Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Heide Scheuch-Paschkewitz in der Debatte zur Vermeidung von Lebendtiertransporten

Heidemarie Scheuch-Paschkewitz
Heidemarie Scheuch-PaschkewitzLandwirtschaft und Tierschutz

In seiner 54. Plenarsitzung am 30. September 2020 diskutierte der Hessische Landtag über die Vermeidung von Lebendtiertransporten. Dazu die Rede unserer tierschutzpolitischen Sprecherin Heide Scheuch-Paschkewitz

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen, meine Herren, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer zu Hause!

Für DIE LINKE ist schon lange klar: Um die Versorgung der Bevölkerung mit nachhaltig erzeugten Nahrungsmitteln zu sichern, sind regionale Ernährungssysteme notwendig. Durch eine Regionalisierung von Produktion, Weiterverarbeitung, Vermarktung und Konsum können Kreisläufe geschlossen, Transportwege minimiert sowie kulturelle und ökologische Aspekte des Landschaftsschutzes besser gefördert werden.

Doch das Potenzial von regionalen Ernährungssystemen, einen maßgeblichen Beitrag zur Entwicklung des ländlichen Raums sowie eine Wertschöpfung für Klima- und Umweltschutz zu leisten, wird nicht genutzt, geschweige denn, ausgeschöpft. Notwendig sind regionale Kreisläufe zugunsten der vielen statt globaler Märkte zum Profit der wenigen.

Gerade der zurückliegende Lockdown hat gezeigt – ich konnte mich auf meiner Sommertour davon vielfach überzeugen –, dass die Umsätze der sogenannten Hofläden und die Direktvermarktung um ein Vielfaches gestiegen sind. Für den weiteren Ausbau dieser Vermarktung braucht es aber einen flächendeckenden Umbau der Landwirtschaft hin zu einer extensiven und weg von der intensiven Bewirtschaftung der Böden, eine Tierhaltung, die nicht auf Masse – sprich: Quantität – setzt, sondern am Tierwohl orientiert ist, sowie eine Förderung, die die Qualität unterstützt. Dazu müssten sowohl der Tier- als auch der Fleischexport massiv zurückgefahren oder am besten ganz eingestellt werden und nur in ganz wenigen Ausnahmefällen erlaubt sein.

In der Fleischproduktion ist noch weitaus mehr wichtig als regionale Erzeugung und Schlachtung. Um die Belastung der Tiere zu mindern, bedarf es mehr als mobiler Schlachteinrichtungen und dezentraler, regionaler Schlachthöfe. Sollen kleine und privat geführte Schlachthöfe ein romantischer Gegensatz zu den großen industriellen Schlachtungen sein? Ich glaube, kaum. Wenn der Mensch Fleisch essen will, dann muss er Tiere töten. Doch wie geht das am besten? Wahrscheinlich ehrlicher: Wie geht das am wenigsten schlecht?

Eines ist aus ethischen und ökologischen Gründen klar: Wir müssen auf Masse und Tierqual verzichten. Wir sollten uns immer wieder selbst fragen, wie viel Fleischkonsum sein muss.

(Beifall DIE LINKE)

Die 28 größeren hessischen Schlachtbetriebe verfügen über eine Schlachtkapazität von rund 53.000 Rindern, 270.000 Schweinen, 442.000 Schafen und 28 Millionen Stück Geflügel pro Jahr. Jedes dieser Tiere ist leidensfähig. Es muss unser aller Ziel sein, den Tieren ein gutes Leben zu ermöglichen und den Tieren ihre letzten Stunden nicht noch schwerer zu machen als notwendig. Die Erweiterung der tierschutzgerechten Weideschlachtung ist in diesem Zusammenhang eine gute Sache, wird aber am Ende nur jenen Tieren zugutekommen, die auch einmal in ihrem Leben eine Weide gesehen haben. Die Schlachtung selbst muss für alle Tiere verbessert werden. Schlachträume sind kein romantischer Ort – egal, wie viele Quadratmeter sie haben.

Die Situation auf Schlachthöfen hängt im hohen Ausmaß von Ausbildung und Training der Mitarbeiter ab. Hier liegt einiges im Argen. Man muss nur auf die Firma Plukon im nordhessischen Gudensberg schauen. Dort werden mithilfe von Subsubsubunternehmen Menschen eingestellt, die aufgrund ihrer Lebenssituation – unter anderem in Bulgarien und Rumänien – für alle Arbeiten dankbar sind, allerdings wenig ausgebildet, sondern ausgebeutet sind. So viel zum Thema „Gutes aus Hessen“.

Dann passieren Fehler – vor allem bei der Betäubung. Das wird meist dann etwas lauter diskutiert, wenn Aktivistinnen und Aktivisten mutig genug waren, um in Schlachthäusern zu filmen und zu dokumentieren, was da vor sich geht. Es existiert kaum gesicherte Forschung zu Schlachtfehlern, weil die Schlachthöfe wenig Interesse haben, Wissenschaftlern Zugang zu gewähren. Auch wenn sich die Situation in vielen Schlachtbetrieben in den letzten Jahren verbessert hat, so ist sie bei Weitem noch nicht zufriedenstellend. Immer wieder wird gegen geltendes Recht verstoßen und tierschutzrelevanten Anforderungen mitunter wenig Beachtung geschenkt – beispielsweise der Überprüfung des Betäubungserfolges eines jedes Schlachttieres. Auf ein einzelnes Tier und seinen Zustand wird auf Schlachthöfen nur wenig Rücksicht genommen.

Wir haben auch Vollzugsprobleme, weil es an Personal in den Veterinärämtern fehlt, weil bundeseinheitliche Befundkataloge fehlen, ungeklärte Zuständigkeiten vorliegen, Verstöße strafrechtlich nicht verfolgt werden oder verfolgt werden können. Insofern muss hier noch einiges passieren. Wir können das nur gemeinsam erreichen. Wir müssen es aber erreichen.

Bitte gestatten Sie mir noch einige Bemerkungen zum Antrag der AfD. In deutschen Wäldern werden jedes Jahr Hunderttausende Wildschweine präventiv getötet, damit weiterhin Tiere für die Fleischproduktion unter widrigen Bedingungen und auf Hochtouren gemästet werden können. In der Saison 2018/2019 belief sich die Jahresstrecke von Schwarzwild auf knapp 600.000 erlegte Tiere in Deutschland. Experten zufolge ist die großflächige präventive Tötung von Wildschweinen kontraproduktiv; denn die Schweinepest wird hauptsächlich durch kontaminierte

Speise- und Schlachtabfälle verbreitet, also durch den Menschen. Eine Übertragung in die Schweineställe erfolgt also durch den Menschen. An diesem Punkt ergeben Präventivmaßnahmen durchaus Sinn. Für den Menschen und andere Haustierarten ist die Krankheit übrigens ungefährlich.

Unter dem Vorwand der Seuchenprävention werden verstärkt Drückjagden durchgeführt, obgleich bei einem Ausbruch der Schweinepest vor allem diese Jagdmethode zu einer Verbreitung der Krankheit beitragen würde. So beschreibt das Friedrich-Loeffler-Institut – ich zitiere –:

Eine Bejagung könnte Unruhe in die dort ansässigen Rotten bringen und unter Umständen zu ausgeprägten Wanderbewegungen führen, die das Risiko einer Verschleppung des Erregers erhöhen.

So viel dazu. – Vielen Dank.