Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

FDP-Antrag: Bestmögliche Bildung für alle Kinder in Hessen

Gabi Faulhaber
Gabi FaulhaberBildung

Rede von Gabi Faulhaber am 01.Februar 2018 im Hessischen Landtag

 

– Es gilt das gesprochene Wort –

 

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Herr Greilich, das ist ein guter Antrag; wir unterstützen diesen auch weitgehend. Aber irgendwie fehlt mir der Glaube an eine nachhaltige Wandlung der FDP zur Bildungspartei. Tatsächlich scheint es mir eher logisch, dass das Thema Bildung einer der großen Schwerpunkte im Landtagswahlkampf der FDP werden soll. Jetzt könnte man sagen: Warum auch nicht, immerhin hat die FDP jahrelang die Kultusministerin gestellt. – Aber genau aus diesem Grund traue ich der Intention selbst dieses gut gemeinten Antrags einfach nicht.

Natürlich stimmt es, dass Bildungspolitik engagiert und vorausschauend betrieben werden muss. Natürlich ist zutreffend, dass Lehrkräftemangel herrscht, besonders an den Grundschulen und an den Berufsschulen. Aber, Herr Greilich, das hat leider nicht allein die schwarz-grüne Landesregierung zu verantworten. Das ist aus Ihrem Erbe entstanden; denn hätte die damalige schwarz-gelbe Landesregierung so vorausschauend und problemorientiert gehandelt, wie Sie es hier ganz richtig einfordern, wären wir erst gar nicht an diesem Punkt angekommen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Lehrerinnen und Lehrer, die jetzt fehlen, hätten ihr Studium unter der Kultusministerin Beer beginnen müssen, unter einem FDP-geführten Kultusministerium. Jetzt sagen Sie nicht, das hätte man nicht kommen sehen können. Das hat man nämlich kommen sehen. Seit DIE LINKE im Hessischen Landtag vertreten ist, fordert sie Jahr für Jahr neue Lehrerstellen, und Jahr für Jahr ist diese Forderung abgelehnt worden.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Hättet ihr einmal auf uns gehört!)

Hätte sich die schwarz-gelbe Landesregierung damals dazu durchgerungen, problemorientiert und vorausschauend über unsere Anträge abzustimmen,

(Janine Wissler (DIE LINKE): Allerdings!)

hätte es nicht so weit kommen müssen, dass Unterricht an Grundschulen ausfällt – und zwar in bedenklichem Maße – oder dass mittlerweile fachfremder Unterricht zum Alltag an Schulen gehört. Dann müssten jetzt auch nicht alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, um Rentnerinnen und Rentner und Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger mit Crashkursen an die Schulen zu holen. Heute stellen Sie sich hierhin und fordern, dass die Beseitigung des Lehrermangels jetzt absolute Priorität hat.

Ja, das muss oberste Priorität haben, aber das hätte auch in Ihrer Regierungszeit oberste Priorität haben müssen. Sie können froh sein, Herr Greilich, dass sich die Leute in der Regel nicht an politische Ereignisse erinnern, wenn sie einige Jahre zurückliegen.

Falls meine Rede bis jetzt den Eindruck erweckt hat, dass ich diese schwarz-grüne Landesregierung in Schutz nehmen möchte, dann ist das ein falscher Eindruck.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das hatten wir nicht erwartet! – Manfred Pentz (CDU): Gott sei Dank, Glück gehabt!)

– Gott sei Dank. – Schwarz-Grün setzt fort, was Schwarz-Gelb zuvor angefangen hat,  allem voran die arrogante Ignoranz der Probleme an den hessischen Schulen.

(Beifall bei der LINKEN – Manfred Pentz (CDU): Das sagen die Richtigen!)

Ich kann es, ehrlich gesagt, nicht mehr hören, wenn Herr Schwarz hier zum tausensten Mal herunterleiert, es gehe den hessischen Schulen so gut wie nie zuvor.

(Armin Schwarz (CDU): Man muss immer über die Wahrheit reden, Frau Kollegin!)

– Herr Schwarz, so ein Unsinn; reden Sie einmal mit den Lehrkräften und Schulleitungen; denn diese werden Ihnen sagen, dass es so ist wie noch nie zuvor, nämlich in Bezug auf die Belastungen, die zusätzlichen Aufgaben und das immer höher werdende Arbeitspensum. – Dann nützt es auch nichts, wenn die Arbeitszeit einer Beamtin oder eines Beamten geringfügig verkürzt wird; denn die tatsächlich geleistete Arbeit bemisst sich im Lehrerberuf längst nicht mehr an der vertraglich festgelegten Arbeitszeit, sondern an dem, was zu erledigen ist, damit der Betrieb läuft, damit jedes Kind individuell gefördert
werden kann, damit Inklusion gelingt und damit Integration tatsächlich funktioniert.

Es wird noch heftiger werden, weil die jüngst erschienene Bertelsmann-Studie bis 2025 besonders in den Grundschulen ein Anwachsen des Lehrerbedarfs vorsieht, und zwar auf 35.000 Fehlstellen. Hessen liegt bekanntermaßen in Deutschland, also werden Sie sich da nicht wegducken können. Dafür reichen Ihre Aktivitäten nicht aus; das ist nur ein Anfang.

