Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

FDP-Antrag: Diskussion um Ankerzentren und BAMF-Skandal – ganz Deutschland diskutiert, nur Schwarz-Grün in Hessen taucht ab

Gabi Faulhaber
Gabi FaulhaberMigration und Integration

Rede von Gabi Faulhaber am 29.Mai 2018 im Hessischen Landtag

– Es gilt das gesprochene Wort –

 

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Herr Wagner, ja, wir haben nicht mehr das Jahr 2015. Aber wir werden Landtagswahlen haben. Es ist nicht das erste Mal, dass die FDP am rechten Rand fischt. Wir haben in der letzten Zeit öfter Diskussionen über Probleme gehabt, die wir zum Teil gar nicht sehen
können, nur damit man am rechten Rand um Stimmen werben kann. Das ist ein bisschen schäbig.

(Beifall bei der LINKEN – Hermann Schaus (DIE LINKE): Nicht nur „ein bisschen“!)

– Nicht nur „ein bisschen“, da hast du recht. – Im Koalitionsvertrag auf Bundesebene ist von Ankerzentren für Asylsuchende die Rede. Das ist eigentlich eine Mogelpackung. Denn der Begriff „Anker“ entstammt der Seefahrt. Er bedeutet so etwas wie Sicherheit und Schutz im bewegten Element.

Genau das Gegenteil ist der Fall. In diesen zentralen Einrichtungen sollen die Flüchtlinge 18 Monate lang festgehalten werden. Sie sollen dann direkt aus diesen Einrichtungen abgeschoben werden – dafür hält man sie da –, und zwar schneller und einfacher als bisher.

Es geht also überhaupt nicht um einen Anker für Schutzsuchende. Es geht auch nicht um Halt und gesellschaftliche Integration. Vielmehr geht es um Abwehr und Ausgrenzung. Die Ankerzentren stehen für eine neue Dimension der Abschottung in der Asylpolitik.

In Bayern wird vorgemacht, was bundesweit gewollt wird: Dort leben die Geflüchteten isoliert vom Rest der Bevölkerung ohne Privatsphäre in beengten Wohnverhältnissen. Sie sind einer verschärften Residenzpflicht unterworfen, dürfen nicht arbeiten, keine Deutschkurse besuchen und haben kaum Zugang zu rechtlicher Beratung. Die Kinder können trotz Schulpflicht erst nach gerichtlicher Intervention am Unterricht teilnehmen.

Nach Aussage des Ministerpräsident Bouffier soll es in Hessen kein Ankerzentrum geben. Die Begründung ist interessant. Die Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen leiste ohnehin schon alles, was ein Ankerzentrum können soll. Ja.

(Zurufe: Ja!)

Was kann das Gießener Zentrum? – Menschen aus angeblichen sicheren Herkunftsstaaten werden dort gehalten und nicht auf die Kommunen verteilt. Sie werden auf unbestimmte Zeit in Gießen festgehalten, und zwar unter völlig unzureichenden Standards.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Das sagen nicht nur wir LINKE. Vielmehr gibt es schon seit 2016 Verbesserungsvorschläge der Liga der Freien Wohlfahrtspflege. Dennoch gibt es bis heute keine ausreichende soziale Betreuung und Beratung.

Die Bewohnerinnen und Bewohner der Gießener Einrichtung – darunter sind viele Frauen und Kinder sowie viele traumatisierter Menschen – müssen doch endlich ausreichend versorgt und geschützt werden. Auch dort gehört endlich ein Gewaltschutzkonzept hin.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos)

Man muss nicht nur von Gewalt reden, die von den Flüchtlingen ausgeht. Ich möchte noch etwas anderes sagen. Nach den Vorstellungen des Bundesheimatministers Horst
Seehofer soll die Bundespolizei die Bewachung der Ankerzentren übernehmen. Ich freue mich, dass es großen Widerstand auch aus den Reihen der Bundespolizistinnen und -polizisten gibt. Die Gewerkschaft der Polizei verabschiedete auf ihrer jüngsten Delegiertenkonferenz eine Resolution gegen die Ankerzentren und wendet sich gegen die Kasernierung und Internierung der Schutzsuchenden.

Jörg Radek, Vorsitzender des Bezirks Bundespolizei der Gewerkschaft der Polizei, stuft das Vorhaben grundsätzlich als verfassungsrechtlich bedenklich ein. In einem Gastkommentar in der „Mittelbayerischen Zeitung“ vom 8. Mai 2018 schrieb er:

In den Lagern finden keine Strafverfolgungs- oder Gefahrenabwehrmaßnahmen nach dem Polizeirecht statt. Eine Internierung zum Zwecke der Durchführung des Verwaltungsverfahrens ist zudem verfassungsrechtlich fraglich.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos))

Die im Grundgesetz verankerten Freiheitsrechte eignen sich nicht als Experimentierfeld! Als Berufsvertretung für Polizisten, deren Aufgabe es ist, Recht durchzusetzen, erteilen wir allen Vorschlägen, die fundamentale verfassungsrechtliche Fragen aufwerfen, eine klare Absage. Das sagt ein Vertreter der Gewerkschaft der Polizei.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos))

Seit mehreren Jahren werden mit Transit- und Ankerzentren besondere Aufnahmeeinrichtungen herbeigewünscht. Die sicheren Herkunftsstaaten und – – Jetzt habe ich mich vertan. Seit mehreren Jahren werden mit Transit- und Ankerzentren besondere Aufnahmeeinrichtungen, die –
(Holger Bellino (CDU): Geben Sie die Rede doch zu Protokoll!)

Die verfassungsrechtlichen Positionen werden ausgehebelt. Darauf kommt es mir besonders an: Diese Maßnahmen betreffen nicht nur die Asylsuchenden. Diese Maßnahmen betreffen uns alle; denn sie lassen unsere rechtsstaatlichen Maßstäbe erodieren. Deswegen sagen wir zu den Überlegungen zu den Ankerzentren Nein. Wir wünschen uns in Hessen auch einen anderen Umgang mit Geflüchteten und Schutzsuchenden.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos))