Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Elisabeth Kula: Wahlalter auf 16 absenken – Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen ermöglichen!

Elisabeth KulaBildungFamilien-, Kinder- und Jugendpolitk

In seiner 103. Plenarsitzung am 11. Mai 2022 diskutierte der Hessische Landtag zum Gesetzentwurf der SPD zur Einführung des aktiven Wahlrechts ab 16 bei Kommunalwahlen. Dazu die Rede von Elisabeth Kula, Vorsitzende und bildungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Hessischen Landtag.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zur ersten Lesung des Gesetzentwurfs der SPD habe ich für uns als LINKE die wichtigsten Argumente für eine Absenkung des Wahlalters auf 16 dargelegt. Die Jugendlichen sind strafmündig. Viele arbeiten längst, z. B. in Ausbildungsberufen oder in Ferienjobs. Sie zahlen Steuern, über deren Verwendung sie nicht mitbestimmen dürfen. Jetzt, da der Klimawandel für die junge Generation eine existenzielle Bedrohung darstellt, können sie nicht über die notwendigen Schritte hin zu einer nachhaltigen Lebensund Wirtschaftsweise mitbestimmen.

Auch deswegen haben in den vergangenen Jahren Millionen junger Menschen außerparlamentarisch Druck auf die Regierenden gemacht. Sie durften aber trotz ihres Engagements für ihre und unser aller Zukunft bei der Bundestagswahl nicht mitwählen. In Hessen sollen sie auch weiterhin nicht einmal bei den Kommunalwahlen mitbestimmen dürfen. Das ist und bleibt ein schwarz-grünes Armutszeugnis, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Selbst im Koalitionsvertrag der Ampel im Bund ist die Absenkung des Wahlalters auf 16 für die Bundestagswahlen vorgesehen. Das wäre auch ein Schritt in Richtung der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention, der Deutschland schon 1992 beigetreten ist. 30 Jahre danach kann man doch erwarten, dass endlich deutliche Schritte für mehr Kinderrechte getan werden.

In Hessen können oder wollen sich die GRÜNEN nicht gegen den Koalitionspartner CDU durchsetzen. Dabei kommt es zu Peinlichkeiten, wie wir sie wahrscheinlich gleich erleben werden, dass erst Brandreden für die Absenkung des Wahlalters gehalten werden, um im Endeffekt doch geschlossen dagegenzustimmen. Ich wünsche mir da von den hessischen GRÜNEN, dass sie einmal darüber nachdenken, auf wen sie eigentlich Rücksicht nehmen wollen. Auf eine ganz enttäuschte und wütende Generation, die sich nicht gewertschätzt und nicht gesehen und übergangen fühlt, oder auf einen Koalitionspartner, der im Falle einer Wahlalterabsenkung um das eigene Abschneiden bei einer Wahl bangen muss? Die GRÜNEN in Hessen müssen endlich die richtigen Prioritäten setzen, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

In der Anhörung war man sich in der überwältigenden Mehrheit einig, dass eine Absenkung des Wahlalters bei Kommunalwahlen rechtlich möglich ist. Eine etwas kleinere Mehrheit war sich ebenfalls einig, dass sie auch politisch richtig und wichtig ist. Es wurden immer wieder die gleichen Bedenken genannt, die wir auch von Konservativen immer wieder hören.

Ein Argument gegen eine Absenkung des Wahlalters ist die vermeintlich einfachere Beeinflussbarkeit Minderjähriger. Sie seien einfacher durch Medien zu manipulieren. Ist dem aber wirklich so? Oder sind nicht vielmehr diejenigen besonders anfällig für Manipulationen, die erst im Erwachsenenalter mit neuen digitalen Medien in Kontakt gekommen sind und nicht als Digital Natives schon seit der Kindheit in Bildungseinrichtungen oder im privaten Umfeld mit digitalen Angeboten aufgewachsen sind? Wir haben doch während Corona mitbekommen, dass Fake News und Verschwörungstheorien im Netz auch bei Erwachsenen auf fruchtbaren Boden gefallen sind. Leider sind nicht nur junge Menschen durch solche Phänomene des digitalen Zeitalters leicht zu beeinflussen. Deswegen kann das doch gar kein Argument gegen die Absenkung des Wahlalters sein.