Das Kultusministerium hält die Belastungsanzeigen der Kolleginnen und Kollegen unter der Decke. Brandbriefe und Hilferufe werden in andauernder Arroganz ignoriert. Wissen Sie, was dem Ganzen das i-Tüpfelchen aufsetzt? – Dass der Opposition eine Landtagsanhörung verweigert wurde, die sich mit der Arbeitsbelastung der Schulleitungen auseinandersetzen sollte. Stattdessen werden Studien kleingeredet, die eigentlich Alarmglocken auslösen müssten. Hierbei rede ich nicht nur über das kleine Gutachten zur Arbeitsbelastung der hessischen Schulleitungen, das Sie in Grund und Boden kritisiert haben, sondern ich rede vor allem über die Studie aus Niedersachsen, die die Grundlage für diesen Wunsch nach einer Anhörung war.

Nichts, aber auch gar nichts weist darauf hin, dass hessische Schulleitungen weniger belastet sind als niedersächsische. Die beiden Fraktionen, die die Regierung tragen, widersprechen den Erkenntnissen der Studie, und zwar vehement. Gleichzeitig weigern sie sich, die Schulleitungen und deren Vertretungen anzuhören. Sie täten wirklich gut daran, diese ablehnende Haltung eiligst noch einmal zu überdenken und wenigstens dem Punkt 7 des FDP-Antrags zuzustimmen. Das jedenfalls tun wir. Nicht zustimmen können wir allerdings bei dem Punkt 4. Wie so häufig bei FDP-Anträgen beginnt der Punkt 4 mit einer zutreffenden Analyse, die dann jedoch den falschen Weg einschlägt.

(Jürgen Lenders (FDP): Deshalb sind wir in unterschiedlichen Parteien!)

Herr Lenders und Herr Greilich, trotzdem müssen sie mir eines erklären: An welcher Stelle setzt die Landesregierung denn Inklusion mit der Brechstange durch? – In Hessen findet Inklusion, wie sie nach der UN-Konvention eigentlich umgesetzt werden müsste, doch nur eingeschränkt oder kaum statt. Nach über 30 Jahren der Inklusionsbemühungen sind wir jetzt an dem Punkt, dass wir für Kinder mit Behinderungen Schwerpunktschulen schaffen.

(Claudia Ravensburg (CDU): Das ist doch gar nicht wahr!)

– Natürlich, dazu haben Sie Schulgesetze gemacht. – Das Prinzip der örtlichen Schulbildung wird für Kinder mit Behinderungen aufgehoben. Es war einmal so, dass sichergestellt wurde, dass Kinder die Grundschulen ihres Wohnbereichs besuchen. Was tun Sie jetzt mit dem Schulgesetz? – Sie heben das für Kinder mit Förderbedarf auf, sodass diese nicht mit ihren Freundinnen und Freunden in die zuständige Grundschule gehen können, sondern wegen der Inklusion – das muss man sich einmal vorstellen
– in eine andere Schule fahren müssen, am besten noch über Land. Selbst in Ihren Augen, werte FDP, kann das nicht als Inklusion verstanden werden. Wir sagen: Statt weniger Inklusion muss es wirklich inklusiven Unterricht geben, der alle einschließt.

(Beifall bei der LINKEN)

Wissen Sie, Herr Wagner, wenn Sie sagen, das sei ein Schwarz-Weiß-Spiel, dann tun Sie so, als wäre die Kritik an Ihrer Bildungspolitik die Ursache dafür, dass die Probleme im bildungspolitischen Bereich nicht gelöst werden könnten.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein!)

Mit Ihren Jubelvorträgen über irgendwelche Zahlen, welchen noch nicht einmal eine Bedarfsanalyse zugrunde liegt, tragen Sie nichts zur Lösung der Probleme im bildungspolitischen Bereich bei. Sie kitten eigentlich die Probleme. Dann haben Sie noch gesagt, es würden multiprofessionelle Teams eingeführt, und diese hielten Sie für notwendig. – Nein, diese wären sogar notwendig gewesen, wenn genügend Grundschullehrer da  wären. Das ist nichts, was gegengesetzt werden könnte, aber Sie haben es gegengesetzt. Das liegt an den Aufgaben der Schulen und nicht daran, dass zu wenige Grundschullehrer
da sind.

(Beifall bei der LINKEN – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe gesagt, wir machen es jetzt endlich!)

Es wird wirklich einmal Zeit, dass endlich umgesetzt wird, was Sie hier immer erzählen, nämlich dass sich am Kind orientiert und dass jedes Kind bestmöglich gefördert wird. Das muss ja irgendwann einmal anfangen; und dazu gehört, dass Pädagoginnen und Pädagogen ein gutes Arbeitsumfeld haben und dass sie nicht aufgrund von Überarbeitung krank werden. Sie wissen noch nicht einmal – Herr Degen hat es schon angesprochen –, wie es an den Grundschulen aussieht. Diesen ganzen Aufgaben sollten Sie sich jetzt endlich einmal stellen.

(Beifall bei der LINKEN)