Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

"Es bleibt die Aufgabe der Gesellschaft, sich Neo-Faschismus und Rassismus mit Courage entgegenzustellen"

Hermann Schaus

Zum Antrag der SPD und Grünen betreffend Bekämpfung des Rechtsextremismus

Zum Antrag der SPD und Grünen (18/2032) betreffend Bekämpfung  des Rechtsextremismus


Sehr geehrte/r Frau Präsidentin / Herr Präsident,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

DIE LINKE unterstützt ausdrücklich das Anliegen, im Hessischen Landtag eine Anhörung über die Entwicklung der Neonazi-Szene und über Maßnahmen zur Bekämpfung des Neo-Faschismus durchzuführen.

Als Mitglied des Innenausschusses kann ich sagen: Wir haben uns in den letzten beiden Jahren oft und lange mit dem Thema auseinander setzen müssen, weil die Anlässe dazu häufig waren und es leider geblieben sind. DIE LINKE hat das Thema deshalb immer wieder auf die Tagesordnung gesetzt.

Die Frage heute ist aber: Sind wir in der Diskussion wirklich vorangekommen?

Ich denke, die Antwort lautet eher nein. Ich will dazu keine parteipolitische Auseinandersetzung führen, weil uns dies in der Sache nicht voran bringt. Ich verbinde damit die Hoffnung, dass alle Parteien dem vorliegenden Antrag zustimmen und möchte deshalb aufzeigen, wie ernst und erschreckend die Bedrohung durch Neo-Faschisten in Teilen Hessens geblieben ist.

In jüngster Zeit kam es in Wetzlar wiederholt zu Brandanschlägen und Attacken auf Moscheen, Migranten - zuletzt auf das Haus eines Kirchenangestellten, der sich aktiv in einem Bündnis gegen Neo-Faschisten engagiert hat. Meine Damen und Herren: Das alles dürfen wir niemals Hinnehmen!

Ich möchte mich dabei dem Landrat des Lahn-Dill Kreises anschließen, der auf der Kundgebung des Bündnisses gegen Rechts in Wetzlar am vergangenen Freitag sagte, wo man sich dem braunen Ungeist nicht entgegen stelle, da gingen Demokratie und Freiheit verloren.

Mehrfach mussten wir uns bereits mit den Gewalttaten der Freien-Kräfte Schwalm-Eder, dieser gewalttätigen neo-faschistischen Kameradschaft beschäftigen.

Eineinhalb Jahre nach dem Überfall am Neuenhainer See, bei dem ein schlafendes 13-jähriges Mädchen von den Neo-Nazis fast zu Tode geprügelt wurde, müssen wir erkennen, dass es sich nicht um Einzelfälle handelt, sondern dass wir verfestigte, vernetzte und hoch militante Strukturen vorfinden. Soweit wir wissen, ist es seit dem Angriff vom Neuenhainer See, in ganz Nordhessen zu 29, teils schweren Vorfällen gekommen.

Wie die "Freien Kräfte" auftreten, will ich am Fall von Marc O. deutlich machen, der schon beim Überfall am Neuenhainer See eine Rolle spielte. Dieser gerade 21-jährige hatte am 20. Januar sein drittes Strafverfahren. Er wurde zu vier Monaten ohne Bewährung verurteilt.
Das Urteil war noch nicht mal rechtsgültig, da schlägt Marc O. erneut einen Menschen mit Migrationshintergrund nieder. Nur aufgrund inzwischen erhöhter Polizeipräsenz im Schwalm-Eder Kreis konnte diesmal sehr schnell eingegriffen und Schlimmeres verhindert werden.

Die Gewaltbereitschaft und Vernetzung der Freien-Kräfte Schwalm-Eder wurde offenbar lange unterschätzt.

Wir fordern die Prüfung ob diese Gruppierung nicht als kriminelle Vereinigung eingestuft oder als Gruppe verboten werden kann. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Möglichkeit in einem ähnlichen Fall ausdrücklich zugelassen. In anderen Bundesländern, wie Sachsen und Berlin, wurden ähnliche Gruppen bereits verboten. Auch in Hessen muss dies möglich gemacht werden.

Die im Antrag geforderte Anhörung von unabhängigen Sachverständigen und Experten ist aus den genannten Gründen notwendig und ebenso sinnvoll wie die bereits in einem anderen Antrag geforderte Erstellung einer Studie über Jugendgewalt in Hessen.

Nicht zu vergessen bleibt aber, dass es die Aufgabe der Gesellschaft insgesamt bleibt, sich Neo-Faschismus und Rassismus in all seinen Erscheinungsformen mit Courage entgegenzustellen.

In Dresden konnte der größte europäische Nazi-Aufmarsch in diesem Jahr zum ersten Mal erfolgreich verhindert werden. Es war ein breites, parteiübergreifendes Bündnis, das dies mit verschiedensten Formen von Widerstand erreicht hat.

Wir sollten ohne Betrachtung von Partei und Person zusammenzustehen  und uns alle am Protest gegen den geplanten Nazi-Aufmarsch am 8. Mai in Wiesbaden, ausgerechnet am 65ten Jahrestag des Kriegsendes, beteiligen.