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Rede

Elisabeth Kula - Zielvereinbarungen greifen zu kurz – prekärer Beschäftigung an Hochschulen muss endlich konsequent entgegengetreten werden!

Elisabeth KulaBildung

In seiner 101. Plenarsitzung am 31. März 2022 debattierte der Hessische Landtag über die Zielvereinbarungen zum Hessischen Hochschulpakt. Dazu die Rede unserer Vorsitzenden und bildungspolitischen Sprecherin Elisabeth Kula.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Grobe, an Sie als Historiker: Ihre permanente Hetze gegen alle Geistes- und Gesellschaftswissenschaften ist wirklich nur noch als, na ja, Selbsttherapie Ihrer eigenen Studienwahl zu verstehen. Ich würde aber sagen, der Landtag ist kein Therapieplatz. Deswegen verschonen Sie uns doch bitte davon.

(Heiterkeit und Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, SPD und Freie Demokraten)

Zum Thema. Vorab: Es ist gut, dass der hessische Hochschulpakt fortgeführt wird. Die Studierendenzahlen haben sich in den letzten 20 Jahren fast verdoppelt. Es ist gut und wichtig, eine konstante und kontinuierliche Planung für die Hochschulen zu haben. Der Anstieg der Sockelfinanzierung ist ein echter Fortschritt; das muss man einfach so sagen.

Aber es ist natürlich fraglich, ob das jetzt ausreicht, um deutlich mehr unbefristete Beschäftigung zu schaffen und die Betreuungsrelation zwischen Professorinnen, Professoren und Studierenden wirklich merklich zu verbessern. Der Hochschulpakt legt einen Schwerpunkt auf die Schaffung von Dauerstellen und die Verbesserung der Betreuungsrelation; aber es kommt natürlich auf die konkreten Vereinbarungen zwischen Land und Hochschulen in den Zielvereinbarungen an, die jetzt Mitte März getroffen wurden.

Was sagen diese Zielvereinbarungen denn wirklich aus? Wir haben heute nur fünf Minuten Redezeit, weswegen ich mich auf die angesprochenen Themenblöcke – Schaffung von Dauerstellen und Verbesserung der Betreuungsrelation – konzentrieren möchte. Wenn ich mir diese Zielvereinbarungen anschaue, kann ich nur ein bisschen enttäuscht feststellen, dass vollkommen unklar bleibt, ob die selbst gesteckten Ziele aus dem Hochschulpakt damit auch wirklich erreicht werden können.

Ich will ein paar Beispiele nennen: Der Pakt verspricht, dass die unbefristeten Beschäftigungsverhältnisse des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals um 30 % gegenüber 2018 gesenkt werden sollen. Gut, die Zielvereinbarungen haben einen Referenzzeitraum von 2021 bis 2025, aber wenn man sich die dort gesetzten Ziele anschaut, kann man wirklich nicht von einem nennenswerten Aufbau unbefristeter wissenschaftlicher Stellen sprechen.

Drei Beispiele: An der Uni Kassel sollen bis 2025 zehn Vollzeitäquivalente jährlich als Dauerstellen hinzukommen. Genauso sollen durchschnittlich zehn Professorinnenund Professorenstellen pro Jahr geschaffen werden mit dem Ziel einer Betreuungsrelation von 66,3 Studierenden auf eine Professur. Das im Hochschulpakt definierte Ziel von einer Betreuungsrelation von 62 soll damit an der Uni Kassel bis 2025 immer noch nicht umgesetzt werden. Auch wäre Kassel mit 66,3 dann 2025 noch immer hinter dem Bundesdurchschnitt von 65.

Bei den wenigen neuen unbefristeten Vollzeitäquivalenten ist auch vollkommen klar, dass das leider keine richtige Trendwende ist. An der Uni Kassel sind über 90 % der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter befristet beschäftigt. Da braucht es doch eine viel größere Anstrengung, um dem Befristungsunwesen einen Riegel vorzuschieben.

(Beifall DIE LINKE)

Besonders interessiert habe ich zur Kenntnis genommen, dass an der Philipps-Universität Marburg gar keine neuen unbefristeten Stellen bis 2025 geschaffen werden sollen. Der zugegebenermaßen überdurchschnittlich hohe Wert an Dauerstellen von 35,6 % soll nur gehalten werden. Die jährliche Steigerungsrate liegt bei 0,0 %. Ich finde, das ist nicht im Sinne des Hochschulpakts. Es muss doch das Ziel sein, für alle Daueraufgaben auch Dauerstellen zu schaffen. Da ist der Wert von 35,6 % einfach nicht ausreichend.

(Beifall DIE LINKE)

Auch in Frankfurt oder Gießen sehen die Zielvereinbarungen ähnlich aus und bleiben hinter den Erwartungen zurück. In Frankfurt ist die angestrebte Betreuungsrelation für 2025 bei 73,3, also fast zehn Studierende mehr als das definierte Hochschulpakt-Ziel. Durchschnittswerte sind an dieser Stelle eben manchmal auch trügerisch.

Ich frage mich auch, warum denn nicht die Vereinbarungen aus dem von Ihnen so hochgehaltenen Kodex für gute Arbeit zumindest in die Zielvereinbarung aufgenommen werden, wenn man sie schon nicht in das Hochschulgesetz aufnehmen wollte. Ich schätze mal, weil Sie sich einfach nicht gegen die Hochschulleitungen durchsetzen konnten.

Es bleibt der Eindruck, dass der proklamierte Wille, mehr Dauerstellen zu schaffen, immer dort konkret wird, wo es um Selbstverpflichtungen geht, die man auch nicht sanktionieren kann, wenn sie nicht eingehalten werden. Aber wenn es verbindlich wird, dann wird doch eher vor den Hochschulleitungen eingeknickt. Das finde ich schade und der prekären Situation der vielen befristet beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeiter nicht angemessen.

In der zweiten Jahreshälfte 2022 soll es noch einmal Gespräche mit den Gewerkschaften geben. Da bin ich gespannt, wie die darauf reagieren. Aber bei uns bleiben viele Fragezeichen und eine bittere Enttäuschung.

(Beifall DIE LINKE)