Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Elisabeth Kula zum Antisemitismus der AfD

Elisabeth KulaAntifaschismusKultur

In seiner 107. Plenarsitzung am 2. Juni 2022 diskutierte der Hessische Landtag über die Kritik an scheinbar antisemitischer Kunst auf der diesjährigen Documenta. Unsere Fraktionsvorsitzende Elisabeth Kula gibt hier Kontra.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dass heute die AfD, gerade diese Rechtsaußentruppe, über antisemitisches Treiben bei der documenta diskutiert,

(Zuruf Dr. Frank Grobe (AfD) – Weitere Zurufe AfD – Glockenzeichen)

das ist wirklich blanker Hohn und nur sehr schwer auszuhalten.

(Beifall DIE LINKE – Robert Lambrou (AfD): Wie lautet denn der Titel Ihrer Aktuellen Stunde?)

Die AfD versucht, sich damit erneut als Verteidiger der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger zu inszenieren. Aber nein, die AfD ist nicht Vorreiterin gegen Antisemitismus, wie sie sich teilweise gern inszeniert. Ein solch leicht durchschaubares Manöver werden wir Ihnen auch nicht durchgehen lassen.

(Beifall DIE LINKE – Zuruf Dr. Frank Grobe (AfD))

Leider ist es dazu aber auch notwendig, wie Stefan Naas das auch gemacht hat, sich noch einmal mit dem Geist in dieser Partei auseinanderzusetzen.

(Zuruf Dr. Frank Grobe (AfD))

Ich werde jetzt nicht die ganz bekannten Zitate vorführen, die auch vorher schon genannt wurden, sondern will vielleicht ein paar Sachen benennen, die noch nicht so bekannt sind.

Beispielsweise Stefan Schröder, Mitarbeiter der AfDLandtagsfraktion in Thüringen, feierte auf Facebook den Vergleich zwischen der Bombardierung von Dresden und dem Holocaust. Sein Geschäftsführer Stefan Möller wollte Schröder daraufhin nicht entlassen und versicherte:

Wir, die AfD, haben ein entspanntes und ein praxiserprobtes Verhältnis zu unseren jüdischen Mitbürgern und Israel.

Der Thüringer AfD-Politiker Torben Braga sprach 2018 im Interview mit dem NDR vom sogenannten „Schuldkult“, ein Begriff aus dem Neonazijargon. Die AfD im Landtag von Sachsen-Anhalt beschäftigt mehrere ehemalige Mitglieder der rechtsextremistischen Heimattreuen Deutschen Jugend. Die absolute Spitze bildet der Mitarbeiter für die AfD-Abgeordneten Christina Baum und Heiner Merz im baden-württembergischen Landtag, er ist auch ehemaliges NPD-Mitglied. Er sagte in einem Facebook-Chat – ich darf leider zitieren –:

Ich wünsche mir so sehr einen Bürgerkrieg und Millionen Tote. Frauen, Kinder. Mir egal. Hauptsache, es geht los. Insbesondere würde ich laut lachen, wenn so was auf der Gegendemo passieren würde. Tote, Verkrüppelte. Es wäre so schön. Ich will auf Leichen pissen und auf Gräbern tanzen.

Die zwei letzten Worte spare ich mir; ich glaube, Sie können sie sich denken.

(Zuruf SPD: Pfui!)

Vizepräsident Frank Lortz:

Frau Kollegin Kula, der Kollege Lambrou wollte Ihnen eine Zwischenfrage stellen.

Elisabeth Kula (DIE LINKE):

Nein, danke. – Ein weiteres Zitat:

Immerhin haben wir jetzt so viele Ausländer im Land, dass sich ein Holocaust mal wieder lohnen würde.

Die Abgeordneten wollten bisher nichts dazu sagen, ob der Mitarbeiter noch bei der Fraktion angestellt ist.

Meine Damen und Herren, es braucht nun wirklich keinen Verfassungsschutz, um zu erkennen, welch Geistes Kind diese Partei ist.

(Beifall DIE LINKE – Zuruf Dr. Frank Grobe (AfD))

Man muss aber auch gar nicht über Hessen hinausschauen, um antisemitische Ausfälle bei der AfD zu entdecken. So stellte die AfD in Fulda Martin Hohmann, der wegen antisemitischer Äußerungen 2003 aus der CDU geflogen ist, mehrfach zur Bundestagswahl auf; bei der letzten verpasste er den Einzug.

Zahlreiche hessische Kommunalpolitiker, die die AfD aufgestellt hatte, wie z. B. Gottfried Klasen aus Kassel, mussten nach antisemitischen Äußerungen die Fraktion oder die Partei verlassen.

(Robert Lambrou (AfD): Genau, wir kümmern uns darum, dass wir sauber bleiben! – Gegenruf Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie bleiben sauber! – Anhaltende Zurufe und Gegenrufe Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Robert Lambrou (AfD) – Glockenzeichen)

Weil wir beim Thema sind: 2017, als die Stadt Kassel den Obelisken der documenta aufkaufen wollte, sprach der AfD-Stadtverordnete Thomas Materna von „ideologisch polarisierender und entstellter Kunst“.

(Anhaltende Zurufe und Gegenrufe Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Robert Lambrou (AfD) – Glockenzeichen)

„Entstellte Kunst“ – was ist denn das für eine Anlehnung? Das kann man doch gar nicht missverstehen.

(Beifall DIE LINKE, SPD und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auf diesem antisemitischen Nährboden in der AfD gedeihen dann auch die vermeintlich harmlosen Codes eines Abg. Lichert hier im Landtag zu voller Blüte. Indem Sie ihn dann auch noch für das Amt des Landtagsvizepräsidenten aufstellen, machen Sie unmissverständlich klar: Sie wissen, was Sie tun, Sie machen es bewusst, und wir müssen Ihnen immer wieder entschieden entgegentreten.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Auf Ihr durchschaubares Manöver, den Kampf gegen Antisemitismus zu instrumentalisieren, möchte ich mit den Worten des Antisemitismusforschers Gideon Botsch antworten:

Es zeigt aber, dass die AfD ein einseitig instrumentelles Verhältnis zum Antisemitismus hat, der für die AfD immer nur dann wichtig wird, wenn er sich mobilisieren lässt gegen andere Minderheiten, insbesondere gegen muslimische Communities in Deutschland und gegen Flüchtlinge. Andere Facetten des Antisemitismus thematisiert die AfD nicht.

Genau so ist es. Deswegen werde ich mich sicher heute nicht auf Antrag von Ihnen zur Künstlerauswahl der documenta äußern. Diesen Gefallen tun wir Ihnen sicher nicht.

(Dr. Frank Grobe (AfD): Das hängt mit Ihnen zusammen!)

Für uns ist klar: Antisemitismus und alle anderen Formen der Diskriminierung dürfen keinen Platz und kein Forum finden.

Die Angriffe von rechts gegen die documenta aber, die einen wichtigen gesellschaftskritischer Beitrag in der globalen Kunstwelt darstellt, müssen wir zu jeder Zeit entschieden zurückweisen, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für eine Diskussion, wie sich die documenta künstlerisch aufstellt oder auch nicht, braucht es eines ganz sicher nicht: Das ist diese Truppe hier rechts außen. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und SPD – Zurufe AfD)