Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

"Es geht Ihnen um eine gezielte Stigmatisierung unserer Partei, die von Millionen von Menschen unterstützt und gewählt wird"

Hermann Schaus

Aktuelle Stunde der Fraktion der CDU "Verfassungsschutz stärkt unsere Sicherheit – linke Gewalt besorgniserregend"

Aktuelle Stunde der Fraktion der CDU "Verfassungsschutz stärkt unsere Sicherheit – linke Gewalt besorgniserregend"


Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Herr Bellino, dass Sie Ihre Aktuelle Stunde versenkt haben, ist wohl klar. Aber ich habe durchaus Verständnis dafür, dass Sie nach dem gestrigen Tag mit gebremstem Schaum in diese Debatte gehen.
Stellen Sie sich einmal vor, nicht Sie, meine Herren von der FDP, regierten mit der CDU, sondern DIE LINKE regierte, so wie Sie, in Bund und Land mit einem Koalitionspartner. – Ich weiß, es fällt Ihnen schwer, sich das vorzustellen. Aber wir müssen schließlich auch Ihre Regierung ertragen.

Stellen Sie sich vor, wir würden mit den Geheimdiensten dann so verfahren, wie Sie es jetzt machen.
Millionen von Menschen, die ihre Hoffnung in Sie setzen, Sie unterstützen und wählen, würden, obwohl sie Demokratie, Frieden und Freiheit bejahen – wenn auch zweifellos mit anderen politischen Zielen –, konsequent ausgegrenzt, diskreditiert, kriminalisiert und geheimdienstlich überwacht. Würden Sie eine solche Regierung für lupenrein demokratisch halten?

Vielleicht wird Ihnen durch diesen gedanklichen Rollentausch klar, wie bedenklich es ist, wenn die Regierung Teile der Opposition zu Staatsfeinden erklärt. Wenn auch Sie etwas aus der deutschen Geschichte gelernt haben, dann doch hoffentlich dies, dass sich eine Regierung, was die Innenpolitik betrifft, nicht der Geheimdienste bedient, um missliebige politische Meinungen kleinzuhalten. Unsere Partei teilt diese Überzeugung, die schwarz-gelbe Landesregierung offenbar nicht.

Sie sind aber in der Minderheit; denn lediglich in Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und eben in Hessen – also nur in fünf von 16 Bundesländern – findet eine Überwachung unserer Partei statt. Aber wie kann das sein, wenn wir doch so gefährlich sind? Vielleicht sind wir nur in diesen fünf Bundesländern gefährlich. Wir gefährden die schwarz-gelben Mehrheiten in diesen Ländern. Die Antwort ist ganz einfach: Es geht Ihnen nicht um Aufklärung oder um einen Schutz vor radikalem Denken. Dann müssten Sie wohl eher in Ihren eigenen Reihen etwas unternehmen. Es geht Ihnen lediglich um Hetze und um eine gezielte Stigmatisierung unserer Partei, die von Millionen von Menschen unterstützt und gewählt wird.

Der Verfassungsschutz ist Teil des Inlandsgeheimdienstes. Als Behörde ist er dem Innenminister direkt unterstellt und wird von diesem politisch geführt. Man darf deshalb von einer großen politisch-inhaltlichen Nähe des Verfassungsschutzes zur hessischen CDU/FDP-Regierung ausgehen. So muss man den Verfassungsschutzbericht eben auch lesen.

Herr Wagner, dies erklärt, warum wir in Hessen überwacht werden. Aber wie sieht diese Überwachung eigentlich aus? Der Verfassungsschutz betont stets, dass er nur öffentlich zugängliche Materialien, also Flugblätter, Schriften und Internetseiten, auswertet. Die Ergebnisse – mit nahezu unveränderten Texten – finden wir jährlich im Verfassungsschutzbericht wieder. Dort können wir nachlesen, dass zwar nicht alle LINKEN per se als Linksextremisten einzustufen seien, aber diejenigen von uns, die in drei von 24 Arbeitsgemeinschaften mitarbeiten, und dass wegen unserer stetig steigenden Mitgliederzahl die Zahl der Linksextremisten in Hessen auf 4.600 angestiegen sei.

2007 ist die Zahl der angeblichen Linksextremisten laut Bericht sogar sprunghaft um 1.500 angestiegen. Der Grund war, dass die eine Quellpartei der LINKEN, die WASG, nicht beobachtet worden ist. Aber am Tag nach dem Zusammenschluss unserer Parteien waren nach dem Verfassungsschutzbericht alle Linksextremisten. Sie sind es sozusagen über Nacht geworden. Das ist völlig absurd; es ist alles konstruiert.

Um dies zu belegen, werden unsere Texte aus dem Zusammenhang gerissen, politisch gefärbt, uminterpretiert und mit anderen Texten auf zehn Seiten neu zusammengebaut.

Herr Minister, meine Damen und Herren von der CDU und der FDP, eines dürfen Sie mir als Insider unserer Partei glauben: Das, was Sie da konstruiert haben, ist so etwas von daneben, dass mir angst und bange wird, wenn ich nur daran denke, dass dies auch auf andere Teile des Berichts zutreffen könnte.

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Mit Ausnahme des Verfassungsschutzberichts Berlin und des Verfassungsschutzberichts Brandenburg sind alle in den letzten vier Jahren von Bund und Ländern publizierten Verfassungsschutzberichte verfassungswidrig. Dies ist nicht allein meine Erkenntnis. Dies ist das Ergebnis einer vom Institut für Öffentliches Recht der Albert-Ludwig-Universität Freiburg vorgenommene Untersuchung, die jüngst im "Jahrbuch Informationsfreiheit und Informationsrecht" veröffentlicht wurde.

Wir jedenfalls werden nicht aufhören, weiterhin für eine soziale, freie, friedliche, ökologische, gerechte, demokratische, sozialistische Gesellschaft zu streiten.