Gleiches gilt für das Argument, die Wahlfähigkeit der Jugendlichen sei aufgrund fehlender politischer Bildung nicht gegeben. Dass gerade die CDU diese Behauptung immer wieder aus der Mottenkiste holt, ist besonders dreist. Wer stellt denn in Hessen den Kultusminister, der dafür verantwortlich ist, dass unter dem Strich für alle Bildungsgänge an hessischen Schulen für das Fach PoWi nicht mehr als eine Stunde pro Woche und Jahrgangsstufe vorgesehen ist? Das bei einer Gesamtstundenzahl von 30 Stunden und mehr für den gesamten Fächerkanon. Hinzu kommt, dass die Fächer der politischen Bildung mehr als alle anderen Fächer von Lehrkräften unterrichtet werden, die dafür nicht ausgebildet wurden.

Darüber hinaus gibt es an hessischen Schulen immer noch viel zu wenige Mitbestimmungsrechte von Schülerinnen und Schülern, vor allem in der Schulkonferenz. Das gilt ebenso für die Kommunal- und Landesebene. Mehr politische Bildung und Beteiligungsmöglichkeiten an Schulen sind dringend notwendig. Die Landesregierung kann hier nicht eigene Fehler und die Untätigkeit gegen ein Grundrecht, nämlich das Wahlrecht, ausspielen. Das ist schlichtweg unredlich.

(Beifall Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE))

Ein weiteres Argument, das in der Anhörung gegen die Absenkung des Wahlalters genannt wurde, betrifft die Einheitlichkeit von Wahlen. Wir haben das gerade auch schon wieder einmal gehört: Würde das Alter für Kommunalwahlen abgesenkt werden, aber bei Landtags- und Bundestagswahlen bei 18 bleiben, dann könnte das kompliziert werden bei der Durchführung der Wahl. – Es wurde vor allem von den Kommunalen Spitzenverbänden auf einen erhöhten Aufwand und Mehrkosten für die Kommunalwahlen in einem solchen Falle hingewiesen. Sollte sich der Landtag für eine Absenkung des Wahlalters bei Kommunalwahlen entscheiden, dann müssten dafür natürlich auch finanzielle Mittel bereitgestellt werden. Um das noch einmal ganz deutlich zu sagen: Demokratie und Grundrechte dürfen niemals von der Kassenlage abhängig gemacht werden.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Abgesehen davon ist auch jetzt schon die Einheitlichkeit der Wahlen gerade bei den Kommunalwahlen gar nicht mehr gegeben. Denken wir einmal an die EU-Bürgerinnen und -Bürger, die bei Kommunalwahlen wählen, aber beispielsweise bei Landtagswahlen oder Bundestagswahlen nicht abstimmen dürfen. Daher ist auch dieses Argument nur ein weiterer Pappkamerad.

Nein, in einer immer älter werdenden Gesellschaft braucht es jetzt dringend mehr Mitbestimmung und eine Aufwertung jüngerer Stimmen, damit die Älteren eben nicht in überproportionalem Maß über die Zukunft der Jüngeren bestimmen. Daher muss das Wahlalter auf allen politischen Ebenen gesenkt werden. In elf von 16 Bundesländern wurde das schon verstanden, aber in Hessen habe man dafür keine Mehrheit, wie immer gesagt wird. Das stimmt aber ganz einfach nicht. In Hessen gibt es aktuell eine Mehrheit aus SPD, LINKEN, GRÜNEN und der FDP für eine Senkung des Wahlalters auf kommunaler Ebene.

Lassen Sie uns diese Mehrheit eineinhalb Jahre vor der nächsten Landtagswahl nutzen, um zu zeigen, dass Hessen nicht im Gestern oder im „Weiter so“ gefangen ist. Dann ist in eineinhalb Jahren vielleicht ein politischer Aufbruch möglich. Dafür müssten sich die GRÜNEN aber endlich aus der Umklammerung durch die CDU lösen. Eine Chance dazu haben Sie von den GRÜNEN bei diesem Gesetzentwurf.

Wir freuen uns auf die dritte Lesung und finden es gut und richtig, dass die SPD diese Initiative eingebracht hat.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)