Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Heidemarie Scheuch-Paschkewitz – Wolfsdebatte: Weder Wolf noch Schaf dürfen eine leichte Beute sein

Heidemarie Scheuch-PaschkewitzLandwirtschaft und TierschutzUmwelt- und Klimaschutz

In seiner 141. Plenarsitzung am 20. Juli 2023 diskutierte der Hessische Landtag über einen Antrag der FDP zur Durchführung einer Aktuellen Stunde mit dem Titel „10 Jahre falsche Wolfspolitik in Hessen – Schwarz-Grün muss endlich die Wolfswende einleiten!“. Dazu die Rede unserer tierschutzpolitischen Sprecherin Heidemarie Scheuch-Paschkewitz.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, liebe Gäste!

– Und täglich grüßt das Murmeltier – oh nein, Entschuldigung, der Wolf.

(Heiterkeit DIE LINKE)

Sie wollen „die Wolfswende“. Aber warum? Und wer hat Angst vor dem bösen Wolf?

Erstens. Der Wolf stellt für den Menschen keine Bedrohung dar – anders als die vermeintlich gesichtete Löwin in Berlin und in Brandenburg. Bei einem Spaziergang im Wald sind z. B. Zecken eindeutig eine größere Bedrohung als der Wolf. Sie übertragen nämlich FSME, die Frühsommer-Meningoenzephalitis.

(Dr. Matthias Büger (Freie Demokraten): Dagegen kann man sich impfen lassen!)

Die Menschen hiervor zu warnen und Schutzmaßnahmen zu unternehmen wäre in jedem Fall drängender und notwendig.

(Beifall DIE LINKE)

Selbstverständlich kann es trotz objektiv gegebener Sicherheit zu Sorgen und Bedenken in der Bevölkerung kommen. Gegen unbegründete Sorgen oder Bedenken helfen Aufklärungskampagnen. Sie aber wollen den Wolf erschießen. Das schießt weit über das Ziel hinaus.

(Heiterkeit und Beifall DIE LINKE)

Zweitens. Ja, es gibt Wolfsrisse. Ziegen und Schafe sowie größere Tiere, wie Kälber und Fohlen, sterben durch den Wolf. Wir müssen – das habe ich hier schon mehrfach gesagt – die Weidetiere schützen, ohne dass die Halterinnen und Halter dadurch über das Maß belastet werden. Zäune zu erhöhen, unter Strom zu setzen und sicher zu machen, bedeutet sehr viel Arbeit und ist zeitintensiv. Aber auch vor diesem Hintergrund würde es nichts bringen, einzelne Wölfe zu töten, so, wie es trotz des Abschusses von Füchsen immer noch Füchse gibt, die sich Hühner und andere Hühnervögel holen. Die Hühner müssen als Beutetiere seit jeher ausreichend geschützt werden. Diese Selbstverständlichkeit muss jetzt eben auch hinsichtlich der potenziellen Beutetiere des Wolfes einziehen.

(Beifall DIE LINKE)

Zugleich muss ich aber in Richtung der Weidetierhalterinnen und Weidetierhalter auch sagen, dass zwar jedes gerissene Schaf eines zu viel ist und emotional belastet; aber wir sollten die Debatte doch einmal versachlichen. Jährlich sterben rund 15.000 Schafe und Ziegen – von rund 180.000 Weidetieren – als sogenannte Falltiere. Zu diesen 15.000 Weidetieren kommen mehr als 25.000 Kälber hinzu – allein in Hessen. Wir müssen uns doch die Frage stellen, wie man diese Zahlen verringern kann. Das habe ich in meiner Rede vom 30. Januar 2020, also vor dreieinhalb Jahren, schon einmal gesagt, aber passiert ist an der Stelle überhaupt nichts.

Klar ist: Schaf- und Ziegenhalterinnen und -halter brauchen eine ausreichende Unterstützung. Sie nehmen eine wichtige Aufgabe wahr. Diese ist zwar lohnend, aber mühsam. Die Weidetierhalterinnen und -halter gehören zu den Verliererinnen und Verlierern einer verfehlten EU-Agrarpolitik, die auf Massenproduktion und Export ausgerichtet ist. Die finanzielle Situation der Weidetierhalterinnen und -halter ist für diese eine echte Bedrohung und führt zu Notlagen. Zum Glück gibt es aber endlich die Weidetierprämie, deren Höhe regelmäßig darauf zu überprüfen ist, ob sie auch ausreicht.

Es ist auch selbstverständlich, dass durch den Wolf verursachte Schäden auszugleichen sind und dass die Kosten für den Herdenschutz vollumfänglich vom Land übernommen werden müssen. Das erfordert Anstrengungen und Engagement, aber diese Anstrengungen müssen in Richtung eines guten Miteinanders unternommen werden.

Lassen Sie mich noch einen Satz zu Ihrem Antrag sagen. Wir könnten bei zwei Punkten mitgehen. Ich möchte aber keine getrennte Abstimmung beantragen, zumal Sie schon namentliche Abstimmung beantragt haben. Daher müssen wir Ihren Antrag leider ablehnen.

(Beifall DIE LINKE)