Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Elisabeth Kula zu Solidarität mit dem Iran

Elisabeth KulaInternationales

In seiner 116. Plenarsitzung am 12. Oktober 2022 diskutierte der Hessische Landtag einen gemeinsamen Antrag von CDU, Grünen, SPD und FDP zur Situation im Iran. Dazu die Rede unserer Vorsitzenden Elisabeth Kula.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Seit Wochen demonstrieren im Iran Bürgerinnen und Bürger – allen voran sehr mutige Frauen und Mädchen – gegen das theokratische Regime des Landes. Sie gehen auf die Straße gegen die Repressionen der Ajatollahs, gegen Brutalität der Sittenwächter, für ihre Freiheit und Menschenrechte. Die Ermordung der Kurdin Jina Mahsa Amini hat zu landesweiten Protesten geführt, die blutig niedergeschlagen wurden. Mindestens 76 Tote und über 1.500 Verhaftungen gibt es schon, und diese brutale Staatsgewalt verurteilen wir aufs Schärfste und solidarisieren uns mit allen Menschen im Iran, aber auch weltweit und hier in Hessen, die gegen diese Unterdrückung auf die Straße gehen.

(Beifall DIE LINKE, SPD und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist nicht das erste Mal, dass junge Menschen gegen das iranische Regime aufbegehren. Ich erinnere an die iranischen Studentenproteste im Juli 1999, die blutig niedergeschlagen wurden; und nach der iranischen Präsidentschaftswahl am 12. Juni 2009 gab es in Teheran und anderen größeren Städten der Islamischen Republik öffentlich Proteste und Demonstrationen gegen das amtlich bekannt gegebene Wahlergebnis, das dem bisherigen Amtsinhaber die absolute Stimmenmehrheit einräumte. Diese Proteste sind als „Grüne Bewegung“ bekannt geworden, sind aber letztlich gescheitert.

Jetzt wehren sich vor allem junge Frauen gegen ihre Unfreiheit und Unterdrückung, und ihre Wut trifft den Kern der Islamischen Republik: die islamischen Sittenregeln und ihre Durchsetzung durch brutale Mittel. Nachdem zu Beginn vor allem Studierende, Schülerinnen und Schüler und Menschen aus den kurdischen Gebieten im Norden des Landes die Proteste angetrieben haben, gibt es jetzt Anzeichen, dass die Protestbewegung stärker in die Breite der Gesellschaft wächst. Jetzt gilt es, auch in Hessen nicht nur Lippenbekenntnisse abzugeben, sondern auch zu handeln. Es muss einen unverzüglichen Abschiebestopp in den Iran durch den hessischen Innenminister geben – das ist schon längst überfällig.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Wir als LINKE haben Abschiebungen in Krisen- und Kriegsgebiete, auch in den Iran, immer abgelehnt. Aber Schwarz-Grün hat selbst in diesem Jahr noch in den Iran abgeschoben, z. B. Familie Ghalianloo aus Büdingen, darunter die 13-jährige Tochter Yasaman: Sie war mit einer Freundin, die sie lange nicht gesehen hatte, zum Mittagessen verabredet. Die beiden Mädchen saßen redend in ihrem Zimmer, als es an der Tür klingelte.

(Zuruf CDU)

Vier Polizisten waren gekommen, um die Familie zum Flughafen zu bringen. Diese 13-Jährige ist jetzt in Teheran, weil Sie sie abgeschoben haben. Es ist richtig, jetzt einen Abschiebestopp zu beschließen; aber er hätte schon seit Jahren beschlossen werden müssen.

(Beifall DIE LINKE – Zuruf CDU)

Es ist auch richtig, jetzt die Protestierenden im Iran zu unterstützen. Nicht richtig ist es aber meiner Meinung nach, gleichzeitig zu Unterdrückung und Unfreiheit in anderen Ländern zu schweigen – vor allem, wenn es um Länder geht, mit denen man wirtschaftliche Beziehungen und verteidigungspolitische Allianzen pflegt. Ich frage mich schon: Warum gibt es eigentlich keine Forderungen nach Sanktionen oder unabhängigen Untersuchungen zu Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien? Stattdessen gibt es neue Gas-Deals und Waffenlieferungen an diesen Staat, der Kriegspartei im Jemen ist.

(Zurufe AfD: Hört, hört!)

Wo sind Sanktionsforderungen für die USA, die völkerrechtswidrige Drohnenangriffe in Pakistan und Afghanistan durchführen, und zwar von deutschem Boden aus? Wo sind die Forderungen nach schärferen Sanktionen gegen den NATO-Partner Türkei, der systematisch Menschenrechte schleift? Statt eines Einsatzes gegen die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei wird mit dem Abkommen zum NATO-Beitritt von Schweden und Finnland der Kotau vor dem Autokraten Erdogan gemacht.

(Zuruf AfD: Genau so ist es!)

Er hat sich durchgesetzt, die Leidtragenden sind die Menschen in den kurdischen Gebieten und Oppositionelle, und Waffenexporte an die Türkei werden erleichtert und politisch Verfolgte ausgeliefert: Ich finde das doppelzüngig, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt AfD)

Wer Maßnahmen gegen einen Autokraten fordert, aber nützliche andere Autokratien stützt, der macht sich unglaubwürdig.

Ich darf zum Schluss auch daran erinnern, dass die Bundesrepublik den Iran unter der Herrschaft des Schahs in den 1970er-Jahren massiv mit Waffen, ja, ganzen Waffenfabriken unterstützt hat, und auch mit dem Mullah-Regime wurden jahrzehntelang florierende Geschäfte gemacht.

Ich sage einmal: Gut, dass Sie sich jetzt mit den Demonstrierenden im Iran solidarisieren als Viererkoalition in dieser Konstellation. Aber ob sich grundsätzlich etwas an der bundesdeutschen Außenpolitik ändern wird, das wage ich angesichts der jüngsten Deals mit Saudi-Arabien und weiterer Abschiebungen in Kriegs- und Krisengebiete doch leider sehr zu bezweifeln.

(Beifall DIE LINKE)