Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Heide Scheuch-Paschkewitz: Wer zu langsam in die richtige Richtung geht, wird das Ziel verfehlen

Heidemarie Scheuch-PaschkewitzLandwirtschaft und Tierschutz

In seiner 80. Plenarsitzung am 07. Juli 2021 debattierte der Hessische Landtag zum "Ökomodell-Land Hessen". Dazu die Rede unserer landwirtschaftspolitischen Sprecherin Heide Scheuch-Paschkewitz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der heutige Setzpunkt der Fraktion der Bündnisgrünen zum Ökomodellland Hessen ist zum einen ein Schritt in die richtige Richtung. Zum anderen ist es aber wieder einmal, wie so oft, ein Lobgesang und das Sich-auf-die-Schultern-Klopfen der GRÜNEN aufgrund der Erfolge der Hessischen Landesregierung. Wenn dann doch endlich den Worten die Taten folgen würden.

Die Landwirtinnen und Landwirte werden momentan von drei gleichzeitig auftretenden Krisen zerrieben. Das sind die Klimakrise, die ökologische Krise und ihre eigene soziale Krise. Diese Krisen haben eine gemeinsame Ursache. Das ist das Wirtschaftssystem, das statt von Vernunft von Profit getrieben wird. Das Höfesterben und das Insektensterben, die Nitratbelastung und die Klimaschädlichkeit der Landwirtschaft haben ebenfalls eine gemeinsame Ursache. Das ist die absurde Agrarpolitik, die auf maximale Intensivierung der Produktion für den Weltmarkt setzt. Das ist zum Schaden der Umwelt und der bäuerlichen Landwirtschaft.

(Beifall DIE LINKE)

Seit Jahren fordert DIE LINKE eine Ökologisierung und Gemeinwohlorientierung der Landwirtschaft. Fleisch- und Milchprodukte für den Weltmarkt aus hessischen Betrieben sind ein Irrweg. Das muss aufhören, und zwar ganz schnell.

(Beifall DIE LINKE)

Für den Klimaschutz muss die Agrarwende deutlich schneller umgesetzt werden, und für die Klimaanpassung dürfen wir gute Ackerböden nicht mehr zubetonieren.

Gestatten Sie mir einen Ausflug zu vorangegangenen Debatten. Dank der veränderten Mehrheitsverhältnisse durch die Kommunalwahl in Neu-Eichenberg konnte der absurde Plan eines Logistikzentrums auf 80 ha besten Ackerbodens erst einmal gestoppt werden. Bei dem fortschreitenden Klimawandel brauchen wir jeden Hektar guten Ackerboden, um die Ernährung der Menschen sicherzustellen.

In den letzten Jahren grüner Landwirtschafts- und Umweltpolitik hat das Artensterben katastrophale Ausmaße angenommen. Das Grundwasser unter den Äckern ist häufig so stark mit Nitrat aus der konventionellen Landwirtschaft belastet, dass es nicht mehr als Trinkwasser genutzt werden kann, und noch immer gibt es ein EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland. Die Fruchtbarkeit von immer mehr Böden ist nur noch durch den massiven Einsatz von Kunstdünger aufrechtzuerhalten. In den letzten Jahren grüner Agrarpolitik konnten diese Trends nicht gestoppt werden, von einer Umkehr ganz zu schweigen.

Ich wiederhole mich gern: Die landwirtschaftliche Produktion muss flächendeckend ökologisiert und extensiviert werden. Es wird nicht ausreichen, auf einem Viertel der Böden Ökolandbau zu betreiben, und das bis zum Jahr 2025, und den Rest wie gehabt konventionell zu bewirtschaften.

Eine umweltverträgliche Produktion brauchen wir auf der ganzen Fläche – nur so können wir die ökologischen Leistungen von Äckern wie Kohlenstoffbindung, Grundwasserbildung, Artenvielfalt und Fruchtbarkeit aufrechterhalten. So müssen wir um jeden Hektar Ackerboden kämpfen. Zubetonierte Ackerflächen sind für immer verloren. Ich sage es heute nicht zum ersten Mal und wiederhole mich gerne: Böden kann man sich nicht einfach im Baumarkt kaufen. Wir brauchen also eine entschlossenere Bodenschutzpolitik und mehr als nur Appelle, freiwillige Maßnahmen und Programme. Das Land Hessen muss hier beispielhaft vorangehen. Weder ein Ökoaktionsplan noch die Ökomodellregionen der Landesregierung haben in den letzten Jahren auch nur einen einzigen Hektar Ackerboden vor der Versiegelung geschützt. Damit muss Schluss sein.

(Beifall DIE LINKE)

Wir als LINKE wollen eine sozial gerechte und auf das Gemeinwohl orientierte Landwirtschaft mit dem Schwerpunkt auf regionaler Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung fördern. In der Landwirtschaft und Lebensmittelherstellung braucht es zudem gute Arbeitsbedingungen: Vier große Einzelhandelskonzerne bestimmen 85 % des Lebensmittelverkaufs in Deutschland und machen satte Profite, während viele Landwirtinnen und Landwirte kaum über die Runden kommen. Direktvermarktung oder die Bildung von Kooperativen und Genossenschaften müssen deutlich stärker gefördert werden.

Lange Wege schaden der Ökobilanz im Ökolandbau, und das können wir nicht wollen. Wo Vermarktungsstrukturen fehlen, wie hier in Hessen – es gibt nur eine Biomolkerei ganz im Nordwesten –, müssen die Bioprodukte am Ende doch konventionell vermarktet werden. Das hilft dann zwar der Umwelt, aber eben nicht den Agrarbetrieben; denn am Ende bekommen die dann nur den konventionellen Erzeugerpreis. Gerade deshalb müssen in der Landwirtschaft Tätige ihre eigene soziale Situation verbessern können, wenn sie die Natur, biologische Vielfalt, Tiere und das Klima besser schützen sollen – unter anderem durch Direktvermarktung und Hofläden. So betrachtet, ist beim jetzigen Stand der Diskussion zur zukünftigen Gemeinsamen Agrarpolitik der EU nach langen Kämpfen das Glas wohl eher halb voll als halb leer; denn die Gelder werden zukünftig stärker zumindest an Maßnahmen für mehr biologische Vielfalt oder für den Klimaschutz gebunden.

Lassen Sie mich zum Ende noch auf einen Punkt kommen, zum Agroforstsystem, also die Baumnutzung in der Landwirtschaft. Die Aufnahme von Agroforstsystemen als Teil der Ökoregelungen ist längst überfällig, jedoch müssen zusätzlich nicht nur rechtliche Hürden und Risiken beseitigt werden, sondern es werden auch Programme zur Förderung von Neuanlagen von Agroforstsystemen gebraucht. Diese müssen auch auf Grünland ermöglicht werden, z. B. als Schattenschutz für Weide- und Freilandhaltung. Auch das hat DIE LINKE schon lange gefordert. Aber wo finde ich das im hessischen Ökomodellplan? Da wären z. B. Bäume als Schattenspender auf Weiden wichtig, gerade in den zurückliegenden Hitzesommern. Auch in Hessen muss das System des Agroforstens gefördert werden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE)