit Stromkonzernen und Atomkraftbetreibern wie EnBW, E.ON und RWE, damit sie Schadenersatz in Höhe von rund 880 Millionen € vom Land Hessen erhalten konnten.

In seinem Kabinett genossen skandalträchtige Ministerinnen und Minister wie Herr Beuth und Frau Kühne-Hörmann weiter Solidarität, und die Politik der schwarz-grünen Landesregierung unter Volker Bouffier stand oft der der LINKEN diametral entgegen. Auf dem Feld der Sozialpolitik blieben effektive Maßnahmen zur Bekämpfung von Armut aus. Statt für Rahmenbedingungen zu sorgen, die die Armutsgefährdung verhindern, hat Schwarz-Grün in den letzten Jahren dabei zugeschaut, wie die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergegangen ist. Fast jedes vierte Kind in Hessen ist von Armut bedroht. Was für ein Armutszeugnis – im wahrsten Sinne des Wortes – für diese Landesregierung.

Auch in der Bildungspolitik kann von einer an sich bitter notwendigen Verbesserung der Rahmenbedingungen nicht die Rede sein. Herr Bellino, Investitionen insbesondere im Ganztagsschulbereich wurden lange verschlafen oder nach unten abgewälzt. Schulgebäude sind marode, und es herrscht ein eklatanter Fachkräftemangel.

Die Innenpolitik ist weiterhin fest in der Hand der Hessen-CDU und ist auch unter Schwarz-Grün eine Abfolge von Skandalen. Als Lehre aus dem NSU-Komplex hätten eine striktere Kontrolle des Inlandsgeheimdienstes Verfassungsschutz und eine Intensivierung des Kampfes gegen rechts auf der Tagesordnung stehen müssen. Stattdessen erhielt der Geheimdienst zusätzliche Mittel, und die von der Hessen-CDU betonte Law-und-Order-Politik war auch unter dem Ministerpräsidenten Bouffier traurige Realität in Hessen.

(Beifall DIE LINKE)

In Sachen Abschiebungspolitik agierte die Landesregierung weiter besonders gnadenlos, auch unter stillschweigender Zustimmung der GRÜNEN.

In der Klima- und Energiepolitik blieb Schwarz-Grün vage und wenig ambitioniert. Neben Absichtserklärungen zum Klimaschutz wurden bei dem Bau von umstrittenen Autobahnen und dem Ausbau des Flughafens in Frankfurt Fakten geschaffen.

Die politische Bilanz von Schwarz-Grün ist unter dem Strich ein reines „Weiter so“, ein Verwalten des Status quo, und dieser ist für einen großen Teil der Menschen ein echtes Problem. Explodierende Mieten und Lebenshaltungskosten, marode Sozialsysteme, Armutsrenten, prekäre Jobs und ein Bildungssystem, das soziale Ungleichheit zementiert, statt sie auszugleichen – das ist die Realität von vielen Hessinnen und Hessen.

Der Wechsel von Boris Rhein an die Spitze der Landesregierung wird daran nichts, aber überhaupt nichts ändern. Auch Boris Rhein ist Fleisch vom Fleische der HessenCDU. Er steht nicht für Aufbruch und Erneuerung, im Gegenteil. Als Innenminister höchst umstritten, als Oberbürgermeisterkandidat in Frankfurt krachend gescheitert und als Minister für Wissenschaft und Kunst vollkommen farblos geblieben, übernimmt er nun das Amt des Ministerpräsidenten. Eine inhaltliche Neuausrichtung ist mit ihm sicherlich nicht verbunden, und Absichtserklärungen und warme Worte, wie sie von Ihnen, Herr Rhein, gestern Abend im Hessischen Rundfunk geäußert wurden, reichen einfach nicht mehr aus.

(Unruhe – Glockenzeichen)

Ich sage einmal so: Die Botschaft höre ich wohl, allein, mir fehlt der Glaube.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Unter Boris Rhein wird Schwarz-Grün nicht sozialer, nicht ökologischer, nicht antifaschistischer. Ich meine, Peter Beuth ist immer noch Innenminister. Die Koalition bekommt nur ein jüngeres und etwas jovialeres Gesicht.

(René Rock (Freie Demokraten): Das ist schon einmal ein Kompliment!)

Aber, meine Damen und Herren, das reicht nicht. Es braucht jetzt ein Umsteuern, einen echten Politikwechsel. Wir müssen jetzt die Weichen stellen für einen sozial-ökologischen Umbau der Wirtschaft und Gesellschaft.

(Unruhe – Glockenzeichen)

Jetzt braucht es beherzte Investitionen in die Zukunft: in Bildung, in den ÖPNV, in Kliniken, in öffentliche Infrastruktur. Es braucht Bewegung, um die Schuldenbremse endlich abzuschaffen, Wohnen wieder bezahlbar zu machen, sich für Verteilungsgerechtigkeit starkzumachen und Politik auf Augenhöhe mit den Menschen zu machen statt von oben herab.

Nur so kann das Vertrauen in die Politik wiederhergestellt werden. Frau Wallmann hat gestern richtigerweise auf die sinkende Wahlbeteiligung hingewiesen. Die Mehrheit der Menschen in Hessen muss merken, dass Politik für ihre Interessen gemacht wird statt gegen sie. Die Pflegekraft, der Busfahrer, die Kassiererin, der Erzieher – diese Leistungsträger unserer Gesellschaft und ihre Sorgen und Interessen müssen in den Mittelpunkt der Landespolitik gerückt werden, sodass es spürbare Verbesserungen gibt, die bei den Menschen landen, damit sie nicht einfach denken: Wer regiert, ist doch eh egal.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Weder der Austausch eines Ministerpräsidenten noch ein reiner Farbenwechsel der regierungstragenden Fraktionen ist ausreichend. Es braucht einen echten und relativ radikalen Politikwechsel. Dafür braucht es weiterhin eine starke LINKE im Hessischen Landtag.

(Beifall DIE LINKE)