Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Elisabeth Kula - Soziale Spaltung in Hessen wird sich mit diesem Haushalt weiter vertiefen

Elisabeth KulaGesundheitHaushalt und FinanzenRegierung und Hessischer LandtagSoziales

In seiner 121. Plenarsitzung am 06. Dezember 2022 diskutierte der Hessische Landtag zur Zweiten Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Hessen für die Haushaltsjahre 2023 und 2024. Dazu die Rede unserer Fraktionsvorsitzenden Elisabeth Kula.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Gestern wurde der lang ersehnte Landessozialbericht vorgestellt. Der Sozialminister hatte ja versprochen, dass der Bericht im Sommer kommen sollte. Jetzt ist er da, kurz bevor meine Kollegin Christiane Böhm Sie in dieser Woche in der Fragestunde fragen konnte, wie lange in Hessen eigentlich der Sommer dauert. Aber, nun gut: Der Bericht liegt jetzt vor.

Sommerlich wird einem beim Lesen sicherlich nicht zumute. Im Gegenteil, die soziale Kälte in diesem reichen Bundesland verschlägt einem immer wieder den Atem.

(Beifall DIE LINKE)

Seit zehn Jahren wächst die Armut in Hessen kontinuierlich an. Mittlerweile sind jede zweite Alleinerziehende und jedes vierte Kind in Hessen arm. Hinter diesen anonymen Zahlen verbergen sich reale Menschen, Schicksale und Existenzen. Zum Beispiel Shatrinja, die auf Twitter unter dem Hashtag „IchBinArmutsbetroffen“ schreibt:

Wenn du [#IchBin]Armutsbetroffen bist, bist du es an 365 Tagen. Es gibt keine Wochenenden oder Urlaub davon. Du versuchst es jeden Tag zu verbergen. Gehst mit Herzklopfen und dem Taschenrechner im Kopf in den Discounter. Stress und Angst begleiten dich. Armut macht keine Pause.

Meine Damen und Herren, Armut ist kein abstraktes Phänomen. Sie hat reale Gesichter und Namen, und ihre Quote steigt immer weiter und weiter. Dass wir in Hessen eine beschämend hohe Armutsquote haben, die auch deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegt, das wissen wir schon länger. Jetzt kommen noch Inflation und Krise dazu. Viele Menschen, die am Rande der Armut leben, werden jetzt bei der Preisexplosion besonders belastet und drohen endgültig in Armut abzurutschen. Aber wir haben kein Erkenntnisproblem, wir haben in Hessen ein Umsetzungsproblem.

(Beifall DIE LINKE)

Die Landesregierung weigert sich schlichtweg, Armut endlich den Kampf anzusagen. Das setzt sich jetzt auch in diesem Haushalt und in Ihrem Hilfspaket – oder sollte ich besser „Päckchen“ sagen? – fort. Die Aufgaben der Landesregierung in dieser sozialen Krise sind doch die Abfederung und die gerechte Verteilung der Krisenlasten.

Der von Ihnen vorgelegte Haushalt lässt an keiner Stelle erkennen, dass Millionen Menschen, viele soziale Träger und kleine Unternehmen vor dem Ruin stehen. Maßnahmen zur Abfederung der Krise tauchten bisher nicht auf, und das von Schwarz-Grün gemeinsam mit SPD und FDP vorgelegte Päckchen kann doch nicht wirklich Ihr Ernst sein.

Im September wurden Landeshilfen für den Winter angekündigt, und jetzt – drei Monate später – legen Sie das vor, was Sie seitdem in vielen Pressekonferenzen schon lange angekündigt haben.

Warum hat das jetzt so lange gedauert, endlich dieses kleine Maßnahmenpaket auf den Weg zu bringen? Die Verhandlungen mit SPD und FDP können es nicht gewesen sein. Die haben ja anscheinend darauf verzichtet, überhaupt Anforderungen an ein solches Paket zu stellen, weil am Ende nur das rauskommt, was die Landesregierung schon im September angekündigt hatte.

(Beifall DIE LINKE)

Schauen wir es uns doch einmal an: Erst einmal mogeln Sie sich die Zahlen schön. Am Montag bei der Pressekonferenz war von über 3 Milliarden € die Rede. Ein Großteil davon sind lediglich Bürgschaften. Die konkreten Hilfen des Landes belaufen sich nur auf 200 Millionen €, und wenn man die Darlehen der WIBank abzieht, dann sind wir nur noch bei rund 100 Millionen €. Davon sind gerade einmal 30 Millionen € für einen Härtefallfonds vorgesehen, der Menschen unterstützen soll, denen Energiesperren drohen.

Nur einmal zum Vergleich: Allein für Frankfurt, das auch einen eigenen Härtefallfonds auflegen will, sind 50 Millionen € im Gespräch. In Thüringen, das nur ein Drittel so viele Einwohner wie Hessen hat, stehen 60 Millionen €, also doppelt so viel, zu Verfügung.

Da bleibt doch eher der Eindruck, dass Menschen, die in Armut leben, nicht ganz oben auf der Prioritätenliste der Landesregierung stehen, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Gleiches gilt auch für soziale Träger, Kultureinrichtungen, Sportvereine und Bildungsinitiativen. Für die alle zusammen stehen nämlich auch gerade einmal 30 Millionen € zur Verfügung. Nur einmal zur Veranschaulichung: Wir haben über 7.000 Sportvereine in Hessen, die aktuell mit einer Verdreifachung der Energiekosten im nächsten Jahr rechnen. Schon bei kleinen Vereinen sind das schnell bis zu 50.000 €. Wenn wir jetzt davon ausgehen, dass nur ein Drittel der Vereine der Unterstützung bedarf, um überleben zu können – was ja konservativ gerechnet wäre –, dann wären wir schon bei einer Summe von rund 100 Millionen €.

Da haben wir noch über kein Kino gesprochen, keinen Verein zur Hausaufgabenhilfe und keine Sozialverbände. Wir bleiben dabei: Dieses Hilfspäckchen greift viel zu kurz und lässt viele auf der Strecke.

(Beifall DIE LINKE)

Springt das Land jetzt nicht ein, werden die Belastungen für die Hessinnen und Hessen immer weiter zunehmen. Kommunen und Einrichtungen werden die Gebührenschraube anziehen, und der soziale Frieden wird weiter gefährdet.

Ich weiß nicht, warum SPD und FDP hier so mitmachen. Für uns ist klar: Die Lasten dieser Krise dürfen nicht auf dem Rücken der Schwächsten in der Gesellschaft ausgetragen werden. Als LINKE haben wir eine Sozialgarantie in der Krise mit einem Programm in Höhe von 2 Milliarden € gefordert, damit im Winter niemand frieren muss und die soziale Infrastruktur in Hessen geschützt wird.

Weil immer gesagt wird, das seien irgendwelche Zahlen aus dem Wolkenkuckucksheim: Das ist nicht der Fall. Der Paritätische Wohlfahrtsverband in Hessen hat selbst einen zweistelligen Milliardenbetrag in der Krise eingefordert.

Als besonders schützenswert muss man in Hessen aber auch bestimmte Teile der Gesundheitsversorgung einstufen. In Dillenburg musste jetzt eine Geburtsklinik schließen. In Melsungen steht sie kurz vor dem Aus.

(Zuruf Günter Rudolph (SPD))

Die Hessische Krankenhausgesellschaft, die nicht gerade unter Verdacht steht, eine linke Vorfeldorganisation zu sein, befürchtet, dass die Energiekrise das Kliniksterben in Hessen weiter beschleunigen könnte.

Jetzt könnte man meinen, der Sozialminister habe rund 1 Milliarde € für Krankenhausinvestitionen versprochen. Der Ministerpräsident hat es auch noch einmal angekündigt. Aber wenn man genau hinschaut, muss man feststellen, dass diese Milliarde in erster Linie nicht vom Land, sondern von den Kommunen kommt. Auch das, meine Damen und Herren, ist nichts Neues bei dieser Landesregierung.

(Beifall DIE LINKE)

Nur 10 % der versprochenen Mittel sind tatsächlich originäre Landesmittel. Dezidierte Hilfen für Krankenhäuser in der Energiekrise sucht man in Ihrem Hilfspaket obendrein vergeblich; das alles bei einem Bundesgesundheitsminister, der erst die Abschaffung der Fallpauschalen angekündigt hat, nur um sie jetzt lediglich minimal abzumildern.

In Hessen brauchen wir nicht nur mehr Geld für Kliniken, sondern vor allem einen Plan, wie wir Gesundheitsversorgung flächendeckend für alle gewährleisten können. Aber auch davon will diese Landesregierung schlichtweg nichts wissen. Dazu bräuchte es nämlich endlich gute Arbeitsbedingungen in der Kranken- und Altenpflege. Um diese umzusetzen, müsste man sich im Zweifel auch mit den großen Klinikkonzernen anlegen. Vor denen hat die Landesregierung aber leider scheinbar mehr Angst als vor schlechter werdender Gesundheitsversorgung in Hessen.

