Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Heidemarie Scheuch-Paschkewitz zur Wolfspopulation in Hessen

Heidemarie Scheuch-PaschkewitzLandwirtschaft und Tierschutz

In seiner 98. Plenarsitzung am 24. Februar 2022 diskutierte der Hessische Landtag zur Wolfspopulation. Dazu die Rede unserer tierschutzpolitischen Sprecherin Heidemarie Scheuch-Paschkewitz.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Gestatten Sie auch mir vorab ein paar Worte. Ich habe mich eigentlich auf diesen Tagesordnungspunkt sehr gefreut. Aber nun haben uns die Ereignisse eingeholt, und es fällt mir eigentlich schwer, jetzt über den Wolf zu reden. Aber es ist, wie es ist.

Zu Beginn möchte ich eines klarstellen: Der Wolf gehört nach Hessen. Er ist im 19. Jahrhundert ausgerottet worden, und es ist sein Recht, wieder hier zu leben. Es handelt sich mitnichten um eine invasive Art wie etwa Nilpferde in Kolumbien. Die Wölfe kehren nach und nach in ihre ehemaligen mitteleuropäischen Gebiete zurück.

Die Kolleginnen und Kollegen der FDP fordern nun ein Bestandsmanagement für die Wolfspopulation in Hessen. Wir sollen als Landtag begrüßen, dass im Ampelkoalitionsvertrag auf Bundesebene beschlossen worden sei, den Ländern ein solches zu ermöglichen.

Da muss ich Sie enttäuschen. Die Vorrednerin ging eben schon darauf ein: Ein Bestandsmanagement mit Obergrenzen für Wölfe ist europarechtswidrig. Nein, auch eine Herabstufung des Wolfes in eine niedrigere Schutzklasse der FFH-Richtlinie ist nicht möglich; denn der Erhaltungszustand des Wolfes ist nicht gesichert. Zum Beispiel ist er im Bayerischen Wald oder in der Rhön noch nicht verbreitet – noch nicht. Der Begriff eines Problemwolfes ist purer Populismus und Angstmacherei.

(Lachen und Zurufe AfD)

Entnahmen von einzelnen Wölfen sind aus spezifischen

Gründen möglich; dafür brauchen wir nicht die FDP im Bund oder diesen Antrag. Das ist schon jetzt im Bundesnaturschutzgesetz geregelt.

(Beifall DIE LINKE – Zuruf Wiebke Knell (Freie Demokraten))

Das Wachstum der Zahl der Wölfe in Hessen könne „nicht grenzenlos hingenommen werden“, schreibt die FDP. Das ist schon sehr amüsant, sonst geht es Ihnen doch immer um grenzenloses Wachstum ohne jedwede Einmischung. Aber eines ist doch auch klar: Dass die Natur kein grenzenloses Wachstum der Wolfspopulation zulassen wird, das sehen wir an anderen Orten in Deutschland, beispielsweise in der Oranienbaumer Heide in Sachsen-Anhalt, wo die Population der Wölfe stabil ist.

Die Halter der Nutztierbestände hätten Sorgen, schreiben Sie. Das stimmt. Hauptursache der Sorgen der Schäferinnen und Schäfer ist aber sicher nicht der Wolf.

Eines wird in Ihrem Antrag überhaupt nicht erwähnt, und das ist die Rolle der Jägerinnen und Jäger,

(Zuruf AfD) auch wenn einige von Ihnen glauben, es wäre ein schönes Hobby, in der Freizeit Tiere totzuschießen. Aber was doch ganz klar ist: Hauptbeute des Wolfes sind mitnichten Weidetiere, sondern es sind Rotwild und Rehe, also genau die Tiere, die die Jägerinnen und Jäger unter Ihnen lieber selbst schießen würden, als sie dem Wolf zu überlassen.

Die Weidetierhalterinnen und -halter halten nur als Sündenböcke her, um die Debatte zu verschärfen und die prekäre Situation der Schäferinnen und Schäfer möglichst emotional zur Sprache zu bringen. Die Bedrohung der Tierhalter ist vor allem ihre finanzielle Notlage. Wir brauchen endlich eine existenzsichernde Bezahlung für die wichtige Gemeinwohlarbeit der Weidetierhalterinnen und

‑halter.

(Beifall DIE LINKE)

Diese pflegen die Natur- und die Agrarlandschaft und leisten einen wertvollen Beitrag für den Naturschutz. Aber sie werden durch den Markt nicht entlohnt. Viele Schäferinnen und Schäfer erwirtschaften nicht einmal Mindestlohn – trotz der Agrarförderung. Was wir brauchen, ist ein effektiver Herdenschutz. Wir setzen uns schon lange für Sofortmaßnahmen für den Schutz weidetierhaltender Betriebe ein, unter anderem durch einen Rechtsanspruch auf Unterstützung für Herdenschutzmaßnahmen und den Ausgleich von Schäden durch Wolfsübergriffe.

Es müssen die Anschaffungs-, Installations- und Instandhaltungskosten von Herdenschutzzäunen inklusive der Arbeitskosten sowie die Anschaffungs-, Ausbildungs- und Erhaltungskosten für Herdenschutztiere ausgeglichen werden. Wir wollen, dass bei Übergriffen auf Nutztiere bei der Entschädigungszahlung eine Beweislastumkehr greift. Die Entschädigungen müssen schnell und unbürokratisch ausgezahlt werden. So sähe ein effektiver Herdenschutz aus.

(Beifall DIE LINKE)

Eines wird bei diesem Antrag ganz deutlich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP: Sie instrumentalisieren die Sorgen der Weidetierhalterinnen und -halter schamlos; denn Sie schlagen keine der oben genannten Lösungen vor.

Auch in Ihren Haushaltsanträgen konnte ich derlei nicht finden. Es wird nur reflexartig die Angst vorm bösen Wolf geschürt. Was wir also auch noch brauchen, sind Aufklärungsprogramme für die Anwohnerinnen und Anwohner und keine diffusen Andeutungen. Es ist ein großartiger Erfolg des Naturschutzes, dass Wölfe in Deutschland und in Hessen wieder einen Lebensraum gefunden haben. Ich freue mich sehr darüber. Weidetierhalterinnen und -halter werden wir unterstützen. Das haben wir mit unseren Haushaltsanträgen deutlich gemacht. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)