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Rede

Elisabeth Kula - Türkisch als Fremdsprache an weiterführenden Schulen wäre Zeichen von Respekt

Elisabeth KulaBildungKultur

In seiner 107. Plenarsitzung am 02. Juni 2022 diskutierte der Hessische Landtag zum Pilotprojekt für den türkischen Fremdsprachenunterricht an hessischen Schulen. Dazu die Rede von Elisabeth Kula, Vorsitzende, bildungs- und kulturpolitische Sprecherin.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gute Laune ist nach solchen Reden immer ein bisschen schwierig. Ich versuche es, aber ich kann es nicht versprechen.

Vor drei Jahren wurde eine Petition mit, so glaube ich, mehr als 20.000 Unterschriften an den Hessischen Landtag übergeben. Darin forderten die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner die Einführung von Türkisch als Wahlpflichtfach für die zweite bzw. dritte Fremdsprache an weiterführenden Schulen. Man könnte meinen, wenn man jetzt diesen Titel der Aktuellen Stunde der GRÜNEN liest, dass Sie das jetzt umsetzen würden. „Vielfalt als Chance begreifen“ – das klingt nicht nur nach einer Überschrift frisch aus dem grünen Phrasengenerator, sondern es ist auch schlicht und ergreifend eine absolute Lüge. Es ist falsch.

(Beifall DIE LINKE, SPD und Freie Demokraten)

Als die Landesregierung im letzten Jahr Arabisch, Polnisch, Portugiesisch und Chinesisch in den Fremdsprachenpool aufgenommen hat, schauten die türkischen Mitbürgerinnen und Mitbürger sowie die Petenten von 2018 in die Röhre.

Herr May, wenn Sie jetzt sagen, Sie wollen das ja in den Fremdsprachenkanon aufnehmen, frage ich Sie: Warum haben Sie das nicht letztes Jahr gemacht, als Sie das hier umgesetzt haben?

(Beifall DIE LINKE, SPD und Freie Demokraten)

Nein, Sie wollen das nämlich nicht. In Hessen ist Türkisch neben Deutsch die wichtigste Herkunftssprache. Die meisten Menschen mit Migrationshintergrund in Hessen sind entweder selbst aus der Türkei emigriert oder leben in zweiter oder dritter Generation hier. Das sind in Hessen etwa 350.000 Menschen.

Viele kamen als Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter nach Deutschland und haben den Wohlstand dieser Gesellschaft maßgeblich mit erwirtschaftet – oft, ohne daran gerecht teilhaben zu können. Das ist bis heute so. Fast 40 % der ehemaligen Gastarbeiter müssen von Armutsrenten leben. Was für eine Schande ist das im Umgang mit der Lebensleistung dieser Menschen?

(Beifall DIE LINKE)

Dass die Enkelgeneration jetzt nicht einmal die Herkunftssprache richtig erlernen, üben und notenrelevant einbringen kann, wird von den Menschen dann eben auch als ein erneutes Zeichen der Respektlosigkeit und der Ausgrenzung wahrgenommen. Andere Bundesländer wie Berlin sind da schon deutlich weiter.

Die Empörung im letzten Jahr war groß, als sich die Landesregierung dennoch beharrlich weigerte, Türkisch in den Fremdsprachenkanon in Hessen aufzunehmen. Jetzt erleben wir etwas, was eigentlich sinnbildlich für diese schwarz-grüne Koalition ist: Die GRÜNEN werden von den eigenen Anhängern und der Mitgliedschaft ordentlich Feuer bekommen haben, sich für den Türkischunterricht einzusetzen, der Koalitionspartner von der CDU will das aber einfach nicht, und jetzt haben Sie sich eben auf den kleinstmöglichen Nenner, nämlich den Schulversuch an zwei Schulen, geeinigt. „Herzlichen Glückwunsch“ würde ich an dieser Stelle sagen.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Man muss auch sagen: Weder für Arabisch noch für Polnisch, noch für Portugiesisch oder sogar Chinesisch brauchte es einen Schulversuch. Diese Sprachen wurden einfach in den Wahlpflichtkanon aufgenommen. Nur bei Türkisch wird diese Hürde vor ein flächendeckendes Angebot bewusst gesetzt. Dafür feiern sich die GRÜNEN jetzt sogar noch in einer Aktuellen Stunde. Was soll man dazu eigentlich noch sagen?

Ich glaube, damit haben Sie sich selbst auch einen Bärendienst erwiesen, weil doch klar ist, dass das eine reine Mogelpackung und eine Verzögerungstaktik ist. Aber ich kann Ihnen versichern: Die Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und auch die türkischen Gemeinden lassen sich nicht so leicht verballhornen.

Vor zwei Tagen haben die GEW, der Elternbund, der Türkische Elternbund und die türkischen Gemeinden eine Presseerklärung herausgegeben, in der sie ihre Enttäuschung und auch Wut über ein solches Vorgehen zum Ausdruck gebracht haben.

Statt die Landesregierung für diesen äußerst denkwürdigen und für sich sprechenden Schritt zu feiern, sollten die GRÜNEN sich lieber überlegen, wen sie hier im Parlament eigentlich noch veräppeln wollen. So leicht können Sie es sich an dieser Stelle einfach nicht machen.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)