Anders ist es auch nicht zu erklären, dass sich die Wissenschaftsministerin Dorn von Asklepios und Rhön-Klinikum AG in Sachen Uniklinikum Gießen und Marburg hat am Nasenring durch die Manege ziehen lassen, ohne dass es irgendwelche Konsequenzen seitens des Landes gibt. Das einzige privatisierte Uniklinikum in ganz Deutschland ist zum Spielball profitorientierter Konzerne geworden.

Asklepios hat im Sommer den Zukunftsvertrag mit dem Land einseitig aufgekündigt. Jetzt musste neu verhandelt werden. Dass es überhaupt zu einer Einigung kam, ist erst einmal gut für den Standort, für die Patientinnen und Patienten, für die Beschäftigten; denn die Rhön-Klinikum AG drohte schon mit der Zerschlagung des Klinikums und der Ausgliederung ganzer Bereiche.

Das ist jetzt erst einmal vom Tisch, und das gibt erst einmal Sicherheit. Ohne den Protest der Beschäftigten in den letzten Wochen wäre das sicherlich so nicht möglich gewesen. Deswegen noch einmal: Danke an die Beschäftigten, die sich am Uniklinikum in diese Streiks und in diesen Protest eingebracht haben.

(Beifall DIE LINKE)

Aber das Problem liegt doch viel tiefer. Durch den Verkauf unseres Klinikums hat man sich erpressbar gemacht. Jetzt muss das Land für die neue Vereinbarung ganz schön tief in die Tasche greifen. Fast 500 Millionen € an öffentlichen Mitteln sind vereinbart. Aber leider hat man es verpasst, diesen Erpressungsversuch von Asklepios und Rhön-Klinikum AG zu nutzen, um das UKGM in öffentliche Hand zu bringen oder es zumindest zu versuchen. Dafür wäre in diesem Jahr ein Fenster gewesen, und das haben Sie selbst zugeschlagen. Dafür müssen Sie auch die Verantwortung übernehmen.

Wir als LINKE haben gemeinsam mit ver.di und der Rosa-Luxemburg-Stiftung ein Gutachten vorgelegt, wie eine Vergesellschaftung des UKGM möglich wäre. Wir bleiben dabei: Für eine langfristig gute Gesundheitsversorgung und gute Arbeitsverhältnisse müssen wir das UKGM zurück in öffentliche Hand bringen. Mit Angst im Nacken kommt man nicht weit. Als LINKE sind wir auch weiterhin bereit, uns dafür mit den großen Klinikkonzernen anzulegen.

(Beifall DIE LINKE)

Frau Dorn legt sich scheinbar lieber mit den Studierenden in Hessen an. Für die sind nämlich so gut wie keine Hilfsmaßnahmen in der Krise geplant. Dabei waren es doch die Studierenden, die schon in der Corona-Krise zurückstecken mussten. Viele mussten ihr Studium abbrechen oder denken aktuell darüber nach, weil sie es sich nicht mehr leisten können.

Die soziale Lage der Studierenden ist dramatisch. Studierendenwerke und Studierendenvertretungen schlagen Alarm. Mittlerweile sind 30 % der Studierenden von Armut betroffen; bei alleinstehenden Studierenden sind es sogar fast 80 %. Zu den explodierenden Mietpreisen kommen jetzt noch gestiegene Lebenshaltungskosten; und auch die eigentlich sozialverträglichen Mensapreise ziehen ordentlich an.

Jetzt stellt die Landesregierung gerade einmal 5 Millionen € für die Studierendenwerke zur Verfügung, die aber auch die Wohnheime betreiben und die dort ebenfalls mit gestiegenen Kosten konfrontiert sind, da viele Gebäude eben nicht energetisch instand gesetzt wurden. Dafür braucht es jetzt endlich ein Landesprogramm. Außerdem muss endlich ein Turbo beim Ausbau der Wohnheimplätze eingelegt werden. Meine Damen und Herren, das Ziel muss doch sein, für 20 % der Studierenden endlich einen Wohnheimplatz zur Verfügung stellen zu können.

Es braucht jetzt aber auch eine direkte Unterstützung für Studierende. Wir haben einen Vorschlag gemacht. Wir als LINKE wollen den Studierenden den Verwaltungskostenbeitrag für das Winter- und Sommersemester erstatten und das 9-€-Ticket für sie und für weitere Gruppen weiterführen. Das wäre ein echter Beitrag, um die soziale Lage der Studierenden zu verbessern. Aber leider kommt da nichts von der Landesregierung. Dann müssen Sie sich auch nicht wundern, wenn Studierende und Beschäftigte streiken und sich wehren; denn es darf nicht noch eine weitere Krise auf dem Rücken unserer Bildungseinrichtungen ausgetragen werden.

(Beifall DIE LINKE)

Aber schon vor Krieg und Krise waren die Preise hoch. Besonders die Mietpreise machen Menschen seit Jahren das Leben schwer. Nur in München ist es teurer, zu wohnen, als in Frankfurt; und auch Darmstadt, Wiesbaden und zunehmend auch Offenbach sind für viele Normalverdiener kaum noch erschwinglich.

Die hessischen Haushalte, die zur Miete wohnen, haben im Jahr 2018 im Schnitt 28,2 % ihres Nettoeinkommens für die Miete ausgegeben. Bei Menschen mit geringem Einkommen waren es rund 38 % – Tendenz steigend. Die Mieten steigen schneller als die Löhne. Angesichts der gestiegenen Energie- und Lebenshaltungskosten ist es kaum verwunderlich, dass wieder mehr junge Familien aus den Städten aufs Land ziehen; aber auch in unseren Mittelzentren ist die Mietpreisexplosion schon angekommen.

Schon vor der aktuellen Krise waren Mietenwahnsinn und Wohnungsnot für viele Menschen ein echtes Desaster: horrende Mieten, Verdrängung durch Luxussanierung und Modernisierung, kaum bezahlbarer Wohnraum trotz leer stehender Häuser, endlose Wartelisten für Sozialwohnungen und Wohnheimplätze für Studierende, eine landeseigene Wohnungsgesellschaft, die weiter Mieten erhöht und Wohnungen verkauft, und eine Landesregierung, die viel zu wenig unternimmt, um Mietenwahnsinn und Wohnungsnot wirksam zu bekämpfen.

Meine Damen und Herren, das war die Situation vor der aktuellen Krise. Jetzt kommen eben die Energie- und Nebenkosten dazu. Der Härtefallfonds, den Sie eingerichtet haben, mit nur 30 Millionen € für Haushalte, die von Energiesperren bedroht sind, wird diese Belastung flächendeckend nicht abfedern können.

Immerhin haben Sie sich durchringen können, ein Kündigungsmoratorium für Mieterinnen und Mieter der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft umzusetzen und die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften aufzufordern, dasselbe zu tun. Aber Sie könnten ebenso einen Mietenstopp für die Nassauische Heimstätte verhängen und dort in Zukunft auf die Veräußerungen von Wohnungen verzichten, um bezahlbaren Wohnraum in Hessen auch in der Fläche weiterhin anbieten zu können.

Die meisten Menschen wohnen aber in privaten Mietwohnungen. Auch sie brauchen Schutz vor Kündigung und Zwangsräumung. Da muss auch endlich die Bundesregierung aus dem Quark kommen; und die Landesregierung sollte sich dafür auch auf Bundesebene einsetzen.

Ein Grund, warum bezahlbarer Wohnraum in Hessen knapp ist, ist die geringe Anzahl an Sozialwohnungen. Die ist nämlich mitten in der Krise auf einem historischen Tiefstand. Noch nie gab es so wenige Wohnungen mit sozialer Bindung in Hessen. Das geht eindeutig zulasten der Menschen mit geringem Einkommen. Dafür trägt der grüne Wohnungsbauminister die Verantwortung. Auch jetzt sind weniger Neubauten geplant als im Vorjahr. Wenn der Minister dann vollmundig von einer „Trendwende“ spricht, wenn die Anzahl der Sozialwohnungen auf einem historischen Tiefstand stagniert, dann ist das nichts anderes als Augenwischerei.

(Beifall DIE LINKE)

46.000 Menschen stehen aktuell auf Wartelisten für eine Sozialwohnung in Hessen. Als LINKE fordern wir schon lange, 10.000 Sozialwohnungen im Jahr zu schaffen, um die Zerfleischung auf dem Wohnungsmarkt, die Mieter tagtäglich erleben, zu beenden. Um den Trend wirklich einmal umzukehren, müssten wir umsetzen, dass die Sozialbindungen nicht mehr auslaufen – einmal sozial gebunden, immer sozial gebunden. Das wäre ein echter Paradigmenwechsel im Sinne der Mieterinnen und Mieter. Es bleibt dabei: Wohnungspolitisch ist diese Landesregierung auch in der Krise ein Totalausfall.

(Beifall DIE LINKE)

Viele Menschen im Rhein-Main-Gebiet, die unsere Gesellschaft am Laufen halten, wie Pflegekräfte, Busfahrerinnen und Busfahrer, können so gut wie keine auskömmliche Wohnung in der Stadt finden, in der sie arbeiten. Wir verdrängen diejenigen, die wir brauchen, damit die Stadt funktioniert, an den Rand oder raus in das Umland.

Wer sich aber mittlerweile ebenfalls kaum noch eine auskömmliche Wohnung leisten kann, sind Grundschullehrerinnen und -lehrer, zumindest, wenn sie die Wohnung allein bezahlen müssen. Diese werden in Hessen nämlich weiterhin schlechter bezahlt als die Kolleginnen und Kollegen anderer Schulformen. Damit hat Hessen mittlerweile wirklich fast ein Alleinstellungsmerkmal. Neben Hessen weigern sich nur noch Rheinland-Pfalz, das Saarland, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt, die Kolleginnen und Kollegen an den Grundschulen gleichzustellen. Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, aber auch Bayern haben sich auf den Weg gemacht, A 13 für alle einzuführen. Nur in Hessen weigert sich der Kultusminister, die Lehrkräfte – gerade im Grundschulbereich – mit A 13 zu bezahlen, trotz des Lehrkräftemangels. Das ist wirklich unverständlich, und daher muss die Landesregierung endlich handeln.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Dann muss man sich auch nicht wundern, wenn sich Studienabgänger in anderen Bundesländern bewerben und sich der Lehrkräftemangel weiterhin verschärft. Das geht dann wieder zulasten der Kolleginnen und Kollegen, die schon jetzt an den Grundschulen in Hessen arbeiten. Wir brauchen endlich eine Aufwertung des Grundschullehramts mit einer Bezahlung nach A 13, aber auch bessere Arbeitsbedingungen. Hessen hat nämlich die höchste Pflichtstundenzahl aller Bundesländer im Grundschulbereich. Viele Grundschulen sind auch baulich in einem schlechten Zustand.

Wie groß der Sanierungsstau eigentlich an hessischen Schulen ist, wissen wir nicht, weil sich die Landesregierung schlichtweg weigert, ihn zu erheben. Dann käme nämlich ein ziemlich erschreckendes Bild zutage, welches man lieber nicht sehen will; und der Kultusminister könnte sich dann nicht mehr wegducken. Die GEW hat den Sanierungsstau an hessischen Schulen auf rund 5 Milliarden € geschätzt. Der Schulbau ist zwar Schulträgersache, aber wir müssen feststellen, dass der Zustand der Schulen in Hessen in der Fläche sehr variiert und viele Schulträger schlichtweg finanziell nicht in der Lage sind, ihre Schulen adäquat zu sanieren und auszubauen.

Wir dürfen auch nicht vergessen, dass mit dem Rechtsanspruch auf den Ganztag im Grundschulbereich Mensen und Aufenthaltsräume geschaffen werden müssen. Das kommt dann zum Sanierungsstau noch obendrauf. Im Koalitionsvertrag – so viel zum Thema „eingehaltene Versprechen“, Herr Wagner – hat Schwarz-Grün ein weiteres Investitionsprogramm für die Schulen versprochen. Ein Jahr vor der Landtagswahl müssen wir feststellen: Versprechen gebrochen.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, als LINKE haben wir einen Gesetzentwurf eingebracht, mit dem das Land den Kommunen 2 Milliarden € – quasi an der Schuldenbremse vorbei – für den Schulbau zur Verfügung stellen könnte. Entgegen allen parlamentarischen Gepflogenheiten haben CDU und GRÜNE jedoch eine Anhörung zu diesem Gesetzentwurf verweigert, wahrscheinlich, weil sie genau wissen, welche Rückmeldung sie beim Thema Sanierungsstau in einer Anhörung zu hören bekommen würden.

Insgesamt ist die Bilanz dieses Kultusministers verheerend: Die größten Probleme im Bildungsbereich werden entweder nicht bearbeitet oder auf die lange Bank geschoben. Der Lehrkräftemangel und der Ausbau des Ganztags an den Grundschulen sind dafür Paradebeispiele. Sie feiern sich jetzt für 4.000 neue Stellen für die Schulen im Haushalt, aber das ist pure Augenwischerei. Stellen unterrichten keine Kinder, meine Damen und Herren; Lehrkräfte unterrichten Kinder, und Lehrkräfte gibt es aktuell viel zu wenige. Daher müssen wir endlich etwas gegen diesen Mangel tun. Also: Schmücken Sie sich nicht mit Stellen, die Sie sowieso nicht besetzen können.

(Beifall DIE LINKE)

Sie schieben die Verantwortung immer wieder nach unten ab und lehnen sich zurück. Bei diesem Kultusminister könnte man sich wirklich fragen, was er eigentlich beruflich macht. Vielleicht sollte er einmal ein Praktikum an einer Grundschule machen, damit er einen Eindruck davon hat, welche Auswirkungen seine Politik vor Ort ganz konkret hat.

(Zuruf DIE LINKE: Gute Idee!)

Dann könnte er auch mitbekommen, wie ungerecht die willkürliche Kilometergrenze bei der Erstattung des Schülertickets ist. Immer noch bekommen Schülerinnen und Schüler, die weniger als 2 bzw. 3 km von der Schule entfernt leben, das Schülerticket nicht erstattet. Das ist eine willkürliche Entscheidung und eine Belastung für die entsprechenden Familien. Als LINKE wollen wir das Schülerticket für alle kostenfrei zur Verfügung stellen und die Kommunen entsprechend finanziell unterstützen.

(Beifall DIE LINKE)

Aber nicht nur die Ausgestaltung des Schülertickets ist höchst ungerecht, auch beim Nachfolgeticket zum 9-€-Ticket hat man wieder die Menschen, die in Armut leben oder ein geringes Einkommen haben, schlicht und ergreifend vergessen. Das beschlossene 49-€-Ticket ist sicher ein Fortschritt zum Tarifdschungel im öffentlichen Nahverkehr, aber auch 49 € im Monat sind für Menschen mit geringem Einkommen schlichtweg zu viel. Im Hartz-IV-Satz sind im Jahr 2022 gerade einmal insgesamt 40 € für Mobilität enthalten.

Auch erwerbstätige Menschen mit geringem Einkommen können 49 € im Monat oftmals nicht aufbringen. Nehmen wir z. B. einmal die Busfahrerinnen und Busfahrer in Hessen; denn diese müssen oftmals beim Amt aufstocken, weil sie von ihrem Lohn nicht leben können. Diejenigen, die die Fahrgastzahlen des 49-€-Tickets befördern müssen, können es sich also häufig selbst nicht leisten. Das ist doch wirklich höchst ungerecht, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Um allen Menschen Mobilität garantieren zu können, haben wir als LINKE die Fortführung des 9-€-Tickets vorgeschlagen; denn wir haben doch alle gemerkt, was passierte, als das 9-€-Ticket eingeführt wurde: Die Busse und Züge waren voll. Na klar; denn es konnten auch diejenigen, die bisher in ihrer Mobilität sehr eingeschränkt waren, am ÖPNV teilhaben. Wenn jetzt gegen die Fortführung des 9‑€-Tickets ins Feld geführt wird, dass dafür die Kapazitäten fehlen würden, macht dies eigentlich nur deutlich, wie der ÖPNV – gerade im Bahnverkehr – ausgelegt ist, nämlich darauf, dass ihn die Menschen mit geringem Einkommen nicht nutzen. Das halten wir für grundfalsch. Genau das Gegenteil ist richtig. Das 9-€-Ticket hat bewiesen, wie sehr der Schienenverkehr auf Verschleiß gefahren wurde und wie sehr Investitionen sowie der Ausbau verschleppt wurden. Als LINKE denken wir Mobilität für alle und den Ausbau des ÖPNV zusammen. Damit Menschen mit geringem Einkommen beim 49-€-Ticket aber jetzt nicht hinten runterfallen, fordern wir als LINKE ein Sozialticket.

Für 9 € im Monat wollen wir daher Menschen mit geringem Einkommen wie Rentnern, Schülerinnen und Schülern sowie Studierenden das bundesweite Ticket anbieten. Der Verkehrsminister hat sich selbst für ein solches Modell ausgesprochen. Jetzt muss er es auch umsetzen. Das wäre auch ein guter Schritt in Richtung Nulltarif im ÖPNV. Es wäre ein entscheidender Schritt für den sozial-ökologischen Umbau in Hessen und gut für Mensch und Umwelt. Aber Umwelt und Klimaschutz sind für diese schwarz-grüne Landesregierung leider oft nur noch ein Feigenblatt. Auf Grün stehen in Hessen nur noch die Straßenampeln. Nach neun Jahren grüner Regierungsbeteiligung und grüner Zuständigkeit im Verkehrsministerium gibt es so viel Autoverkehr wie nie zuvor in Hessen. Gleichzeitig wurden seit 2012 gerade einmal 4 km neue Eisenbahnstrecke gebaut. Das ist die Bilanz von Tarek Al-Wazir, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Im Umweltministerium sieht es nicht sehr viel besser aus. Jetzt schmückt man sich mit Haushaltssummen für das Aufforsten von Wäldern, hat sich aber nicht gegen die Rodung des Dannenröder Waldes für den Weiterbau der A 49 oder aktuell gegen die Rodung des Fechenheimer Waldes für den Weiterbau der A 66 gewehrt. Fast alle Maßnahmen zum Klimaschutz in Hessen stehen im Haushalt unter Finanzierungsvorbehalt. Meine Damen und Herren, der Klimawandel steht aber leider nicht unter Finanzierungsvorbehalt. Dieser ist in vollem Gange und wird sicherlich nicht durch das Greenwashing der Landesregierung gebremst werden.

(Beifall DIE LINKE)

Statt endlich etwas für den sozial-ökologischen Umbau zu tun, will die Landesregierung sogar junge Menschen, die auf die Klimakrise aufmerksam machen, kriminalisieren und droht ihnen mit Präventivhaft. Das ist absolut inakzeptabel und unverhältnismäßig und wird eher dazu führen, dass sich viele Klimaaktivisten erst recht mit Aktionen des zivilen Ungehorsams Gehör verschaffen wollen. Man kann von einzelnen Aktionsformen halten, was man will, aber ziviler Ungehorsam ist etwas anderes als Gewalt. Statt Aktivisten zu kriminalisieren, muss die Klimakrise endlich ernst genommen werden – auch in Hessen. Leider haben die GRÜNEN ihrem Innenminister Beuth auch in dieser Frage überhaupt nichts entgegenzusetzen.

(Beifall DIE LINKE)

Die Folgen der Klimakrise spüren wir in Deutschland und in Hessen schon längst: Waldsterben, Trockenheit und Extremwetterereignisse stellen uns vor immense Herausforderungen. Noch härter trifft der Klimawandel aber viele Menschen im globalen Süden. Bis 2050 könnte es laut der Deutschen Welthungerhilfe bis zu 140 Millionen Klimaflüchtlinge auf der Welt geben. Dazu kommen Kriege, Armut und Unterdrückung, die dazu führen, dass immer mehr Menschen auf der Flucht sind; und diese kommen dann eben an den europäischen Außengrenzen und in Hessen an. In dem Versuch, die Augen vor der grausamen Realität in manchen Teilen der Welt zu verschließen, blieben die Vorhersagen der Landesregierung, was die Zuzugszahlen von Schutzsuchenden nach Hessen anging, in den letzten Jahren abenteuerlich falsch. Man hat offensichtlich gehofft, die Zäune und Pushbacks an den Außengrenzen würden dafür sorgen, dass es deutlich weniger Menschen nach Deutschland und nach Hessen schaffen.

So wurden in den vergangenen Jahren in den Landkreisen viele Gemeinschaftsunterkünfte geschlossen, die Immobilien anderweitig vermietet und die Förderung der Landesregierung zusammengekürzt. Mit der Ankunft von knapp 80.000 ukrainischen Geflüchteten und einer wieder steigende Zahl Asylsuchender aus anderen Teilen der Welt stehen die Landkreise nun vor einer enormen Herausforderung, menschenwürdigen Wohnraum für diese Menschen zu finden. Dies gestaltet sich so schwierig, dass vielerorts nun leider wieder Zelt- und Containerstädte entstehen. Bei den aktuellen Energiepreisen kostet es ein halbes Vermögen, diese zu heizen. Der Vogelsbergkreis etwa spricht von mehreren Millionen Euro.

Die Landesregierung will aber von den Beschwerden der Landkreise und Städte nichts wissen und bei den Pauschalen nicht nachverhandeln. Auch in dem Hilfspaket der Landesregierung lässt sich dazu nichts finden. Das ist wirklich brandgefährlich und spielt den rechten Hetzern in die Hände, die Schutzsuchende nur allzu gern gegen arme Menschen, die schon länger hier leben, ausspielen, meine Damen und Herren.

(Dr. Frank Grobe (AfD): Wie gestern in BadenWürttemberg, die armen Menschen, die armen Kinder! – Gegenruf Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN): Sie sollten sich schämen! – Gegenruf Dr. Frank Grobe (AfD): Sie sollten sich schämen!)

Die Kommunen müssen bei der Aufnahme der Schutzsuchenden besser durch das Land unterstützt werden. Gleiches gilt aber auch bei den zunehmend überforderten Ausländerbehörden der Kommunen.

Nicht nur die kommunalen Behörden sind zunehmend überfordert, auch das Regierungspräsidium Darmstadt macht vor allem beim Thema Einbürgerung immer wieder Negativschlagzeilen. Auf der Internetseite der größten Einbürgerungsbehörde Deutschlands werden Einbürgerungswillige seit nunmehr zwei Jahren darüber informiert, dass es mindestens zwölf Monate dauert, bis mit der Antragsbearbeitung begonnen wird. Die Abteilung ist also mit ihrer Arbeit ein ganzes Jahr hinterher, unter anderem, weil gut die Hälfte der dort Beschäftigten für pandemiebedingte Sonderaufgaben abgezogen wurde. So wichtig kann der Landesregierung das Thema also nicht sein. Es sind sage und schreibe drei neue Stellen in diesem Bereich im Haushalt vorgesehen.

Ist es denn verwunderlich? Die Haltung der CDU zum Thema Einbürgerung ist in den vergangenen Wochen doch bundesweit hinlänglich klar geworden. Sie schüren Ressentiments und Vorurteile gegen Menschen, die hier leben, arbeiten und sich vielfach ehrenamtlich engagieren.

Auch in Hessen bleibt sich die CDU treu und tut alles dafür, Einbürgerungen im Regierungspräsidium Darmstadt zu verschleppen und zu erschweren. Von den GRÜNEN gibt es dazu einmal wieder keinerlei Kritik oder Initiative, daran etwas zu verändern. Als LINKE werden wir diese Zustände so lange anprangern, wie sie existieren, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Insgesamt ist dieser Haushalt eine Fortführung des „Immer weiter so“ von Schwarz-Grün. Das ist in der zweiten tiefen Krise in Folge schon lange nicht mehr genug. CDU und GRÜNEN ist vor allen Dingen wichtig, die Schuldenbremse einzuhalten; notwendige soziale und ökologische Projekte müssen sich dahinter einordnen. So bleibt von viel heißer Luft nur noch wenig Substanz über. Die Schere zwischen Arm und Reich wird in der Krise noch weiter auseinandergehen, und der Klimawandel wird sich immer weiter zuspitzen.

Dass die schwarz-grüne Landesregierung jetzt auch noch gemeinsam mit anderen unionsgeführten Bundesländern die Übergewinnsteuer im Bundesrat attackiert, zeigt ein weiteres Mal, für wen Sie eigentlich Politik machen, meine Damen und Herren. Eine Übergewinnsteuer ist dringend notwendig.

(Beifall DIE LINKE)

Die 40 DAX-Konzerne werden im kommenden Frühjahr knapp 54 Milliarden € an ihre Aktionäre überweisen, so viel wie noch nie. Auch die Gewinne der Mineralölkonzerne sprudeln.

Als LINKE wird uns immer vorgeworfen, wir hätten keine Finanzierungsvorschläge. Aber es ist genau andersherum. Sie wollen die Schuldenbremse nicht aussetzen und wehren sich gegen Vermögen- oder Übergewinnsteuern. Ja, wer soll denn diese Krisenlasten eigentlich tragen? Die Antwort bleiben Sie schuldig, weil Sie nämlich keine haben.

Die Kassiererin, die Erzieherin oder der Gärtner können diese Last nicht tragen. Durch Ihre Politik wird es ihnen aber abverlangt. Das gefährdet den sowieso angeschlagenen sozialen Frieden und fördert Politikverdrossenheit.

(Beifall DIE LINKE)

Wir als LINKE sind klar und geben Antworten: Wir wollen die Schuldenbremse aussetzen und Vermögende endlich zur Kasse bitten, um die Krisen zu bewältigen und Wirtschaft und Gesellschaft sozial und ökologisch umzubauen. Ein „Weiter so“ mit Schwarz-Grün hingegen kann sich weder die Mehrheit der Menschen in Hessen noch das Klima leisten.

Ja, Herr Boddenberg, es tut mir leid, dass wir es immer wieder sagen müssen. Wenn es Sie nervt, dann ändern Sie endlich Ihre Politik. Dann hören wir auch auf, herumzunerven.

(Anhaltender Beifall DIE LINKE – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das glaube ich dir, den letzten Satz!)